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Es werden Posts vom November, 2006 angezeigt.

Investivlöhne

Nach dem CDU-Parteitag gibt es ein neues Zauberwort: "Investivlöhne". Ich fand, es hat sowieso schon viel zu lange gedauert, dass die Arbeiterschaft (-klasse kommt mir nicht mehr über die Tasten) in das schon nicht mehr ganz taufrische System des globalen Kapitalismus (das Wort geht) besser zu integrieren, auf dass diese Arbeiterschaft, die ja schon ununterbrochen protestiert, den Eindruck hat, doch dazu zu gehören. Nicht nur zum Hartz-System, sondern zum System! Arbeiter und Protest, fragen Sie? Achten Sie einmal auf die Bilder mit den Menschen mit den Trillerpfeifen im Mund, in jeder zweiten Tagesschau. Das ist protestierende Arbeiterschaft. Auch jenseits dieser Bilder wurde in der letzten Zeit die Kritik immer lauter an der Logik der Ausplünderung, des Lohnverzichts bei gleichzeitiger Anhebung der Gehälter von Spitzen-Managern, die zum Dank dann doch die Entlassungen der Massen verfügen, die sich dann bald darauf Trillerpfeifen in den Mund stecken. Allein um das in Zukunf

Dunkelheit

Der Hinterhof ist feucht wie ein Sumpf nach diesem ungewöhlich warmen Novemberregen. Mücken haben sich versammelt. Sie haben durch das Fenster gesehen, dann haben sie sich abgesprochen, sind eingedrungen, denn das Licht scheint so gemütlich. Ich höre meine persönliche Unruhestifterin erst, wenn ich gerade eingeschlafen bin, wenn sie ganz dicht an mein Ohr geflogen kommt, mutig mit ihrem Mückensopran ganz leise in die Hörmuschel singt. Dann aber hat sie schon zugestochen. Ganz langsam schwirrt sie ins Dunkle um den Staffelstab der nächsten Unruhestifterin zu überreichen. Eine nach der anderen naht heran. Wenn ich sie erblicke, sind sie auch schon wieder verschwunden. Ich mache Licht, ich schlage ins Leere, ich nehme ein Buch und lese ungeduldig. Morgen weiter?

Es geht mit gut!!!

"Ich wünsch Euch einen grandiosen Tag, genießt ihn!" - "Lebe Deinen Traum" - "Es geht mir gut! Es geht mir guut!!!!!!!" Nein, das sind nicht meine Morgenwünsche. Das ist nur ein kleiner Ausschnitt aus Werbung und Show, der schon in aller Kürze die Hysterie andeutet, welche sich in irrem Lachen, in Befreiungsschreien und zum Himmel gereckten Armen zeigt. In der Wirklichkeit fetzt das noch krasser. Schnösel aller Art, immer einen Kaipi vor dem Milchgesicht, beherrschen alle Schablonen der guten Laune, vom Kurz-Zuprosten, Augenzwinkern und permanentem Abklatschen bis zu Daumen-Hoch-Gesten. Sie wachen über die gute Laune, den ganzen Tag lang. Früher hieß das noch: "Prost, prost, Kameraden..." bedeutet aber das Gleiche. Die Stimmung war blut- und bodenständiger. Der Kongress tanzte. Heute ist das Positiv-Denken-Gekreische allgegenwärtiger und totalitärer. Es ist längst wie eine bunte Suppe über die ganze Gesellschaft und in alle Ritzen geflossen. Au

Kartoffeln

Die Bundes-CDU will sich "breit aufstellen." Manche sind schon "gut unterwegs". Viele auch sind "ein Stückweit" der Meinung, es solle sich bald einmal etwas ändern, so mit der Kulturförderung und ein Stückweit auch mit der Bildung und dem Klima und so. Sonst sei bald alles vorbei. Wie richtig, wie schön. Und wir sollten nicht immer schimpfen. Auch mal loben, loben, loben. Ich glaub, ich lese noch etwas. Das selbe Buch wie gestern? " Ich träumte, dass ich versuchte einzuschlafen, um mich von der Furcht auszuruhen. Ich wollte nicht träumen. Ich wachte auf, duschte, trank einen Schluck kalten Kaffee, setzte mich an die Schreibmaschine und schrieb. Jemand stieß mit der Gabel zu. Die Kartoffeln waren erschüttert und lagen erschrocken und blass in der Ecke des Tellers. Sie zogen sich in die Anonymität zurück, in eine gesichtslose Menge blasser Kartoffeln. Sie wurden mehlig, kippten vom Tellerrand, rollten in die dünne Soße, verlacht und verlassen. De

Stimmen

In China ist ein altes englisches Küstenstädtchen nachgebaut worden, bis in den letzten Winkel, ohne den Schmutz, ohne den Wind, ohne abgeblätterte Farbe. Die Schilder an den Pubs sind falsch geschrieben, das Churchill-Denkmal ist neu und glänzt sehr dick. Chinesen lassen sich davor fotografieren. Stimmen aus England sprechen von Disneyland und klingen traurig oder gleichgültig. Ich habe noch gelesen: "Ich wollte träumen, ich sei nicht eingeschlafen. Ich hörte Geschirr klappern, gegenüber, auf der anderen Straßenseite, hinter einem geöffneten Fenster. Das Klappern schlug von der Wand zurück, wurde leiser und machte müde. Ich träumte von Stimmen. Ich hörte Stimmen, die vom Essen sprechen, hinter den Fenstern, Stimmen, die von Gegenständen sprechen. Alles lebt durch Stimmen, dachte ich. Stimmen machen sogar Tote wieder lebendig. Darum bin ich zum Theater gekommen. Aber der kleine, rote Vorhang hatte sich wieder geschlossen. Die falschen Leute hatten gelacht für die falschen Leu

Broken Dreams Club Band

Zurück zu den Beatles. Die Platte ist wirklich phantastisch. "Love" ist ein Experiment, das zeigt wie ein Universum geöffnet werden kann, wie alte Musik neu klingen kann, ohne 'hip' werden zu müssen. George Martin, der 'Fünfte Beatle' aus den Abbey Road Studios hat die Songs der 'Fab Four' noch einmal gelesen, erspürt, mit Möglichkeiten gespielt, neue Zusammenhänge gefunden, witzige Fußnoten angefügt, eben ohne den Geist der Musik zu beschädigen oder umzubauen. Ein reines Vergnügen. Wenn wir doch im Theater auch wieder so weit kommen könnten. Stichwort Theater: Daum kommt tatsächlich. Kaum zu fassen. Hoffnung auf Erlösung, Enttäuschung, Absage, harter Fall, Nachdenken, Gerüchte, Zittern, Zusage. In der Kultur ist die Reihenfolge meist umgekehrt. Aber im Fußball? Der Retter kommt. Ab Morgen 'Lucy in the sky with diamonds'. Die große Zukunft vor Augen hat der FC prompt gegen 60 München verloren (um den Kontrast deutlich zu machen?) Es war aber

Saudämlich - und noch viel mehr

Aus der Reihe: Ich bin doch saublöd! Muss ich diese Krach und Knallwerbung eines Billig-Marktes immer und immer wieder anhören? Ja, wenn ich König von Deutschland wär'... aber so schnell kann niemand umschalten, vor allem weil diese Musik im Kopf weiter arbeitet, weil sie geläufig ist und weil sie erinnert an Anarchie, an Widerstand, an "Bild macht dumm", an eine erregende Zeit. Und jetzt verbindet sie sich mit "Unterschicht", "hol mir mal ne Flasche Bier", an T-Shirts mit "Zicke"-Aufdruck, an saudämlich... Stimmt. Ich kauf mich dumm. Aber wehe, wer anfängt die Musik weiter zu hören: "Macht kaputt, was Euch kaputt macht!" Gute Nacht

Ach, hätte

Übrigens, jetzt ist es offiziell, Essen wird Kulturhauptstadt Europas. Der Bürgermeister redet von einer wahnsinnigen Palette, von Grönemeier bis Avantgarde-Kultur. Oh, das hätten wir nicht hinbekommen. Ich glaub, ich gehe lieber zum FC und anschließend ins Früh bis Kölsch. Dann den Kopf heißreden. Später vor dem Fernseher noch die Spielberichte und ein Seufzer: Ach, hätte der Daum doch damals zugesagt.

Die Stadt, das Geld und die Kultur

Unter Druck gibt die Stadt viel Geld - Geld, das nötig ist. Zum Beispiel € 2.200.000.- für eine zusätzliche Großleinwand zur  Fußballweltmeisterschaft  am Rhein, ungedeckt vom Haushalt der Stadt. Für den nächsten Haushalt sollen € 3.000.000.- mehr für die  Sauberkeit  in unserer Stadt ausgegeben werden. Das ist nötig, findet auch die grüne Fraktion. Das ständige Gerede über eine 'Kulturstadt' Köln hatte bis heute, auch nach der kläglich gescheiterten Bewerbung zur 'Kulturhauptstadt Europas' (das wird Essen) natürlich keine Konsequenzen. Auch nicht im Haushalt. Für den normalen Kölner Unterschichtler genügen zusätzliche Mülleimer, um seine Flasche Bier und den Express getrennt wegwerfen zu können. Ein Blick aus dem Mallorca-Flieger auf das blaue Zelt des Musical-Doms, ja, hurra! Dort liegt die 'Kulturstadt'. SPD und Grüne meinen:  Kein Geld zusätzlich für Kultur  (immerhin liegen wir ja bundesweit noch an 27. Stelle), der Hauhalt sei nicht gedeckt. Der Kult

Lesen? Spielen?

Wochenende in Ehrenfeld. Im 'Goldmund' eine Diskussion über den türkischen Autor und Nobelpreisträger Orhan Pamuk. Die hatte Windungen und Wendungen: interessant!  Pamuk sitzt zwischen allen Stühlen . Für die Nationalisten ist er zu wenig patriotisch, für die Linken zu unkritisch, für die Religiösen zu wenig religiös. Und für die Leser? Er kreiert Bilder, was er schreibt ist reine Poesie, sagt jemand, ein Mann bestätigt, der Schnee sei genau so, wie er ihn schildere, genau so. Jemand sagt, einfache Menschen lesen seine Bücher nicht, seine Sätze seien zu kompliziert. Thomas Mann, Kafka, würden sie sich heute verkaufen können, wenn sie nicht schon längst zum Kanon gezählt würden? Wären ihre Bilder, ihre Sätze heute nicht auch viel zu kompliziert? Jeder Schreiber braucht einen Leser. Dieser Leser, diese Leserin also, muss ihn (sie) aber auch verstehen können.  Wir müssen wieder 'lesen' lernen . Wer versteht denn noch die Filmsprache eines Truffaut (wo bleibt die Action?)

Krimi

Heute schweigen und fernsehen. Krimi. "Für Jugendliche nicht geeignet!" Guter Witz. Martialische Synthi-Basstöne begleiten die Rede eines alten, harten Mannes, der bei Europol gegen organisierte Kriminalität zu Felde ziehen will. Schnitt auf einen Kriminellen im Anzug, der seine Frau würgt, weil sie ihn verlassen will, weil sie etwas weiß und deshalb würgt er sie. Synthi-Bässe sind selbstredend wieder mit von der Partie. Schnitt. Jetzt kommen Zupfinstrumente und Synthi-Geigen dazu. Später Hörner. Die Blondine des Gangsters ist entweder bald tot oder verliebt sich in einen jungen Polizisten. Ich tippe auf Letzteres. Aus! Gestern bei 'Christiansen': auch Männer in Anzügen. Schröder war dabei. Ach ja, der hat ein Buch geschrieben und meinte auch hier wieder sagen zu müssen, sein Freund Putin sei ein Demokrat und der Staat müsse stark sein und in Russland gäbe es keine Todesstrafe. Ach, der Mann von Europol ist übrigens gerade niedergeschossen worden. Im Fernsehen. Und

Business Theater

Heute Mittag im Radiofeuilleton. Ein Beitrag über Business-Theater. Da erzählen freie Theatermacher aus Frankfurt über die wenigen Möglichkeiten, freies Theater noch zu finanzieren. Wir spielen einfach für die, die zahlen. Da fragt der Konzern: Wieviel kostet denn die halbe Stunde? Da wächst der Zorn, aber wir brauchen das Geld, sagt jemand. Wir produzieren für die Wirtschaft, oder für den Publikumsgeschmack. Zum Beispiel 'Caveman'. Das wird gut besucht. - Ein Stück über warum Frauen immer Schuhe kaufen müssen. Die Inszenierung hat Esther Schweins konzipiert. - So ähnlich erzählt eine Theatermacherin. Sie hat verstanden, dass Inszenierungen nur noch konzipiert, statt gemacht werden. Und dass Stücke keinen Autor mehr haben. Und Esther Schweins, die Gutaussehende, hat ihren Namen schon unter so viele Cavemen gesetzt, dass kaum zu fassen ist, in wieviel Paralleluniversen sie inszenieren, moderieren, konzipieren und repräsentieren kann. Wir finden 'Esther' auf dem Datenträg

Razz-Fazz! Oder: Die unerträgliche Schwere des Bewusstseins

Die Sonne hängt tief und leuchtet grimmig auf die freie Szene. Still und hell. Gleichzeitig stürmt ein geradezu konventioneller Wind über die Dächer der Theater Kölns und bewegt so manches tote Blatt, so sehr dieses sich auch zu wehren versucht. Der ganze Tag hängt in den Seilen. Im katholischen Köln wird Allerheiligen gefeiert, also nicht wie Karneval, sondern im Gegenteil, bei diesem Event wird inne gehalten. Auch die andere Sonne, die Sonne der Kultur hält still und steht so tief, dass, wie das schöne Sprichwort sagt, selbst Zwerge lange Schatten werfen. Wir warten, dass zumindest ein Wind etwas bewegt, umsonst. Meine Inszenierung von „Mann ist Mann“ ist gelungen und läuft. Sie macht „Lust auf Theater“, wie der Stadtanzeiger schreibt, und das Publikum ist sehr amüsiert und auch beeindruckt von der Geschichte des Mannes Galy Gay, der um jede Ecke mitgeht, um seinen Spaß zu haben oder seinen Schnitt zu machen. Irgendwann, während einer Scheinerschießung durch die Soldaten, denen e