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glauben und wissen


Am Abend vor den Fernseher sinken. Gleich werfe ich mit Mandarinen. Thema Wunderheiler. Heute Morgen wiederholt. Gaanz ruhig, ich nehme ein Placebo, zünde eine Kerze an und schaue zu. Ein Versuch ist zu sehen: Ein Mann steckt einer Blondine so genannte Ohrenkerzen in die Ohren. Der Mann trägt auf seinem Shirt Reebock, Geißbock, taxofit. Die Blondine trägt nur eine Bluse und ist ganz auf Empfindung ausgerichtet. Der Mann zündet die Ohrenkerzen in der Blondine an und die richtet ihren Oberkörper auf und meint es fühle sich an, als ginge ein Luftzug durch ihren Kopf. Oh ja.

Eine witzelt: Wenn die Ärzte streiken, wird weniger gestorben. Vielleicht kann diese Selbst-Hypnose, dieses Glauben tatsächlich Selbstheilung in Gang setzen. In der Runde sitzt auch ein Wissenschaftler, der auf gar keinen Fall an Handauflegen glauben will, es gehe um Wissen und Wissenschaft. Jawoll! Aber natürlich glaubt er an die Wunder Jesu. Das sei etwas anderes. Moment mal...

Dann sagt einer aus der Runde zum Thema "Glauben und wissen", der Liebe seiner Frau könne er sich nie gewiss sein. Schön gesagt. Warum er das nicht wissen könne, spottet sein Nachbar, weil, sagt der erste, eine bestimmte Region seines Gehirns nicht mit dem Gift der Religion verseucht sei. Das sei doch ein Argument aus dem 19. Jahrhundert, giftet der Nachbar. Moment mal...

Ach, ich will nichts mehr wissen. Jetzt geh's loos! Weihnachtsbaum, Geschenke, Kaffee trinken, weiter gehen. Grüße versenden, ins Theater, Leute treffen, hinsetzen, quatschen, umarmen, sich freuen, aufpassen, zusehen, planen, besuchen, sich besuchen lassen, irgendwo hingehen und abends erschöpft vor den Fernseher sinken. Einen Film sehen. Der kleine Lord. Festtage eben.

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