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Es werden Posts vom 2011 angezeigt.

"Wir Kinder aus Theben" in der Schlosserei des Schauspiels Köln

Freitag, 23. Dezember 2011 War schön in der Schlosserei. Noch ist sie nicht abgerissen. Gute Erinnerungen habe ich an ausverkaufte Vorstellungen meiner Musikgruppe ZINNOBER Mitte der 80er Jahre des vergangenen Jahrhunderts, oder an das Gastspiel des Theaters am Sachsenring mit unserer Inszenierung von “Das Fest” 2005, ebenso ausverkauft und bewegt aufgenommen vom Publikum. Jetzt bin ich also wieder Gast im Zuschauerraum des ‘kleinen’ Hauses: “Die Phönizierinnen” in aktueller Inszenierung: “Wir Kinder aus Theben”. Warm, eng, Vorfreude. Ich kenne viele Premierengäste, situierte Bürgerinnen und Bürger, Journalisten, Förderer, Träger, Amtsleute, Lehrer. Küsschen, man wünscht sich frohe Festtage. Das Programmheft bereitet auf Körperflüssigkeiten und Schlachten vor. Das erste Bild: Die Wand im Vordergrund wird eingeschlagen, eingetreten, die Einzelteile zerschmettert. Es staubt. Kommt jetzt das Übliche? Nein. Der junge Regisseur Robert Borgmann (Dramaturgie: Sybille Meyer) findet einfa

Nackt und feucht

Ich gehe gerne ins Theater. Aber was heißt schon Theater heutzutage? Es ist mehr als Theater. Es ist Halle, Werkstatt, Studio, Fabrik, Raum... eine nackte Fläche. Auf der nackten Fläche sind Mikrophone zu sehen. Ach ja, Mikrophone. Kein Schauspieler ohne Mikrophon. Alles erinnert jetzt an ein Pop-Konzert. Die Grenze zwischen Zuschauerraum und Bühne ist gefallen. Die Ebenen überlappen sich. Theater ist Pop, Event. Eins ist allerdings im Theater noch anders: Mitklatschen und Wunderkerzen werden ersetzt durch: Flüssigkeiten. Schauspieler sind immer nass, feucht, stecken in kurzen Höschen, Unterhemden, Unterröcken, fallen hin, stehen auf – nackt und feucht. Und sie sind immer bei der Arbeit. Auf den großen Bühnen gibt es immer etwas zu laufen, zu springen, zu turnen, bis zur Verausgabung. Toll. Und schon sind alle verschwitzt, feucht, nass. Früher bewunderte der einfache Zuschauer, die simple Zuschauerin, wie ein Schauspieler, eine Schauspielerin sich so viel Text merken konnte, heute si

Gefühle

26. Mai 2011 Seit längerer Zeit kein Blog-Eintrag mehr. Warum schreibst du nicht mehr, fragt mich ein Freund, warum gerade jetzt nicht einfach die Gefühle schildern - nach der Wiedereröffnung des Theaters, fragte er mich weiter, nach einem Blick in den ‘Spiegel’ der neuen Internetseite des Theaters am Sachsenring. Letzter Eintrag Jelinek? Gefühle? Es ist so schwer für uns Männer, über Gefühle zu reden. Was soll ich da schreiben? Im Dezember 2009 musste ich mein Theater schließen. Finanzielle Probleme. Was hatte ich für Gefühle? Enttäuschung, Wut? Ich habe so viel über die unsäglichen Dummheiten von Politik und Verwaltung geschrieben, über das Zu-Tode-Sparen. Freunde rieten mir schon bald, es um Gottes Willen endlich ruhen zu lassen. Da ist etwas dran. Sich nicht verbeißen. Abstand gewinnen. Im März 2011 konnte ich das Theater wieder öffnen, mit englischsprachigen Gastspielen. Es bleibt schwierig, aber es macht wieder Spaß. Gefühle? Arbeit, Anstrengungen. Vorsprechen, erste Probe

Karin Beier bringt die Jelinek im Schauspielhaus zum Tanzen

Auch diesmal (wie schon bei den ‘Nibelungen’) habe ich eine der umjubelten Inszenierungen von Karin Beier erst mit zeitlichem Abstand sehen können. Fern vom Jubel oder der Theater-des-Jahres-Hysterie sehe ich neue und alte Textflächen der Jelinek - und - dieser Abend reißt mich wirklich hin. Fasziniert, in Bann gezogen bin ich. Dieser Abend bestätigt im besten Sinne den Satz: Theater ist Kontext. Vermutlich hat der Abstand den Abend noch schärfer gemacht. Noch deutlicher werden uns Zusammenhänge zwischen Staudamm-Bau, U-Bahn-Bau, Wasser, Beton, Atomkraftwerk, Tsunami, Tod und Schuld. Das Wasser. Es soll bleiben wo es ist. Das Wasser kommt. Ein Thema in Variationen. Die Assoziationsketten zwischen den Satzketten der Jelinek lösen durch das Spiel Worte, Bilder, Emotionen aus, Überlegungen, Verstrebungen, die immer wieder mit Wasser, mit Gewalt, Natur, Mensch, Beherrschbarkeit, Überwältigung oder Tod zu tun haben. Dieser Abend reizt die Sinne und das Hirn. Er bietet das, was Theater aus

Grün, grün, grün

Wahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz. Zeitenwende, historischer Tag, Sensation! Leute! Habt ihr die letzten Jahre verschlafen? Es kam wie es kommen musste. Schon lange zeichnete sich ab, dass die neue bürgerliche Mitte – sauber, nachhaltig und gesund, gut situiert und ausgebildet – eine Partei braucht. In Baden-Württemberg hat der Lehrer Kretschmann – nett, seriös, väterlich – das schwäbische Herz mit schwäbischen Sprüchen erobert. Was ist daran besonders, oder gar revolutionär? Jetzt wird er Landesvater. Auf der grünen Wahlparty: Mädchen mit grünen Perücken, kreischende, hüpfende Frauen, die begeistert in die Hände klatschen, grüne Männer, die heulen, junge Grüne die trommeln (Samba) und die grünen Mädchen zum wippen bringen. Revolutionär? Die neue Kultur. Lange her: Die rauchenden, alten Männer mit Bier und Stiernacken. Der Mittelstand in Deutschland hat nichts mehr übrig für verkniffene Säcke, die Bahnhöfe, Atom und Demokratie mit Schlagstock und Wasserwerfer durch

Mahagonny in der Kölner Oper

Es begann vielversprechend. Ein kleiner weißer Vorhang öffnet sich (die Brecht-Gardine), eine karge, tiefe, öde Landschaft mit einem halb aufragenden Schiffswrack wird sichtbar. Ein altes Auto mit Anhang rattert auf die Bühne und bleibt mit einem Knall in der Mitte liegen. Zwei Schreckgespenster, Fatty und der Dreieinigkeitsmoses (Martin Koch, Dennis Wilgenhof), absurde Figuren, wie dem Kabinett des surrealen Expressionismus entsprungen, finden, bis zur Küste ist es zu weit, zurück ist es zu weit, die Witwe Begbick (Dalia Schaechter: düster, schön, mit Kraft), steigt in den grauen Himmel, auf der angehängten Maschine tritt Technik in Form einer Hebebühne in Aktion, sie findet, man werde also bleiben und die 'Netzestadt' gründen: Mahagonny. Und dann? Dann kommen die Frauen, die Haifische, die Jungens. Wenn Jim Mahony (Matthias Klink) sich langweilt, ist das sehr komisch, wenn Jenny (Regina Richter) singt "Denn wie man sich bettet so liegt man" dann ziehen mich Stimme

Karin Beier wechselt nach Hamburg

Ein Stadttheater braucht andere Mittel, als ein freies Theater. Ich weiß. Karin Beier glaubte, Sanierung von Schauspiel und Oper ist billiger als Neubau und rettet Geld für die Kunst - und irrte in beiden Punkten. Jetzt geht sie nach Hamburg. Ich weiß. Kölner Kulturpolitik bleibt Pappnasentheater. Eine ganze Bühne für das Schauspiel wird gestrichen, gegen alle Zusagen und das "weniger" bei der freien Kultur wird ganz eingespart. Ich weiß. So droht die kulturelle Wüste auf der einen Seite und die ewige Baustelle (daran haben wir uns ja fast schon gewöhnt) auf der anderen Seite. Bis das ganze schiefe Gebäude in das Kölner Loch rutscht.

Berlin - warum nicht?

Mein Freund Thomas Reis spielt seinen “Reisparteitag” in Berlin, im Mehringhoftheater. Also auf nach Berlin. Ist Jahre her. Hier sind die Leute noch lustiger. Sie stehen mitten im Programm des Kabarettisten auf. Weil sie in der ersten Reihe sitzen? Sie kommen auch wieder. Sie reden auch mit dem Künstler. Der wird nervös und geht mit einer Geste des Halsumdrehens auf die erste Reihe zu. Das Publikum applaudiert. Ein Taxifahrer zeigt uns ungefragt das Geburtshaus von Marlene Dietrich und redet vom Verfall der Moral, weil die jungen Leute nicht mehr getauft sind. In der Ständigen Vertretung (Kölsch in Berlin) ist Touristenauflauf. Ich habe mich hier mit Peter Raddatz (ehemals Hamburg, ehemals Köln, jetzt Opernstiftung Berlin) verabredet, endlich ein Wiedersehen. An die Wand gequetscht essen wir ‘Altkanzler-Menu’ und Matjes mit Bratkartoffeln. Alles lärmt und klappert. Peter ist hier in Berlin Ratgeber für Ehemalige und Zukünftige. Er spricht mit Menschen, die von der Kulturpolitik in K

TAS alleine

"Kirschgarten" im 'Theater des Jahres'

Nach der Premiere im Kölner Schauspielhaus konnte ich mich noch nicht sofort entscheiden, was ich schrecklicher fand: wieder einmal ansehen zu müssen, wie ein gutes Stück zugrunde gerichtet werden muss, diesmal von der Regisseurin Karin Henkel, oder das jubelnde, johlende Publikum, das sich als Publikum des Theaters des Jahres offenbar selbst zu feiern scheint und das auch zwischendurch meinte etwas zu lachen zu haben. Die Inszenierung ist albern, langweilig, langatmig, ohne Pause. Meist wird gehüpft, getanzt, es reiht sich eine Clownsnummer an die andere, manche für sich genommen, durchaus komisch, es werden lebendige Puppen durch die Gegend getragen, Diener umgeworfen, Frauen geschubst, man läuft ununterbrochen um eine kleine Drehbühne, auf der Musiker Posaune und Schlagzeug bearbeiten. Dazwischen wird Tschechowscher Text abgesondert, weggeschleudert, in den Alltag gezerrt, geschrieen oder in Endlosschleifen wiederholt (irgendwann einmal muss mir jemand erklären, wieso im zeitg

"Wutbürger" - Die Kultur des Reflexes

Der Wutbürger ist wütend wenn er nicht wütend sein darf. Der Wutbürger ist wütend, wenn er so genannt wird oder wenn er nicht verstanden wird, oder seine allzu berechtigte Wut Kritik erfährt. Ich bin auch schon wütend. Der Begriff 'Wutbürger' ist nun auch noch Wort des Jahres 2010 geworden ist. Das verleidet mir fast, dieses Wort überhaupt noch zu verwenden, denn es kennzeichnet einen allgemeinen Trend, die Welt besteht nur noch aus Trends, Äußerungen einer aktiven Minderheit aus der Mitte der schweigenden Mehrheit, die sich so direkt einbringen kann. Durch Entsetzen, Betroffenheit, Tränen, Wut. Wut ist zum Ersatz geworden. Zum Ersatz für eine geordnete Spielart der Demokratie. Die repräsentative Demokratie scheint nicht mehr zu funktionieren. Der Wutbürger sieht sie nur noch als korruptes Anhängsel der Finanz- und Großprojekte-Industrie, einer Politik, die Menschlichkeit und 'Nachhaltigkeit' (Wort des Jahres für grüne Wutbürger) mit Füßen treten. Eine neue Erkenntnis?

Rose Theegarten spielt Andy Warhol

Wer ist Andy Warhol? Ein Künstler. Einige wissen das. Noch. Auch das Ensemble “Rose Theegarten”, einer freien Theatergruppe von sehr verschiedenen, guten, witzigen und netten Schauspielerinnen und Schauspielern. (Claudia Holzapfel, Bettina Muckenhaupt, Charles Ripley, Thomas Wenzel, Andreas Debatin an der E-Gitarre). Das soll Kunst sein? Das soll Theater sein? Das wird Theater. Die Gruppe, jeder Einzelne, nähern sich der Figur Warhol - und sich selbst. Es wird gespielt. Miteinander, Warhol wird kopiert, geht in Serie, verwandelt sich. Von seinem Charakter, seinen Schritten, seinen Schablonen wird abgeschaut aus Filmen, angeeignet, abgestoßen, probiert. Dabei werden Warhol und seine Kunst auf der Bühne nicht denunziert, obwohl manch einer im Publikum das sicher gerne hätte, lieber seine Vorurteile bestätigt wissen will. So ist es eben, das Publikum. Die Schauspieler lassen sich nicht beirren, nicht von den Zuschauern, oder von Andy oder von sich selbst. Sie gehen auf die Suche. Ein