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Wir sind Kultur


Wir Kulturmenschen. Uns wird viel Kultur geboten. Wir essen Kulturen und Fetthemmer im Joghurt, Funktionsnahrungs-Kultur. Wir leisten uns Musical-Kultur im Ruhrgebiet inklusive Übernachtung, wir zelebrieren Wein-Kultur, Pasta- und Coffie-To-Go-Kultur, wir sitzen ganz oben im Oberrang, um Rock-Kultur zu feiern, wir sehen dann und wann ganz mutig und bodennah Tanztheater-Kultur in der Fabrikhalle, Werden-Sein-Vergehen, oder so, und viel Video, wir schauen fern und sehen welche Bilder im Auktionshaus Preisrekorde brechen. Wir lesen BALD. Papier ist geduldig. Auch die Zeit, das Feuilleton, das es in Köln nicht gibt. In den Kursen ist so viel Pessimismus. Viel Fälschung ist auf dem Markt. Zwischendurch essen wir auch mal Fast-Food, eine Bock-Wurst, sehen im Kino Bock-Buster, anschließend zum Ohrenarzt, mit den Kindern ins Fantasialand, anschließend zu McDonalds, Super-Size und Wireless-LAN-Flatrate-Kultur. Aber wir gehen auch ins freie Theater. Und wir zahlen auch dafür. Freiwillig. Wir schauen auch Sommertheater im Freien und werfen den Straßenkünstlern einen Schein in den Hut. Wir leisten uns Kultur. Wir sind mitten in Kultur, wir sind Kultur. In unserer Stadt gibt es sogar ein Amt für Kultur. Also, ich muss. Tschö.

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Im Gedenken an meinen Freund Thomas Reis

Rede zur Trauerfeier in der "Comedia" am 30. August 2024 Thomas Reis. Es sind so viele Freunde da, es ist so viel vorbereitet. Mir fällt es schwer heute über ihn zu sprechen. Am liebsten würde ich weinen und anschließen ein paar Kölsch trinken. Aber: Thomas sagte: Du hältst die Rede. Toll. Diese Rede zu schreiben hat von mir das verlangt, was ich in über dreißig Jahren immer von Thomas verlangt habe. Von 1000 Seiten Text 995 zu streichen. Es sind so viele Erinnerungen, so viele Fußballspiele, so viel Kölsch, so viele Reisen, so viele wundervolle Auftritte, auf Gold-, Holz-, Kartoffel- und Reis-Bühnen, in Freiburg, Berlin, im Theater am Sachsenring und auch in der Comedia. Hier wollte er eigentlich nicht mehr auftreten. Kein Platz mehr für alte weiße Männer, erzählte er mir. Jetzt ist er doch wieder da. Geht doch. Thomas? Ich höre dich. „Liebe Freunde der belesenen Betroffenheit, Feministen und Feministinnen, trans-, bi-, homo- hetero- und metrosexuelle Menschenfreund*innen al...

Die Gartenschau...

ist auch nicht mehr unschuldig. Das Thema Kostüm ist ein schwieriges geworden, sagt eine Moderatorin im WDR. Der Inhaber eines Kostümverleihs in Köln erzählt von der besonderen Vorsicht vor allem der jungen Leute. Kein Scheich, kein Indianer… Vor zwei Jahren hat man sich zu Karneval noch ein Betttuch übergeworfen, heute haben die jungen Leute Angst damit einen Scheich zu beleidigen. Um die Ecke meines Theaters gab es „Altentheater“. Viele ältere Menschen hatten dort Spaß am Spiel. Auch eine Tanzgruppe von Seniorinnen der AWO hatte sich anlässlich der Bundesgartenschau 23 ein besonderes Programm einfallen lassen: „Weltreise“. Mit phantastischen, zum großen Teil selbstgenähten Kostümen sollte diese Reise um die Welt auf die Bühne kommen. Doch dann knallte es: „Wir sollen die spanischen Flamenco-Kostüme, den orientalischen Tanz, den mexikanischen Tanz mit Sombreros und Ponchos, den japanischen Tanz mit Kimonos, den indischen mit Saris und den ägyptischen Tanz, in dem wir als Pharaoninnen ...

Unterwerfung

Entschuldigung. Ich weiß. Sie denken jetzt: Bitte nicht schon wieder. Aber, Ehrenwort, ich kann nichts dafür. Fast täglich werden wir konfrontiert mit neuen Vorfällen im Kampf der Identitären gegen Kunst, Satire, Bühne, mit einem Kampf gegen jede Kultur, die nicht „sauber“ ist. Und ich - ich muss darüber schreiben, denn das ist mein Metier. Sauber? Ich arbeite seit vierzig Jahren für die Bühne. Ich erinnere mich gerne an die gute alte Zeit, als sich alle noch bemühten auf Teufel komm heraus nicht sauber zu sein. Da spielten in der Arbeit an meinem Theater die Kunst, die Widerhaken in der Kunst und Schauspiel die wichtigste Rolle. Und selbstverständlich spielte Diskriminierung, etwa aus Gründen des Alters, der Hautfarbe, der Herkunft oder des Geschlechtes keine Rolle. Es war selbstverständlich, dass das keine Rolle spielte. Neuerdings werden wir ständig darauf hingewiesen, dass das eine Rolle spielen muss. Wir waren doch auf einem guten Weg, wir mussten nicht darüber reden, denn selbstv...