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Avignon


"Jungen zeitgenössischer Zugang", vermisst die Chefin unserer Theaterzeitung 'akt'. Hat sie mir das gesagt um zu erklären warum ich sie oder ihre Redakteure noch nie in meinem Theater gesehen habe? Nein, ich sehe sie auf 'arte' im sommerlichen Avignon sitzen, wo über Theater gesprochen wird, wo auf den Straßen von Clowns lustige Flugzettel verteilt werden und auf den großen Bühnen das große, verstörende Multi-Media-Spektakel stattfindet. Und an Bistro-Tischen wird geredet, es wird über alles geredet. Darüber, nicht vor 'großen Texten' in die Knie zu gehen, Türen aufzustoßen, zu experimentieren. Auch dieses Festival geht nicht ohne „Slowmotion-Rituale“ (Zadek), bedeutungsschwangeres Hundegebell, Fassadenkletterei, aus Fenstern stürzende, aufschlagende Fernsehgeräte, Schauspieler, die aufstehen, hinfallen, aufstehen, hinfallen - und natürlich Video-Projektionen auf allen Wänden und Leinwänden. Alles wie immer, alles in der Hand von ‚Experimentierern’, Koproduzenten und Schwätzern. Mit Ausnahmen. Toll gespielt aber zu sehr ‚Boulevard’ findet unsere Kritikerin mit einem mokanten Zug um den Mund. Dagegen: Das Publikum blieb aus aber die Kritik fand es toll, also diejenigen, die immer reden müssen, über Konzepte, die fanden es toll. Das ist der erwünschte, herbeigesehnte Zustand.
Ich habe Frau Marcus auf einer Versammlung erlebt, wo sie ihr 'Konzept' vorstellte für die Theaterzeitung in Köln. Konzept ist das Zauberwort. Alles Leben wird von Konzepten erstickt. Ich habe es geahnt, als sie von ihren ersten Erfahrungen mit dem Theater erzählte. Freie Theatergruppe, experimentell natürlich - und man hat zusammen gesessen und nächtelang geredet.

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Die Gartenschau...

ist auch nicht mehr unschuldig. Das Thema Kostüm ist ein schwieriges geworden, sagt eine Moderatorin im WDR. Der Inhaber eines Kostümverleihs in Köln erzählt von der besonderen Vorsicht vor allem der jungen Leute. Kein Scheich, kein Indianer… Vor zwei Jahren hat man sich zu Karneval noch ein Betttuch übergeworfen, heute haben die jungen Leute Angst damit einen Scheich zu beleidigen. Um die Ecke meines Theaters gab es „Altentheater“. Viele ältere Menschen hatten dort Spaß am Spiel. Auch eine Tanzgruppe von Seniorinnen der AWO hatte sich anlässlich der Bundesgartenschau 23 ein besonderes Programm einfallen lassen: „Weltreise“. Mit phantastischen, zum großen Teil selbstgenähten Kostümen sollte diese Reise um die Welt auf die Bühne kommen. Doch dann knallte es: „Wir sollen die spanischen Flamenco-Kostüme, den orientalischen Tanz, den mexikanischen Tanz mit Sombreros und Ponchos, den japanischen Tanz mit Kimonos, den indischen mit Saris und den ägyptischen Tanz, in dem wir als Pharaoninnen

Neusprech und Krieg

 Der gestrige Tag war ein in fürchterlicher Tag. Putins Überfall auf die Ukraine hat mich erschüttert. Dass es tatsächlich soweit kommen würde, habe ich noch zuletzt nicht für möglich gehalten. „Nie wieder Krieg“ - es war eine Illusion. Gestern morgen dachte ich noch, dass jeder, gerade in unserem Land, den Krieg ohne wenn und aber verurteilt. Aber dann: es gibt schon wieder zu viel „aber“. User:innen lamentieren auf den „sozialen Netzwerken“ über Putins „Befindlichkeit“. Nicht gesehen, nicht gehört, seit Jahren diskriminiert - also muss er sich wehren und die Ukraine „entnazifizieren“. Die Wahrheit wird einmal mehr auf den Kopf gestellt - Lüge wird zur Wahrheit umgeschrieben. Schon beschämende Auftritte von Frau Wagenknecht und Frau Krone-Schmalz in Talkshows führten zu Kopfschütteln. Sie gebärdeten sich, als wären sie Putins Pressesprecherinnen. Was ist los in diesem Land? Ein gemeinsamer Boden für Kommunikation, gemeinsame Begriffe, die sich auf Fakten stützen, sind auch der Boden f

Unterwerfung

Entschuldigung. Ich weiß. Sie denken jetzt: Bitte nicht schon wieder. Aber, Ehrenwort, ich kann nichts dafür. Fast täglich werden wir konfrontiert mit neuen Vorfällen im Kampf der Identitären gegen Kunst, Satire, Bühne, mit einem Kampf gegen jede Kultur, die nicht „sauber“ ist. Und ich - ich muss darüber schreiben, denn das ist mein Metier. Sauber? Ich arbeite seit vierzig Jahren für die Bühne. Ich erinnere mich gerne an die gute alte Zeit, als sich alle noch bemühten auf Teufel komm heraus nicht sauber zu sein. Da spielten in der Arbeit an meinem Theater die Kunst, die Widerhaken in der Kunst und Schauspiel die wichtigste Rolle. Und selbstverständlich spielte Diskriminierung, etwa aus Gründen des Alters, der Hautfarbe, der Herkunft oder des Geschlechtes keine Rolle. Es war selbstverständlich, dass das keine Rolle spielte. Neuerdings werden wir ständig darauf hingewiesen, dass das eine Rolle spielen muss. Wir waren doch auf einem guten Weg, wir mussten nicht darüber reden, denn selbstv