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Es werden Posts vom 2009 angezeigt.

Geistesleben

Große Aufregung im Geistesleben unseres Landes: Nikolaus Brender, Chefredakteur des ZDF ist von der Mehrheit des ZDF-Verwaltungsrates, mit dem CDU-Koch an der Spitze, nicht in seinem Amt bestätigt worden. Hilfe! Feuer! Zeter und Mordio! So weit, so gut. Abgesehen vom Geistesleben, also Journalisten, die befürchten, es könnte auch ihnen jetzt an den Kragen gehen, melden sich natürlich auch prompt die zu Wort, die sich immer zu Wort melden, wenn es gilt "Haltet den Dieb" zu rufen, oder Sätze zu formulieren, die Herr Westernhagen auch schon versucht hat zu formulieren: "Freeeeiiiiheit" inklusive Wunderkerzen. Also da stehen (hoppla da ist er ja wieder), Kurt Beck, der unrasierte Siegmar Gabriel für Arme, und der rasierte Berliner Bär Wowi vor den Kameras und schmieren markige Sätze in die Mikrofone: "Skandal! Die Demokratie ist in Gefahr... blabla". Das typische, windige, großmäulige Gewinsel sozialdemokratischer Hunde. Doch, ist wahr. Denn es ist immer g

Blattschuss

Das Theater am Sachsenring, Köln, hatte auf Hilfe gehofft. Das Kulturamt hatte es systematisch abgewiesen. Der Kulturausschuss der Stadt Köln beschloss schließlich gegen den Widerstand der eigenen Verwaltung eine kleine Liquiditätshilfe zuzusagen, wenn das Theater die Deckungslücke nachweise. Das geschah. Zum vierten Mal im Jahr wurden Zahlen vorgelegt, Bilanzen, als wenn ein Theater nichts besseres zu tun hätte. Und es hatte besseres tun gehabt. Das Theater machte gutes Theater. Also schrieb die Verwaltung vor ein paar Tagen: Kein Anspruch auf Hilfe. Ein fast gleich lautender Brief wie der vier Monate zuvor, nachdem die Politik dann eine Hilfe beschloss, wenn das Theater... Das TAS muss nicht, es soll kaputt gespart werden. Ende. Es ist kalt. Das Theater ist geschlossen. Wir schreiben das Jahr 2010. Köln ist keine Kulturhauptstadt. Gute Nacht

Nach der Theaterpreisverleihung

"Kafkas Welten" ist es nicht geworden. Heiß gehandelt, aber keine freie Produktion hat eine Chance, wenn die Stadtsparkassenstiftung ihre eigenen Regeln über Bord wirft um - warum auch immer - ein experimental-verstörendes Doku-Performance-Theater mit Laien (na ja, eben Doku mit echten Menschen), auf die Bühne gestellt von einem Regieduo, das glücklicherweise eine Wohnung in Köln hat, eine Koproduktion mit dem Kölner Schauspielhaus, prämiert und damit einer Produktion das Preisgeld gibt, die schon von den städtischen Bühnen mit allen Mitteln ausgestattet, einen Zuschuss zur Verfügung hatte, mit dem ganze Theaterhäuser im ganzen Jahr leben müssen. Diese Produktion bekam also den Theaterpreis und keiner hat's verstanden. Können Sie folgen? Noch einmal. Die, wie immer, zahlreichen Regeln besagen: Vom Theaterpreis ausgeschlossen sind Produktionen von Regisseuren, die ihren Arbeitsschwerpunkt nicht in Köln haben, die mit Laien arbeiten, außerdem Koproduktionen mit städtische

20 Jahre Mauerfall

Der Tag der Ton- und Bild-EndlosschleifenEndlosschleifen. Nach meiner Kenntnis ist das - sofort - unverzüglich... Wahnsinn, Wahnsinn, Wahnsinn! Nach meiner Kenntnis ist das - sofort - unverzüglich... Wahnsinn, Wahnsinn, Wahnsinn! Nach meiner Kenntnis ist das - sofort - unverzüglich... Wahnsinn, Wahnsinn, Wahnsinn! Es war nicht alles schlecht. Gute Nacht!

Ratgebers Rat

Jetzt schreibe ich wieder über Fernsehen. Habe ich keine anderen Sorgen? Doch. Deswegen brauche ich ja Hilfe. Ich schaue "Kölner Treff", da ist Köln mit dabei, da sitzen Menschen, die ich kenne und die lustig sind, wie Mark Britton, der ManU-Fan, da sitzen Menschen, die natürlich mal wieder Bücher geschrieben haben müssen. Wer sich wundert, warum immer weniger gelesen wird, könnte hier klüger werden, aber es ist genau umgekehrt, gerade diese Bücher werden gelesen. Hey, da sitzt wieder eine Ratgeberin - übergewichtig, modische Brille, Dauerlächeln und jeder Satz beginnt mit "hey", oder mit einem "hallo", von unten nach oben gezogen, sehr amerikanisch, sehr dumm. Dass die Dummen Ratgeber schreiben, gehört zum Geschäft. Sie habe, lächelt die Übergewichtige, irgendwann schon vor der Wirtschaftskrise gemerkt (!), irgendwas läuft hier ganz dumm. "Da passiert etwas, das sieht nicht gut aus". Die französische Revolution, Vietnam, Afghanistan? Auf jeden

Zadeks Theater

Er hat es gemacht. Lebendiges Theater. Wir haben gestaunt, wie es tanzte, wie es flüsterte, wie es sich verkleidete und änderte und wie es krachte. Wir haben ihm und seiner Schauspielerfamilie gerne zugeschaut - bis der Vorhang fiel. Jetzt lässt Peter Zadek in Gottes Burgtheater den Wildgruber ein paar nackte Engel über die Wolkenbühne jagen und lacht und ruft: Komm nochmal!

Kehlmanns Kritik

Der Autor Kehlmann, der den wunderbaren Erzählband 'Ruhm' schrieb, hat eine Rede gehalten in Salzburg gegen das Spagetti-Spritz-Kreisch-Theater. Jeder kennt es, jeden langweilt es, aber wer es kritisiert, der wird niedergemacht. Schon seit Jahren. Damals, als das anfing mit dem Schreien und den ununterbrochenen Zappeleien, blieb noch ein Lächeln, wenn wieder einmal ein Jungregisseur auf die 'Idee' kam, ein klassisches Drama mit Eigentexten anzureichern und auf Leinwänden Bilder von Panzern oder Explosionen laufen zu lassen, um zu verdeutlichen, dass der König in dem verstaubten Stück eigentlich ein Kriegstreiber ist und so redet wie George Bush. Mittlerweile ist das alles nur noch ärgerlich. Es handelt sich in diesem Streit nicht um einen Widerspruch, etwa zwischen modern oder antiquiert, links oder rechts (da irrt Kehlmann), zwischen provokant oder sonstwas, sondern um einen Befund: Das deutsche Theater, frei oder städtisch, ist flächendeckend beherrscht von den Cl

Tussi Armee

Das ZDF wird immer mehr zum Goldenen Blatt in Fernsehformat. Im Mittagsmagazin Berichte über Königskinder als Bericht über einen Bericht über Königskinder im ZDF. Es gibt ja sonst nichts Wichtiges. Und dann den ganzen Nachmittag Fotoromane mit Nahaufnahmen von stundenlang ins Leere glotzenden Weibern, die Blumenläden oder Hotels leiten müssen, um romantischen Quark abzusondern. Oder Kuhaugen machen, weil Männer sie enttäuscht haben. Dann aber konsequent am selben Fleck kleben, um Kuhaugen zu machen weil sie damit die Männer unter Druck setzen können, weil sie unbedingt nochmal enttäuscht werden wollen. Kultur: Aida in Bregenz. Es gab Zeiten, da hat man sich über die Inszenierung oder die Sänger unterhalten. Lieschen Müller aber aus dem Publikum mit glänzendem Gesicht und Promi XY mit freigelegten Zähnen werden vor die Kamera gestellt und meinen meinen zu müssen: Die Bühne war gigantisch, die Kostüme waren toll. In Theaterkreisen galt das einmal als vernichtendes Urteil. Jetzt geht

Avignon

"Jungen zeitgenössischer Zugang", vermisst die Chefin unserer Theaterzeitung 'akt'. Hat sie mir das gesagt um zu erklären warum ich sie oder ihre Redakteure noch nie in meinem Theater gesehen habe? Nein, ich sehe sie auf 'arte' im sommerlichen Avignon sitzen, wo über Theater gesprochen wird, wo auf den Straßen von Clowns lustige Flugzettel verteilt werden und auf den großen Bühnen das große, verstörende Multi-Media-Spektakel stattfindet. Und an Bistro-Tischen wird geredet, es wird über alles geredet. Darüber, nicht vor 'großen Texten' in die Knie zu gehen, Türen aufzustoßen, zu experimentieren. Auch dieses Festival geht nicht ohne „Slowmotion-Rituale“ (Zadek), bedeutungsschwangeres Hundegebell, Fassadenkletterei, aus Fenstern stürzende, aufschlagende Fernsehgeräte, Schauspieler, die aufstehen, hinfallen, aufstehen, hinfallen - und natürlich Video-Projektionen auf allen Wänden und Leinwänden. Alles wie immer, alles in der Hand von ‚Experimentierern’, K

Rentner Ost

Noch ein Rentner  im Morgenmagazin. Original Rentner 'DDR'. Für den 20-Jahre-Mauerfall-Kalender-der-Gefühle im Morgenmagazin. Da sitzt er nun, der Anglerwesten-Laubenpiper-Kleinbürger-Rentner stocksteif für die großen DDR-Gefühle im Fernsehen, neben ihm sein Sohngewordenes Sperma, auch stocksteif. Das schweigt. Und unser Rentner hat Sätze gelernt. Sätze von früher: Man hatte eine gesunde Einstellung, findet der Laubenpiper und nuschelt Berlinisch: Jeder hatte Arbeit, es gab keine Arbeitslosigkeit (Umkehrschluss ist was?) und wer mitheulte, hatte ein schönes Leben. Nein, er war unpolitisch. Ja. Straßenumfrage: Wozu ist Europa gut? Eine dicke Frau: Europa? Wozu das gut ist? Lange Pause - Keine Ahnung. Eine dicke Frau auf weißem Sofa sagt: Mir fehlt das wooken schoon (wahrscheinlich: walken). Isch muss die Bewegung haben. Meine Freundin und isch: wir werden uns gegenseitisch ankurbeln. Gute Nacht

Tütensuppe SPD

Die Kamera  wird mal wieder draufgehalten. Anlass: Die SPD auf der Suche nach Wählern. Interessantes Thema, zerrissene Splitterpartei. Wo ist das Wahlvolk? Ein paar Sozialdemokraten suchen nach jungen, manch andere nach alten Wählern. Rente in der Krise. Rentner in der Krise. Rente schützen, Rente nicht schützen, an die Jungen denken, an die Alten denken. Mal so, mal so. Einen Plan hat keiner. Steinbrück: Junge zahlen die Zeche. Scholz: Alte zahlen schon länger die Zeche, Steinmeier weiß nicht so recht und krempelt die Ärmel hoch. Dann versucht er so heiser zu sprechen wie Schröder damals. Das ist Programm. Traurig. Und dann wird mal wieder  die Kamera  draufgehalten. Das ist lustig. Meinungen sind gefragt in der Meinungsgesellschaft. Ob es um Unterwäsche geht oder Afghanistan-Einsatz. Aber zurück zur Rente: Ein Rentner in Berlin. Das kann ja nur schief gehen. Und es geht schief. Der sagt: Ich finde, alle sollten bluten, die Reichen, die Armen, wir sitzen doch alle in einem Boot. Ke

Kölner Lichter

Nachmittag:  'Kölner Lichter'  und es regnet. Das wäre traurig. Die Kölner Lichter dürfen nicht ins Wasser fallen. Sie sind die einzigen Lichter der Kultur, die im Augenblick zu sehen sein werden, würden. Von Profis gezündet und nicht etwa schon in der Planungsphase versenkt. À propos: Quander, geh nach Stuttgart, aber geh schnell. Und wenn sie Dich da auch nicht mehr wollen, geh trotzdem. Raus aus dem Kölner Sumpf , zurück zu den Kölner Lichtern. Ich finde es sinnvoller, wenn ein paar Zehntausend Euro in den Abendhimmel geblasen werden, als wenn Millionen in der Bürokratie versickern, oder immer auf den selben Misthaufen geworfen werden, oder als Kostenfaktor wachsen oder in dunklen Kanälen ganz verschwinden oder sich auf einem digitalen Konto in Nullen und Einsen auflösen. Lasst endlich ein Feuerwerk sehen, ein ganz reales, geplantes aber auch gemachtes, abgefeuertes, bezauberndes, gigantisches Feuerwerk vor den Spitzen des Domes in der Nacht am Kölner Himmel. Mit Filmm

Formel 1: Kein Kommentar

Formel 1 : Menschen, die aussehen wie vermummte, bunte Zigarettenschachteln ohne Warnhinweis, rasen mit ihren Autos so lange im Kreis herum bis sie den Verstand verlieren, oder tot bleiben - aber das ist schon lange her, oder hirntot sind, was ein Dauerzustand zu sein scheint. Insofern muss der Leiter einer solchen Renn-Veranstaltung eigentlich ein vegreister Idiot sein. Komisch, er ist einer. Bernie Eclestone  heißt er. Gerade hat er das letzte Gerangel überstanden: wegen ein paar Millionen wollten sich wichtige Spitzenmarken verabschieden und drohten einen eigenen Rennzirkus zu gründen - kaum ist das also vorbei, da ergibt sich schon die nächste Herausforderung. Er muss ein Interview geben. Auf die provokanten Fragen notorischer Querulanten und Demokraten (Journalistenpack eben), antwortet Eclestone unter anderem: Nein, Hitler hätte auch Gutes geleistet, er habe führen -  und Dinge erledigen können . Ja, wissen wir. Krieg, Massenmord. Ach, bitte nicht das schon wieder. Das muss

aufgelöst

Gelandet. Und verabschiedet. Ein letztes Foto. Viele Papiere, Eintrittskarten, Bücher, Blöcke, Fetzen, Blätter von Geschriebenem, Gezeichnetem sind aufgehoben. In Mappen ruhen Theaterplakate, die an bewegte Zeiten erinnern. Collagen, Comix, blutig-bunt, Bilder, düster-kratzig. Das anschwellende schwarz-weiß, hat es eine Zukunft? Werden solche Bilder woanders aufgehängt? Auf dem Markt werden sie nicht gehandelt werden. In den Müll gewandert sind unfreiwilliger- aber notwendigerweise: Kinderbücher, Mao Tse Tung, Stadt-Anzeiger, Kicker Spezial: Bundesliga 1993/94, Theaterprogramme, Presseerklärungen, Protokolle, Kritz-Kratz. Schön war die Zeit. Eins ist sicher: Die Zeichnung an der Wand, sie wird verloren gehen.

Le mépris

Ich kann Kanzler

Hallo, hier meldet sich nach einer kleinen Pause Euer Kulturpessimist. Ich kann nicht anders. Über Theater will ich gar nicht reden, aber über das Theater im Fernsehen. Das ZDF. Oh Gott, ich glaub es nicht. Normalerweise klatschen sich da doch nur die Omas den Stadl aus dem Hirn, aber jetzt kommt Jugend. Die muss sich wieder lächerlich machen, so will es die neue ZDF-Casting-Show. Tanzen, Jodeln goes classic, dünn sein, doof sein, gibt's alles schon. Aber Kanzler kaasten - das ist neu. Worum geht's? Wer bewirbt sich für den Ober-Job? Ich könnte mir vorstellen, genug Fähigkeiten mitzubringen, eine Kanzlerschaft ernsthaft in Erwägung zu ziehen. Ich möchte Kanzler werden. Ich will Kanzler sein, nein. Ich habe das Zeug Kanzler zu sein. Nein.  Ich kann Kanzler . So heißt der ganze Satz, die ganze Sendung. Nein, kein Zitat von einem der Sprachstumpf-Absonderer, oh nein. Ich kann Kanzler. Kommt von Quote. Alles Show. Ich kann Fernsehen, du Primat. Blabla - rüttel, rüttel, Wirtschaf

Kafkas Welten

Zwischentöne

Komisches Wort. Vor langer Zeit, lange vor 'Bad Bank', 'Abwrackprämie' und 'Regietheater', gab es Zwischentöne. Es gab noch keine Promis-lesen-zwischen-zwei-Gängen-Events, gelesen wurde in Zwischenräumen. Die Zuschauenden, Zuhörenden, wussten wo sie im Leben stehen, ihr da oben, wir da unten, sie wussten wo es hin gehen soll, links, rechts, hinten, vorne, sie wollten also auf der Bühne was sie sonst nicht hatten: Zwischentöne. Damals. Auch in der Musik gab es Zwischentöne und im Kabarett und im Fernsehen, bevor die Zeit der Download- und Comedy-Stopfleber begann. Vor zwanzig Jahren haben wir das 'Festival der Zwischentöne' für unser Theater und unser Publikum erfunden. Es gab gute Presse - aber zu wenig Publikum. Liebes Publikum, im Theater schicken wir Dich auf eine geheimnisvolle, ja, durchaus unsichere Reise, auch in der Krise! Die 'Muminfamilie' (entdeckt zum ersten Mal den Schnee), der 'Horla' (die unsichtbare Bedrohung steigt von

Bang

Blut am Ohr des Hasen. Im Netz rappen die Rapper mit Ballermann durch die Schule, saufen sich die Ballermänner am Ballermann die Birne weg, ballern sich die Fernsehhelden den Weg frei, ballern die Striker auf allen Levels Pixel in den Äther. Knallen sich Chatter ihre Wortstümpfe ins Vakuum. Ich hab alles satt. Ihr werdet noch von mir hören. Bang. Und dann heißt es "Fassungslosigkeit" und alle Kommentare fragen "Warum". Und aufgeregte Erzieherinnen mit Pferdeschwanz und runden Augen wollen nicht wegsehen und wollen De-Eskalation und Anti-Aggressions-Training. Und am Abend werden die Kanäle geöffnet und alle ballern aufs Neue die um die Wette. In den Kölner Trümmern ist noch ein Toter gefunden worden. Umfrage im Stadtanzeiger: Soll die U-Bahn weiter gebaut werden? Im Theater ist heute "Freitag, der 13."

schnell weiter

Zurück in Schwetzingen . Regen, Sonne, kühler Wind. Kaffee im Theater. Kekse. Eine schnelle, erfolgreiche Probe. Wir finden Figuren. Frische Frauen. Meldungen. Köln: Es dröhnt. Vor meiner Haustür ist die Baustelle wieder eröffnet. Der zweite Vermisste in der Severinstraße wird nicht gefunden. Die Hunde schlagen nicht an. Die KVB glaubt nicht an Schuld. Darüber hinaus: Opel hat schon wieder ein Konzept, die Regierung einen Rettungsplan, die Frisörin um die Ecke hat Visionen, das Nagelstudio eine 'Philosophie'. Ein Gigolo wird verurteilt, Barbie wird 50. Obama hat sich neue Feinde gemacht. Ich habe eine Zeichnung coloriert, das Fernsehen wünscht uns einen schönen Abend. Unser Theater in der wunden Südstadt beginnt morgen vor dem großen- ein kleines Literaturfestival. Namhafte Schauspielerinnen und Schauspieler lesen unser  Festival der Zwischentöne . Von Frauentexten bis zur Horrorgeschichte, hier schwankt der Boden. Und zwischen den Zeilen gibt es Musik.

Stille

Bin zurück in meiner Kölner Südstadt. Zum Wochenende. Seltsam. Man sieht die Leute gehen, stehen, sie sprechen gedämpft miteinander. Manche schauen durch die Bauzäune in die ruhenden Erdlöcher, wie verwundert. Die Geschäfte in der Severinstraße sind offen, die Leute gehen ruhig, vereinzelt. Es hat aufgehört zu regnen. An der Bahn beginnt die Sperrung. Niemand drängt sich heran. In der Ferne ist ein Bagger zu erkennen, der vorsichtig zugreift. Alle wissen, dort wird hart gearbeitet um zu retten, was noch zu retten ist. Die Leserbriefseiten der Zeitungen sind jetzt schon voller Zorn, aber hier in der Straße, um den Chlodwigplatz herum, ist es ruhiger als sonst, man grüßt sich genauer, wissend, in stillschweigender Verbundenheit. Ein Unglück ist geschehen. Ich bleibe stehen und schaue nach oben. Ich sehe alte Häuser und ihre Dächer vor grauem Himmel. Ich denke: Hier ist tatsächlich alles auf Sand gebaut. Vor meinem Haus steht ein Kran und die stillen Zäune um die zukünftige Haltestelle d

verschwinden

Bin seit Montag in Schwetzingen, fremd-inszenieren, bin verschwunden. Heimlich still und leise in ein anderes Theater, in andere Straßen, ich höre einen anderen Singsang, eine andere Sprache. Ich atme auf und empfinde gleichzeitig die leise Wehmut über fehlendes Kölsch (obwohl ich sicher irgendwo eins finden werde wie jeder Kölner in der Fremde). Kein Dom, kein Jeck öm de Eck. Letzte Woche war noch Karneval, rund um die Baustellen ein bunter Zug, an den Seiten der Severinsstraße eine singende, rufende Menge. Jetzt, im verregneten Schwetzigen: andere Luft, ein Schloss, ein großer Park. Statt ins 'Filos' 'Zum grünen Baum'. Andere Kollegen in gespannter Erwartung, alte Bekannte. Nur der Regen fällt überall. Ich habe die Sondermeldungen gesehen. Kaum bin ich fort, verschwindet ein ganzes Haus aus der Severinstraße. Es sackt weg, reißt ab, Hohlräume ziehen alles in die Tiefe, in den Sand. Arbeiter haben die Risse und das Grollen bemerkt und fast alle Menschen aus den Häuse

Echo

Die Verleihung des Echo in Berlin. Hallo Berlin! Jubel! Krankameras schwenken und zoomen in die Menge, aus der Menge, in die Menge, die ist doch nicht echt, oder? Alles zoomt und jubelt. Pocher labert, Silbereisen, der 'Volks'musikant öffnet einen Umschlag und - hallo Berlin - hat wieder ein geklonter Idiot die Trophäe in der Hand. Sascha singt, zoom, leuchtende Aura aus der Werkstatt der Computeranimation, zoom, Jubel! Hallo Berlin! Ein künstlicher Ministerpräsident zieht die Lederjacke an, Udo ist auch da, Pocher redet von den deutschen Charts, vom klassischen Markt, ja, Pop goes Classic. Tenöre knödeln Schlager, Paul Potts kriegt den Echo, der ist wenigstens echt und hat eine schöne Frau, die nicht aussieht wie next Kotz-Model Marke Klump. "Virtuoses Geigenspiel gepaart mit blendendem Aussehen" sagt der Moderator, und wir sehen den 'wilden' Blondschopf David Garrett oder so ähnlich, den Popstar mit Mikroport, Geigensimulation und Schlagzeug-Knalleffekten

abwracken

Die Kulturkrise erfordert neue Regeln. Die Stadt Köln zahlt Prämien und Zuschüsse an die Theater, die alle alten, überholten Formen verschrotten, wie Schauspielerei, Sprache, Emotion, Rollenspiel, um nur einige zu nennen. Die Theater bekommen eine Prämie, die sich ausschließlich den neuen Formen widmen, Matsch, Mischpulte, Halbnackte, Blut, Video-Projektionen, Bedeutungstanz und Performance, um nur einige zu nennen. Spitzenzuschüsse gehen darüber hinaus an die Theater, die klassische Stücke auf der Bühne in Holzschnitte verwandeln können oder dem Publikum eine Einschlafhilfe bieten. Ein einfaches 'Gut gemeint' ist ebenso Ausweis genug, nicht zu vergessen die städtischen Sonderprämien für Migration und Jugend oder herumwandernde Kinder, oder so. Dann: Gute Nacht

Zinnober

Roter Planet Gestern haben drei Herren ein Universum bereist, in dem sie sich lange nicht aufgehalten hatten. Ziel: Zinnober. Der rote Planet. Menschen sind mitgeflogen. Kurs:  0:10, Vorbei  an der Dame in Rot ,  Drunter und Drüber  mit dem  Kind im Manne  -  zwischen Kugel und rund durch den  Schnee von gestern . Im Alten Pfandhaus wurde ein ausverkaufter Saal in den Kosmos geschickt.  Zuckerlos schwarz . Ein Konzert, das unaufhaltsam wurde. Und schön für die drei Astronauten, die in eine funkelnde Stille blicken durften. Wir kamen davon und zu uns. Das Vibraphon vibrierte, die Gitarre verzupfte die Zeit, Durch die Kälte wurde gesungen bis der rote Planet glühte. Eine gute Konstellation mit dem Publikum. Ein schöner Abend. Danke. Wir denken wir machen das nochmal und melden uns dann wieder. Clemens Dreyer, Albrecht Zummach, Joe Knipp Zinnober forever .

Auto Kultur

Atom, Auto, Pharma.  Immer weiter. Exportweltmeister. Es ging immer weiter. Ein paar Windkrafträder, zugegeben, gab es auch, wir hatten ja rotgrün. Aber keine Panik. Es ging weiter. Holzmann, Gazprom, Opel. Milliardenpakete, in denen nichts drin war. Überweisungen, die ins Leere gingen. Die Finanzkrise  ist dann ausgebrochen wie eine Naturkatastrophe. Seitdem heißt es, wir brauchen mehr Kontrolle. Und Milliardenbürgschaften. Aber: Keine Panik, die Wirtschaft wirtschaftet weiter. Die Wirtschaftskrise  ist dann ausgebrochen wie eine Naturkatastrophe. Seitdem heißt es, wir müssen steuern. Der Staat muss helfen, Milliarden für die Autoindustrie, Hilfe für die Anschaffung von Neuwagen. Aber: Keine Panik, wird schon wieder. Geht schon weiter. Die Rezession  ist dann ausgebrochen wie eine Naturkatastrophe. Aber: Keine Panik. Der Arbeitslose muss sich nur einen Neuwagen kaufen. Dann kann er 2500 € sparen. Und er muss weniger zahlen für Steuern. Aber mehr für Strom, Gas, Abfall. Für das, wa

neues Jahr

Da ist es ja schon, das neue Jahr! Etwas gewachsen und schon erkaltet. Klimawandel, sagt es und lächelt. Weltfrieden? Ein kurzes Lachen und es schlägt den Nahen Osten blutig. Wir sind noch lange nicht am Ende. In der Zwischenzeit: Geht ins Theater. Oder zu  ZINNOBER . Liebeslieder ohne Wunderkerzen.