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Es werden Posts vom 2008 angezeigt.

Schöner Tag

Einpacken, auspacken. Die Kinder laufen herum, reden und freuen sich. Der Familienhund seufzt und schläft. Der Großvater schenkt Sekt ein und lächelt, die Großmutter will in der Küche in Ruhe arbeiten und serviert Kartoffeln, Sauce, Fleisch, es schmeckt. Pause. Der Vater liest, die Tochter liegt, der Hund schläft. Der Großvater macht Tee und lächelt. Alle trinken Tee nur einer trinkt Kaffee, der ist noch neu. Kuchen und reden. Der Hund wedelt mit dem Schwanz. Aufbruch. Ein schöner Tag ohne Probe, ohne Termine, ohne Fernsehen mit einer Familie, die zusammen ist.

Die Bibel

Zu Weihnachten  laufen im Fernsehen  die Filme die immer laufen  und die Filme, die dem mit Gans, Schwein, Kuchen und Alkohol vollgestopften Zeitgenossen noch zusätzlichen Schweiß auf die Stirn treiben. Pferde, lachende Räuber, singende Kostüme, sinkende Riesenschiffe mit Frauenchor, Geigen, Bläser, das volle Lärmprogramm von Schüssen bis Explosionen und schließlich die Blicke und Blicke und das Ringetauschen und die Tränen und die Intrigen vor wilden Meeren und Landhäusern im Grünen. Nichts zu machen. Der Gipfel aber zu später Stunde auf RTL. Wo sonst.  Die Bibel , weniger geht nicht. Und die ganze Bibel rollt nicht mit Zwanzigtausend Komparsen und einem Sandalenträger auf uns zu, das ginge ja noch, sondern in Gestalt von Ben Becker. Ben Becker , der Durchgeknallte, liest mit zitternder, von Rauch und Alkohol verwöhnter, bedeutungsschwangerer Stimme, mit Schweiß auf der Stirn, unter Videospielereien und begleitet von einem riesigen, bedeutungsschwangeren Orchester mit Geigen, Bläse

glauben und wissen

Am Abend vor den Fernseher sinken. Gleich werfe ich mit Mandarinen. Thema Wunderheiler. Heute Morgen wiederholt. Gaanz ruhig, ich nehme ein Placebo, zünde eine Kerze an und schaue zu. Ein Versuch ist zu sehen: Ein Mann steckt einer Blondine so genannte Ohrenkerzen in die Ohren. Der Mann trägt auf seinem Shirt Reebock, Geißbock, taxofit. Die Blondine trägt nur eine Bluse und ist ganz auf Empfindung ausgerichtet. Der Mann zündet die Ohrenkerzen in der Blondine an und die richtet ihren Oberkörper auf und meint es fühle sich an, als ginge ein Luftzug durch ihren Kopf. Oh ja. Eine witzelt: Wenn die Ärzte streiken, wird weniger gestorben. Vielleicht kann diese Selbst-Hypnose, dieses Glauben tatsächlich Selbstheilung in Gang setzen. In der Runde sitzt auch ein Wissenschaftler, der auf gar keinen Fall an Handauflegen glauben will, es gehe um Wissen und Wissenschaft. Jawoll! Aber natürlich glaubt er an die Wunder Jesu. Das sei etwas anderes. Moment mal... Dann sagt einer aus der Runde zum

Entschuldigung

Der Regisseur entschuldigt sich in einem Interview, dass sein Film nicht experimentell sei. Er habe sich einfach bemüht, so nah wie möglich an der Vorlage zu bleiben. Müssen sich heute schon diejenigen entschuldigen, die das Selbstverständliche tun? Auch im Theater herrscht schon lange die theaterblutige Diktatur der 'Experimentierer'. Wie immer - diese Herrschaft wird von Einfältigen und Zwergen ausgeübt und von ihren medialen Erfüllungsgehilfen. Und wir müssen uns entschuldigen, wenn wir einfach versuchen Theater spielen. Theater ist immer ein Versuch, immer ein Experiment , das ist das Wesen des Theaterspielens. Wie war das mit dem weißen Schimmel? Ein 'Experimentierer' versteht das nicht. Der versteht auch kein Stück. Das muss erst zerlegt und mit Eigentexten angereichert werden. Für die 'Experimentierer' ist das Experiment Selbstzweck, Selbstbefriedigung. Ein bisschen Video, ein bisschen Blut, Schleim, Farbe, ausziehen, schreien, kriechen - fertig ist da

Spuren

Himmel aus Blei. Kopf nicht gerade aufgeräumt. Aber immer noch ein Nachklang von unserem Fest und der wunderbar geschriebenen Kritik zu " Kafkas Welten ". Menschen hinterlassen Spuren, Erinnerungen. Theater hinterlässt Spuren. Gestern Abend hat eine sehr netten Theatergruppe in einer Schulaula einige Szenen des "eingebildeten Kranken" auf französisch versucht. Mit Freude beim Spiel, manchmal schüchtern, manchmal unbändig. Und nach ein paar Handgriffen stehn und gehen die Schülerinnen und Schüler anders auf der Bühne. Schön zu sehen.

Das Fest

Das letzte Fest lag schon 10 Jahre zurück und dann gab es am Sonntag - nach der umjubelten, „ fulminanten Uraufführung “ von  Kafkas Welten  - noch einen großen Tag. Zugegeben, schon lange nicht mehr gab es einen solchen Augenblick des Durchatmens und der Freude. Einen Moment zurücklehnen und betrachten, was geleistet worden ist. Und sehen, dass wir gesehen worden sind, unsere Künstler, unsere Stücke, unser Haus. Eine große Anzahl geladener und Überraschungs-Gäste feierte mit uns. Durch das Programm der Matinée führte Patricia Wolf, die mit Charme und Eleganz die verschiedenen Seiten der Geschichte des Theaters aufblätterte. Es wurde gesungen und gespielt. Zuerst gab es  ZINNOBER.  Das Trio präsentierte nach langer Pause mit der „Poesie der leisen Töne“ den Auftakt zu einem Reigen kleiner Szenen aus einer Geschichte des Spiels, der Sprache und des Vergnügens. Einer Geschichte besonderer und viel beachteter Inszenierungen von „ Das Fest “ über „ Wer hat Angst vor Virginia Woolf? “

Doch

Heute Kafka im Theater. Uraufführung von  Kafkas Welten ! Uns schon wird's absurd. Der WDR macht keinen Tipp mit der Begründung, Kafka sei zu schwer, es gebe nur Tipps für das breite Publikum. Herr Reich-Ranicki, wie war das noch? Und eine Jury ruft an und sagt, das sei doch sicher kein Theaterstück. Oder? Tja, tut mir ja leid. Es  ist  ein Theaterstück, es gibt viel zu sehen, es  ist  witzig, es gibt viel zu lachen, vielleicht etwas zu fürchten? Der Text ist tatsächlich von Kafka, Wort für Wort, ohne Bush-Rede, aber mit Überraschungen. Es wird gespielt. Ein Zuschauer braucht seine fünf Sinne und sollte Vorurteile, Schubladen und die allgemeine germanistische Interpretationssucht an der Gardrobe abgeben. Ist Ihnen das klar? Na, dann viel Vergnügen.

Bambi

Lange nichts geschrieben. Mitten in Proben. Kopf ist voll mit den Welten des Franz Kafka. Bald Premiere. Gewaltphantasien. Was verpasst? Große Kultur. Blöder Bambi. So heruntergekommen, dass Agenturen nur noch bitten müssen - Piepsblondchen macht neue Platte, cooler Junge neuen Film - und schon bekommt jeder ein Reh nachgeworfen. Britney ("Oops!"), macht neue Platte, Keanu Reeves, Schauspieler der Superzeitlupe, neuen Film ("Its not an Oscar, it's a Bambi"), Meg Ryan auch neuen Film... Dann fehlen nur noch unsere Laudatoren, die sich vor den "internationalen Stars" in den Staub werfen, oder Superstars wie Stefan Raab, der wie immer labert und witzig sein will und den keiner versteht: "Danke Mama, danke Uschi Glas", Uschi Glas schüttelt den Kopf. Ich auch, über beide. Baumarkt-Krüger ist auch da und Franjo und Verona. Gewaltphantasien. Gleich ins Theater. Die letzte Zuflucht. Tschö

Fernsehcrash Nachschlag

Die Diskussion über 'Blödsinn' und 'Schwachsinn' im Fernsehen, über Unterhaltung, die mehr sein sollte als Herrenwitze und Lachen vom Band, diese Diskussion hat überhaupt einen interessanten Nebeneffekt. Ich kann kaum mehr Blödsinn unbefangen ansehen, ohne 'Blödsinn' zu denken. Ich sehe die komischen Menschen, die in jeder Talkshow sitzen um Werbung für ihre komischen Bücher und ihre komischen Programme und ihre komischen Sendungen zu machen, und ich sehe die komischen Gesichter und denke: Ja. Reich-Ranicky hat Recht. Deformationen. Nichts kann gesendet oder gesagt werden, ohne dass Komiker nicht Mund und Augen aufreißen - und noch einen 'draufsetzen' müssen. Zwangsneurotiker. Nach dem Fußball, nach der Show, im Talk. Kein Wort über Mario Barth, nicht noch eins über Atze Schröder, aber eins über Ralf Schmitz (RTL), der aus gegebenem Anlass in einem Talk von der Fernsehpreisverleihung erzählt. Und er macht ein komisches Gesicht und erzählt dass, während

Fernsehcrash

Viele haben das Fernsehen schon kritisiert, "aber nach hause gegangen bist nur Du" sagt Gottschalk, der Marcel Reich-Ranicky "aus gegebenem Anlass" im Fernsehen befragt, der wiederum nichts bedauert, zu später Stunde und nichts zurücknimmt, nachdem er den "Fernsehpreis" für sein "Lebenswerk" oder das "Literarische Quartett" - oder was auch immer - zurück gewiesen hat, weil er sich im Rahmen einer furchtbaren Veranstaltung (in Köln, wo sonst), im Rahmen von soviel 'Blödsinn' nicht zu hause fühlte. Das, was er zu sehen bekam, fand er "scheußlich, abscheulich". Köche auf der Bühne, Atze Schröder, Peinlichkeiten und dümmliche Reden. Eben so furchtbar wie immer. Viele denken so wie RR, aber nur er ist gegangen. Die anderen blieben, auch die intelligenten Leute. Was ist passiert? "Ja", antwortet RR, "man sagt irgendeine Banalität, die eigentlich jeder sagen könnte, aber niemand beweist den Mut oder die Lust,

Finanzcrash

Hypo, Supi Dupi! Real Estate, ja, das real existierende Geld ist wie der real existierende Sozialismus nicht vorhanden. Prima Klima für uns Manager. Wir haben nichts gewusst. Aber wir werden gestützt. Wir sind so satt dass uns schlecht wird, gebt uns Medizin. Ihr seid so doof, da helfen keine Pillen. Euch kann man das Fell mehrmals über die Ohren ziehen. Viel Spaß mit Hartz IV! Wir haben unsere Nutten, Schmiergelder, gekaufte Politiker, alles was wir brauchen. Werbesendung für die Börse. Geld futsch? Selber Schuld. Her mit der Abfindung. Holla, bloß keine Vorurteile, Kapitalismuskritik ist nicht mehr. Wir haben gewonnen. Der Finanzmarkt kracht in sich zusammen und die eine Frage taucht auf: Warum? In regelmäßigen Abständen. Experten haben das schon vor Jahren beantwortet und analysiert, beschrieben und prognostiziert, Marxisten vor Jahrzehnten erklärt. Es passiert trotzdem immer wieder. Aber keine Sorge, unsere Politiker haben jetzt die Lösung: Wir brauchen Regeln. "Wir brauche

arte

Die wichtigsten Dramatiker auf arte. Eine Serie über die großen Theatermacher. Schön. Schön? Wir ahnen es schon. Es wird wie immer. Fernsehen. Simpel. Aktualisiert. Dumm. Wir sehen in billigen Doku-Szenen billige Schauspieler, einer spielt den Shakespeare als Immobilien-Schnösel im Anzug mit Aktenköfferchen. So also gründete er das 'Globe'. Wir sehen Molière in Sandalen wie er Grimassen schneidet. Wir sehen Mädchen, die glockenhell lachen und in wallenden Gewändern mit ihm in einem alten VW-Bus durch die Lande gondeln, aha, fahrendes Volk, arme Künstler, aha, freie Liebe. Ja, das Publikum ist wirklich so dumm. Ich hatte mich auch auf den ZDF-Theaterkanal gefreut, seinerzeit. Und heute? Was wird gesendet? 'Erkennen Sie die Melodie?', 'Disco 72' mit dem unerträglichen Ilia Richter, André Rieu und sein durchgeknalltes Puffärmelorchester... Theater? Das gibt es ja noch nicht einmal mehr auf der Bühne, oder? Gute Nacht

Nach vorne schauen!

"Wir müssen jetzt nach vorne sehen". Sagt jeder in der SPD. Jetzt geht das dämliche Fußballtrainergelaber wieder los. Immer wenn das Spiel verloren, das Kinde in den Brunnen gefallen ist, der Vorsitzende durch den Hinterausgang flüchtet, immer wenn die Panzer schon im Lande stehen, die Menschen verjagt sind, tritt irgend ein Idiot vor die Kamera und sagt: "Wir müssen jetzt nach vorne schauen". Weil vorher nichts getan wurde, weil alle schwiegen und nach vorne in die Kamera schauten, weil alles laufen gelassen wurde, weil die Intriganten ihre Fallen ungestört auslegen durften. Leise treten, das Unglück nicht beschreien. Und dann sagen: "Nur nicht nachtreten, unterhaken." Keine Haltung, keine Verbundenheit, bloß keinen Konflikt offen austragen, das schadet, darum steht man jetzt vor einem Scherbenhaufen und schaut nach vorne. Jetzt heißt es loyal sein gegenüber dem Polit-Barometer, der Einschaltquote, den Umfragen, den Gesichtslosen, den Mächtigen, gegenübe

USA: Republikanischer Parteitag

Diese Vizekandidatin in Amerika beim Parteitag der Elefanten - na, Sie wissen schon - die hat einen Knall. Nein, nicht wegen ihrer Tochter, die minderjährig schwanger ist - Doppelmoral war schon immer die herausragendste Eigenschaft aller Reaktionäre - na, Sie wissen schon - nein, auch nicht weil sie für den Krieg im Irak ist, das war Bush auch, der wie im freien Theater, als Video auf die Bühne kam - na, Sie wissen schon - nein, sie hält diesen Krieg für Gottgewollt. Na, Sie wissen schon! Und da ist sie nicht die erste. Kreuzzug, heiliger Krieg, wie auch immer. Heilige Einfalt. Na, Sie wissen schon.

Ich werde es vergessen

Scholl-Latour nuschelt sich durch die Talk-Shows. Das heißt: In der Welt ist nicht alles zum Besten bestellt. Obama spricht im Stadion. Der FC spielt im Stadion. Alles 1:1. Russische Panzer rollen in fremden Ländern, Hilferufe kommen auf Befehl, die Armee zieht ab, verschwindet aber nicht, die Banken ziehen ab, das Geld aber versickert in schwarzen Kanälen, Protestanten werden ausgewiesen, Aktienpakete gehen auf Reisen, Daten kursieren. Bei uns im Theater hat es angefangen. Zum zweiundzwanzigsten Mal. Zu Beginn keine gedopte Premiere, sondern eine gute, alte Komödie mit echten Schauspielern und echtem Spaß und einem beglückten Publikum. Ohne falsche Bescheidenheit: Es war eine glänzende Spielzeiteröfnung. Gong!

Lifestyle

In Köln gibt es ein Hochglanzmagazin namens 'City-Magazin'. Der Chefredakteur, Herr Gross, schreibt ein Editorial. Die Zwischenüberschriften:  Latin Lover mit Knack-Po. Ausschnitt: "Wichtig ist für Agrippinas Töchter, dass ihr Lover einen knackigen Po hat, auf die Größe seines 'besten Stücks' schielen sie zunächst mal weniger..." Das hat eine Untersuchung ergeben. Die Frage ist, braucht es eine Untersuchung, um zu wissen, ob der 'Chefredakteur' Tatoos, oder Sonnenbrille und Goldkettchen trägt, oder ist es einfach eins der Computerprogramme für das kleinste gemeinsame Dummschwätzen mit permanentem Augenzwinkern und Po-Zwicken? Weiter gehts:  Ist Claudia der Anti-Typ?  Keine Frage: Boutique, blond, Oberweite, Sonnenbrille, City-Lage. Also: "Bei allen In-Treffs ist Claudia wie 4711 - immer dabei." Gemeint ist die Ex-Nervensäge von Howie Carpendale. Und hier die letzte Zwischenüberschrift:  Shop till you drop.  Es folgen Begriffe wie 'Fashi

Casting

Als das kleine, süße, chinesische Mädchen bei der Eröffnungsfeier der Olympiade in Beijing vor einem Milliardenpublikum das süße Mäulchen so besonders weit aufriss, während dieses Lied über das Vaterland aus ihr hervorquoll, so hell und honigfarben, als sie sang, mit den fest an den Leib gepressten Ärmchen, mit dem herzförmigen Gesicht, mit dem schwingenden, schwarzen Zopf, da dachte ich für einen Moment, da stimmt doch etwas nicht. Und dann dachte ich: jetzt siehst du schon Gespenster. Es ist nur ein Kind, das schön singt. Anders als in den deutschen Fernsehshows mit Michael Schanze - wir erinnern uns - die Vorführung der von ihren Spießereltern geschickten kleinen Wesen, der ungeschickt quäkenden, stammelnden, gequälten Kinder, das ist lange her, auch die Mini-Playback-Show bei RTL, die Animationsshow für den nächsten Thailand-Besuch, die Show mit den geschminkten Kindern im Minirock, auch sie ist lange abgesetzt. Saubere Spiele und ein sauberes, kleines, süßes, singendes Kind in Chi

Telenovelas

Ich kann mich noch an Berichte erinnern, vor vielen Jahren, die amüsiert und entsetzt über ein Phänomen aus Brasilien berichteten. Dort, weit weit weg, saßen Hausfrauen auf Sofas und schauten Tag für Tag abgefilmte Fotoromane, die gute Blonde, der schnöselige Schönling aus gutem Hause, die böse Schwiegermutter und so weiter. Die Berichte rechneten dieses Billigfernsehen zu den Kuriositäten der dritten Welt (die Armen brauchen Trost in der Armut), oder zum fortschreitenden Verfall der Mediengesellschaft. Hier jedenfalls, in der zivilisierten Welt, undenkbar. Gut, dass das öffentlich-rechtliche Fernsehen im Geiste von Qualitätsfernsehen in unseren Breiten standhaft geblieben ist. Hier. In Deutschland. In ARD und ZDF.

Profil? Nie wieder

Früher hieß die 12-Uhr-Sendung im Fernsehen noch Internationaler Frühschoppen mit sechs Journalisten aus fünf Ländern, man trank Wein, rauchte und debattierte über Gott und die Welt. Heutzutage heißt das Ganze 'Presseclub', alles ist kühl und sauber und es diskutieren fünf Journalisten aus einem Land über die SPD (siehe unten). Aber es geht nicht nur um die eine Partei. Einer sagt: es gibt keine Inhalte, eine andere: es wird gelogen, wieder eine andere: es gibt zu wenig Politiker mit Profil. - Zu wenige? Wie soll denn ein Mensch mit Profil, mit Haltung, mit einer lebendigen Sprache oder beweglichen Gesichtszügen jemals sauber und unverletzt durch die schlammigen Kanäle einer Partei schlüpfen, an den Spießen der Intriganten, an den Heckenschützen von Unfähigkeit und Dummheit vorbei? Niemals. Deshalb sieht die politische Klasse so aus wie sie aussieht, deshalb glaubt die Mehrheit der Deutschen nicht mehr an Demokratie, deshalb sind Menschen, die noch denken wollen, traurig und

Wie seht ihr aus?

Gestern und heute Ach du lieber Gott, heute ist ja dieses Glücksdatum. Also gut, es regnet. Georgien und Russland fangen Krieg an. Und, ach ja, die Olympiade ist eröffnet worden, als Massenspektakel, wie die neue Kulturrevolution, in Peking, bloß ohne Mao. Massen und Computersimulation. Wäre doch schön gewesen, wenn Mao als Fackelträger in wehendem Mantel durch die Lüfte geschwebt wäre, mit weitausladenden Zeitlupenschritten, und über dem Stadion die große Flamme entzündet hätte. Aber die Weicheier von der Kommunistischen Partei lassen lieber Kinder und weiß gewandete Mädchen singen. Brücken bauen Kein Weichei ist Clement (immer noch SPD), der sich für eine Pressekonferenz braun gebrannt im offenen Hemd vom Rad schwingt und sich kurz entschuldigt. Um dann, peng-klatsch, Ohrfeigen zu verteilen an die blöden SPD-Weiber in Hessen und NRW. Und in die Mikrophone bellt, keine Energiepolitik ohne Atom und ohne Kohle, sonst tausende von Arbeitsplätzen weg... na ja, die ganzen Phrasen aus d

Wochenrückblick

Hau ab! brüllt ein Fluggast am Schalter, mittlerweile wurde die Szene dreiundsechzig Mal im Fernsehen wiederholt. Und er brüllt weiter: "Ihr seid Gift, ihr seid Gift!" Endlich ist mal wieder was los, möchte man meinen. Aber, weit gefehlt. Er hätte lieber mitleidig lächeln und leise sagen sollen: "Ihr seid doof". Es ging um einen Streik des Personals gegen die Lufthansa. Wieder Gelegenheit für Gewerkschaftsbosse sehr sehr große Forderungen zu erheben, um dann mit einem winzig kleinen Kompromisschen in den Urlaub zu fliegen. Schließlich geht es um Medien-Präsenz und Macht für die ver.di Bosse, was sonst. Das arme Streik-Personal sieht in seinen beschrifteten Umhängerchen aus wie die Müllabfuhr an Karneval, und auch die ewig doofen Trillerpfeifen und Rasselchen dürfen mal wieder nicht fehlen. Klassenkampf sah früher mal anders aus. Verwunderte   Bewunderung  für den an sonsten so bewegungsunfähigen 1.FC Köln. Der Club hat einen neuen Geißbock, einen echten (Gott sei

Hoppla

Guantanamo ist nicht rechtens, sagt ein amerikanischer Gerichtshof. Hoppla, sagt Bush, dann ist das Gericht nicht richtig besetzt. Das irische Volk hat "nein" gesagt, nein zum europäischen Vertrag. Hoppla, also müssen die noch einmal wählen, sagt Sarkozy. Berlusconi soll von unabhängigen Gerichten in Italien wieder einmal angeklagt werden, wegen Bestechung und Korruption. Hoppla, sagt Berlusconi, dann wird das Parlament mir persönlich Immunität garantieren. Gesagt, getan. Der Preis für Rohöl sinkt. Hoppla, sagen die Konzerne, interressiert uns nicht. Ihr seid Ungeheuer, Bluthunde, aufgetaucht aus einem Sumpf an Korruption, sagt der Mann mit den gefesselten Händen. Hoppla, sagt der Mann in Stiefeln, zieht ihm einen schwarzen Sack über den Kopf und dreht den Wasserhahn auf. Das ist Folter, sagen Menschenrechtler, Wissenschaftler, Juristen. Hoppla, sagt Bush, das sehen wir anders und schließt die Tür.

Wir sind Kultur

Wir Kulturmenschen. Uns wird viel Kultur geboten. Wir essen Kulturen und Fetthemmer im Joghurt, Funktionsnahrungs-Kultur. Wir leisten uns Musical-Kultur im Ruhrgebiet inklusive Übernachtung, wir zelebrieren Wein-Kultur, Pasta- und Coffie-To-Go-Kultur, wir sitzen ganz oben im Oberrang, um Rock-Kultur zu feiern, wir sehen dann und wann ganz mutig und bodennah Tanztheater-Kultur in der Fabrikhalle, Werden-Sein-Vergehen, oder so, und viel Video, wir schauen fern und sehen welche Bilder im Auktionshaus Preisrekorde brechen. Wir lesen BALD. Papier ist geduldig. Auch die Zeit, das Feuilleton, das es in Köln nicht gibt. In den Kursen ist so viel Pessimismus. Viel Fälschung ist auf dem Markt. Zwischendurch essen wir auch mal Fast-Food, eine Bock-Wurst, sehen im Kino Bock-Buster, anschließend zum Ohrenarzt, mit den Kindern ins Fantasialand, anschließend zu McDonalds, Super-Size und Wireless-LAN-Flatrate-Kultur. Aber wir gehen auch ins freie Theater. Und wir zahlen auch dafür. Freiwillig. Wir sc

Wie immer

Irgendwelche Streikenden haben mal wieder eine Trillerpfeife im Mund und machen Lärm, im Irak explodiert ein Attentäter, Banken in Amerika müssen gestützt werden, bevor sie stürzen, im Sommerinterview wird um den heißen Brei geredet, die Stadt Köln prüft nicht, welche Theater in Zukunft gefördert werden, es bleibt alles bei den Alten, alles neu beim 1.FC Köln, in Bayreuth wird Wagner vom Regietheater plattgemacht, der dritte Doping-Fall bei der Tour de France, das Fernsehen steigt nicht aus, der U-Bahn-Bau wird teurer, Streit um Rathausplatz, Bürgerbeteiligung, CSD, das Benzin wird teurer. Heesters lebt, Raab lässt sich schlagen, noch mehr Wahrheit in der BILD-Zeitung, ein neuer Superstar, ein neues Supermodel, ein neuer Big Brother, mehr Kameras in den Straßen, mehr Tritte an den Kopf, die Köpfe der Jungs mit Body-Bildung werden kleiner, die Käppis auch, nach dem Genitiv verschwindet der Dativ, die Kulturpessimisten werden kulturpessimistischer, die Illustrierten schreiben hutzi-putz

Comedy im Stadion

"Teilweise verzweifelt"  überschreibt der Stadtanzeiger den Stadion-Auftritt von Mario Barth, wagt aber keinen Verriss. Nichts Neues, nichts Scharfes, platte Witze, Publikum, das sich selber feiert. Wissen wir. Der Größte war noch nie der Hampelmann, der ein Stadion füllt. Diese Geschichte ist wahrlich lang und trübe. Selbst Rock-Stars zeichnen sich im Stadion selten durch Musik aus, mehr durch Massenbewegung und schlechte Tonqualität und die Inszenierung einer Mega-Party, die aus Mitklatschen und Wunderkerzen besteht. Die ersten wirklich Großen, die das Abenteuer Stadion versuchten, waren die "Beatles" im Shea Stadium 1966. Und sie waren die letzten. Die Musik verlor sich im Lärm der Fans. Der Auftritt wurde zum Abschied von der Bühne. Das nenne ich Klarsicht. Danach wurde im Studio 'Sgt. Pepper' aufgenommen. Ein Kunstwerk. Von Bach zu Bohlen, von den Beatles zu Barth, vom Gipfel in den Sumpf. Ein Spiegel der absoluten Ebbe in kulturellen Dingen, es werde

Dummbarth ist noch dümmer als man denkt

Bei diesem neuen Talk-Show-Bürokraten im ZDF (Lanz) - der ist ja noch schlimmer als Kerner - war Mario Barth zu Gast. Ja, hab ich gesehen. Die Faszination des Grauens. Dieser Widerling ist ja noch widerlicher, als ich gedacht habe. Dummbeutel-Comedy für Stadion-Publikum wusste ich ja. Stammtisch-Witze, gestenreich, immer auf die 12, unrasiert, mit offenem Mund hört er die Fragen, die er nicht versteht, da kommen nur auswendig gelernte Schablonen aus seinem 'Programm', aus seiner 'balina Schnauze'. Dann werden ihm die Zitate seiner Kritiker aus dem Feuilleton vorgehalten, er spiegele nur die Einfalt der Leute, die über ihn lachen, oder so ähnlich. Da zieht er zum offenen Mund die Stirn in Falten und lallt etwas über die Schlaumeier da oben in den Villen und die einfachen Leute, die Bauarbeiter, die ihnen ihre Häuser bauen. Dummbarth, du bist ja so dumm, dass es spritzt. Hör mal zu: Du bist "die da oben", verstehst du das? Einfältig, dreist, von denen getragen,

EM Viertelfinale Deutschland - Portugal 3:2

Was für ein Spiel! Und dann lese ich in der "Zeit" einen schönen melancholischen Artikel von einer Portugiesin, der mit der Beschreibung eines deutschen Fans endet, der eine stille portugiesische Kneipe betritt und ruft: "Portugal, wir hören nichts!" Und die Kellnerin, die schweren Lider langsam hebend, so schreibt sie, antwortet: "Egal, ihr habt trotzdem gut gespielt." Feiner Schluss. Und dann bemerke ich, wir sind ja online, dass es Kommentare zu dem Artikel gibt. Heutzutage kommen ja zu den notorischen Leserbriefschreibern, Querulanten und Beschwerern nun auch noch die Blogger und Smilie-Dummbeutel dazu, die überall im Netz ihren Quark absondern und einfach ihren Senf nicht halten können, weil sich im Netz schon jede Fliege als Mittelpunkt der Online-Welt fühlen muss. Also: Diese Blogger sind erst einmal sauer über jeden nicht-deutschen Kommentar, wütend dass die Redaktion einen solchen Artikel überhaupt zulässt und so dumm, dass es zumindest virtuel

Fußball EM

ja, die Europameisterschaft hat begonnen. Mit einem Sieg und dann folgt noch einer. Irgendwas aber ist anders als vor zwei Jahren. Natürlich Fahnen und Fähnchen allüberall. Hupen für schwarzrotgold. Wildentschlossen sich feiern und freuen. Und ja nicht den Anschluss zum Sommermärchen verpassen. Aber sonst? Die Kneipen mäßig besetzt, wenn andere spielen. Wen interessiert das. Deutschland, Deutschland! Andere? Ja die Türken hupen auch. Die Griechen kommentieren das Ergebnis und die Chancen selbstironisch, die Italiener zucken mit den Schultern und versuchen zu erklären. Die Deutschen aber außer Rand und Band, ununterbrochen. Und im Fernsehen wird gelacht, geklatscht, analysiert und in die Kamera gegrinst. Musical-Bühne, großes Auge, tolles Experten-Trio, schreien und johlen in der Arena. Und danach? Alles muss heutzutage mit Comedy versetzt und versaut werden, selbst der Fußball. Da sitzen dann ein Büttenredner aus Köln-Porz, der Nippel-Durch-Die-Lasche-Mike-Baumarkt-Supernase-Krüger, d

Blattschuss

Der  Kulturrat  (Rat der Fördervereine) bemängelt, dass ein  Kulturentwicklungsplan  so lange dauert, weil er sich sinnloserweise um die freie Kultur kümmert, statt um die Hochkultur zwischen Oper und Museum. Neue Munition für die Eingreiftruppe. Blattschuss. Ein freies Theater weniger! Die Dom-Schutztruppe steht Hab-Acht! Sie kämpfen gegen Wildwuchs. Ruhe ist erste Bürgerpflicht. Sie lassen sich die Fackel nicht aus der Hand reißen. Nein. Ich schaue lieber fern und reg mich richtig auf. Diskussion über die Armut der Rentner, die umgedrehte Pyramide und eine geplante Rentenerhöhung von einem Prozent. Einer meint, die Rentner seien unverschämt, ein Rentner meint, die Erhöhung sei lächerlich nach 40 Jahren Arbeit und einem Leben lang einzahlen. Der Kölner Ex-CDU-Vorsitzende und Noch-Vorständler der  KVB Reinarz  (50), wird   nach fünf Jahren Pensionär und bekommt ab sofort einfach über die Hälfte seines Grundgehaltes von € 200.000.- . Ruhegehalt für die ersten Bürger: Pflicht. Blatt

Hilfe, die Gustloff kommt!

Nein, liebe Fernsehzuschauerin, es gibt kein Entkommen! In diesem Meer von bombastischer Krachmusik, brüllenden Tränen, martialischen Männerstimmen, Frauenkreischen und bedeutungsschwangeren O-Ton-Diskussionen werden wir ertrinken müssen. Dank unserem ZDF wird Rosamunde Pilcher in den Krieg zur See geschickt. Nach den vielen wahnsinnigen TV-Mehrteilern über den Führer, über das große Afrika und seine Liebesdramen unter Kolonialfamilien und Palmen, über Dresden und seine heißen Geschichten von Liebe und Leidenschaft zwischen Gutsbesitzertöchtern, Krankenschwestern und Kriegsgefangenen mit Migrationshintergrund - jetzt der nächste Untergang. Wie immer vor dem Hintergrund authentischer Geschichte, großer Geschichte. Der zweite Weltkrieg ist immer gut für die schönsten Liebesgeschichten. Und danach ist lange noch nicht Schluss. Zum großen TV-Zweiteiler im Zweiten gibt es dann noch die große TV-Dokumentation mit Guido Knopp und seinem 16:9 Historikergesicht, dem wichtigen. Korrekt. Wir

Lieblingsmenschen

eine Lesende. Schön. In Ruhe versunken. Ein Buch. Mitten im Lärm, dem beruhigenden, rhythmischen Lärm einer Bahn. Konzentriert. Maßlos. Erfreut. Sie studiert keinen Stadtplan, das ist zu sehen. Sie lernt nicht, sie schaut sich keine Bilder an. Sie liest. Ja, tatsächlich. Eine Liebesgeschichte? Die sieht dicker, zerlesener aus, und der Gesichtsausdruck wäre gespannter. Gespannt die Harmonie erlesen wollen, die es nicht geben wird, nach dem Aussteigen. Nein, sie blickt hinein. In die Sätze. Es ist das entspannte lesen eines Stoffes aus dem Gedanken sind. Ein Essay? Eine Erzählung, ein zart gewobenes Stück Sprache. Ja, mein Gott, liest die Dame etwa Gedichte? Vielleicht geht sie sogar noch ins Theater? Ja, wahrscheinlich. Ins Theater am Sachsenring. Ja. Würde sie ins Boulevard gehen, oder ins Musical, hätte sie den angestrengten Ausdruck der Vergnügungssucht. Nein, sie wird sich "Lieblingsmenschen"  ansehen. Jaja. Doch. Das wird sie. Genau.

Rosenmontag

Jeschenke för Kölle - uns Kulturkamelle Einmol Prinz zo sin... das kam ja sowieso nicht in Frage. Vielleicht würde es einmal ein Motto geben für den Karneval, das mit Kultur zu tun hat, habe ich gedacht, als ich noch nicht wusste, wie ernst das in Köln mit der Kultur genommen wird. Und dann mitgehen und winken und Kamelle werfen, für alle bunten kleinen und großen Jecken.. Tja, und dann kam die Session, besser gesagt, sie ist schon vorbei und das Thema kam tatsächlich vor. Das Domfenster und die Oper und das Domfenster und die Tradition und das Domfenster und die Oper und der Dom und der Rhein und das Domfenster und die Oper. Und hier oben sieht man den Rosenmontagszug an einer kölschen Kulturkamelle vorbeiziehen. Leev Lückscher - freut Euch einfach auf unsere Kulturkamelle, die wir noch heftig unters Volk bringen wollen. Alaaf!

Oh ja, das neue Jahr

Da ist es da, schneller als gedacht. Pferde Zuschauer, Liese Leserin, lila Leser, jetzt wird es aber Zeit für einen Kommentar. Einen ganz neuen und lustigen, wie die Anrede ja schon verspricht. Es ist doch auch so vieles so anders, so neu geworden. Außer Klimawandel. Und Joopi Heesters. Na ja und den grünen Landeiern und der staatstragenden SPD und einer CDU die wieder einmal mit simpelsten Hetzkampagnen für Stammtischbrüder Wahlen gewinnen will. Schläger sind Ausländer (mit Migrationshintergrund). Ich wusste noch gar nicht dass die Schlägerbanden mit den Bomberjacken, die Theaterleute krankenhausreif schlagen, weil sie Bücher lesen können, aus Ausländern bestehen. Das ist mir wirklich neu. Aber sonst, mal schauen. Ach ja, gerade in den Tagesthemen: Neapel quillt über von Müll, so sehr, dass das Volk dagegen auf die Straße geht und den Müll anzündet. Sarkozy hat den Italienern schon Hochdruckreinigungsgerät versprochen. Nein, Scherz beiseite, in Neapel hat die Mafia die Müllbeseitig