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Es werden Posts vom Juli, 2009 angezeigt.

Kehlmanns Kritik

Der Autor Kehlmann, der den wunderbaren Erzählband 'Ruhm' schrieb, hat eine Rede gehalten in Salzburg gegen das Spagetti-Spritz-Kreisch-Theater. Jeder kennt es, jeden langweilt es, aber wer es kritisiert, der wird niedergemacht. Schon seit Jahren. Damals, als das anfing mit dem Schreien und den ununterbrochenen Zappeleien, blieb noch ein Lächeln, wenn wieder einmal ein Jungregisseur auf die 'Idee' kam, ein klassisches Drama mit Eigentexten anzureichern und auf Leinwänden Bilder von Panzern oder Explosionen laufen zu lassen, um zu verdeutlichen, dass der König in dem verstaubten Stück eigentlich ein Kriegstreiber ist und so redet wie George Bush. Mittlerweile ist das alles nur noch ärgerlich. Es handelt sich in diesem Streit nicht um einen Widerspruch, etwa zwischen modern oder antiquiert, links oder rechts (da irrt Kehlmann), zwischen provokant oder sonstwas, sondern um einen Befund: Das deutsche Theater, frei oder städtisch, ist flächendeckend beherrscht von den Cl

Tussi Armee

Das ZDF wird immer mehr zum Goldenen Blatt in Fernsehformat. Im Mittagsmagazin Berichte über Königskinder als Bericht über einen Bericht über Königskinder im ZDF. Es gibt ja sonst nichts Wichtiges. Und dann den ganzen Nachmittag Fotoromane mit Nahaufnahmen von stundenlang ins Leere glotzenden Weibern, die Blumenläden oder Hotels leiten müssen, um romantischen Quark abzusondern. Oder Kuhaugen machen, weil Männer sie enttäuscht haben. Dann aber konsequent am selben Fleck kleben, um Kuhaugen zu machen weil sie damit die Männer unter Druck setzen können, weil sie unbedingt nochmal enttäuscht werden wollen. Kultur: Aida in Bregenz. Es gab Zeiten, da hat man sich über die Inszenierung oder die Sänger unterhalten. Lieschen Müller aber aus dem Publikum mit glänzendem Gesicht und Promi XY mit freigelegten Zähnen werden vor die Kamera gestellt und meinen meinen zu müssen: Die Bühne war gigantisch, die Kostüme waren toll. In Theaterkreisen galt das einmal als vernichtendes Urteil. Jetzt geht

Avignon

"Jungen zeitgenössischer Zugang", vermisst die Chefin unserer Theaterzeitung 'akt'. Hat sie mir das gesagt um zu erklären warum ich sie oder ihre Redakteure noch nie in meinem Theater gesehen habe? Nein, ich sehe sie auf 'arte' im sommerlichen Avignon sitzen, wo über Theater gesprochen wird, wo auf den Straßen von Clowns lustige Flugzettel verteilt werden und auf den großen Bühnen das große, verstörende Multi-Media-Spektakel stattfindet. Und an Bistro-Tischen wird geredet, es wird über alles geredet. Darüber, nicht vor 'großen Texten' in die Knie zu gehen, Türen aufzustoßen, zu experimentieren. Auch dieses Festival geht nicht ohne „Slowmotion-Rituale“ (Zadek), bedeutungsschwangeres Hundegebell, Fassadenkletterei, aus Fenstern stürzende, aufschlagende Fernsehgeräte, Schauspieler, die aufstehen, hinfallen, aufstehen, hinfallen - und natürlich Video-Projektionen auf allen Wänden und Leinwänden. Alles wie immer, alles in der Hand von ‚Experimentierern’, K

Rentner Ost

Noch ein Rentner  im Morgenmagazin. Original Rentner 'DDR'. Für den 20-Jahre-Mauerfall-Kalender-der-Gefühle im Morgenmagazin. Da sitzt er nun, der Anglerwesten-Laubenpiper-Kleinbürger-Rentner stocksteif für die großen DDR-Gefühle im Fernsehen, neben ihm sein Sohngewordenes Sperma, auch stocksteif. Das schweigt. Und unser Rentner hat Sätze gelernt. Sätze von früher: Man hatte eine gesunde Einstellung, findet der Laubenpiper und nuschelt Berlinisch: Jeder hatte Arbeit, es gab keine Arbeitslosigkeit (Umkehrschluss ist was?) und wer mitheulte, hatte ein schönes Leben. Nein, er war unpolitisch. Ja. Straßenumfrage: Wozu ist Europa gut? Eine dicke Frau: Europa? Wozu das gut ist? Lange Pause - Keine Ahnung. Eine dicke Frau auf weißem Sofa sagt: Mir fehlt das wooken schoon (wahrscheinlich: walken). Isch muss die Bewegung haben. Meine Freundin und isch: wir werden uns gegenseitisch ankurbeln. Gute Nacht

Tütensuppe SPD

Die Kamera  wird mal wieder draufgehalten. Anlass: Die SPD auf der Suche nach Wählern. Interessantes Thema, zerrissene Splitterpartei. Wo ist das Wahlvolk? Ein paar Sozialdemokraten suchen nach jungen, manch andere nach alten Wählern. Rente in der Krise. Rentner in der Krise. Rente schützen, Rente nicht schützen, an die Jungen denken, an die Alten denken. Mal so, mal so. Einen Plan hat keiner. Steinbrück: Junge zahlen die Zeche. Scholz: Alte zahlen schon länger die Zeche, Steinmeier weiß nicht so recht und krempelt die Ärmel hoch. Dann versucht er so heiser zu sprechen wie Schröder damals. Das ist Programm. Traurig. Und dann wird mal wieder  die Kamera  draufgehalten. Das ist lustig. Meinungen sind gefragt in der Meinungsgesellschaft. Ob es um Unterwäsche geht oder Afghanistan-Einsatz. Aber zurück zur Rente: Ein Rentner in Berlin. Das kann ja nur schief gehen. Und es geht schief. Der sagt: Ich finde, alle sollten bluten, die Reichen, die Armen, wir sitzen doch alle in einem Boot. Ke

Kölner Lichter

Nachmittag:  'Kölner Lichter'  und es regnet. Das wäre traurig. Die Kölner Lichter dürfen nicht ins Wasser fallen. Sie sind die einzigen Lichter der Kultur, die im Augenblick zu sehen sein werden, würden. Von Profis gezündet und nicht etwa schon in der Planungsphase versenkt. À propos: Quander, geh nach Stuttgart, aber geh schnell. Und wenn sie Dich da auch nicht mehr wollen, geh trotzdem. Raus aus dem Kölner Sumpf , zurück zu den Kölner Lichtern. Ich finde es sinnvoller, wenn ein paar Zehntausend Euro in den Abendhimmel geblasen werden, als wenn Millionen in der Bürokratie versickern, oder immer auf den selben Misthaufen geworfen werden, oder als Kostenfaktor wachsen oder in dunklen Kanälen ganz verschwinden oder sich auf einem digitalen Konto in Nullen und Einsen auflösen. Lasst endlich ein Feuerwerk sehen, ein ganz reales, geplantes aber auch gemachtes, abgefeuertes, bezauberndes, gigantisches Feuerwerk vor den Spitzen des Domes in der Nacht am Kölner Himmel. Mit Filmm

Formel 1: Kein Kommentar

Formel 1 : Menschen, die aussehen wie vermummte, bunte Zigarettenschachteln ohne Warnhinweis, rasen mit ihren Autos so lange im Kreis herum bis sie den Verstand verlieren, oder tot bleiben - aber das ist schon lange her, oder hirntot sind, was ein Dauerzustand zu sein scheint. Insofern muss der Leiter einer solchen Renn-Veranstaltung eigentlich ein vegreister Idiot sein. Komisch, er ist einer. Bernie Eclestone  heißt er. Gerade hat er das letzte Gerangel überstanden: wegen ein paar Millionen wollten sich wichtige Spitzenmarken verabschieden und drohten einen eigenen Rennzirkus zu gründen - kaum ist das also vorbei, da ergibt sich schon die nächste Herausforderung. Er muss ein Interview geben. Auf die provokanten Fragen notorischer Querulanten und Demokraten (Journalistenpack eben), antwortet Eclestone unter anderem: Nein, Hitler hätte auch Gutes geleistet, er habe führen -  und Dinge erledigen können . Ja, wissen wir. Krieg, Massenmord. Ach, bitte nicht das schon wieder. Das muss

aufgelöst

Gelandet. Und verabschiedet. Ein letztes Foto. Viele Papiere, Eintrittskarten, Bücher, Blöcke, Fetzen, Blätter von Geschriebenem, Gezeichnetem sind aufgehoben. In Mappen ruhen Theaterplakate, die an bewegte Zeiten erinnern. Collagen, Comix, blutig-bunt, Bilder, düster-kratzig. Das anschwellende schwarz-weiß, hat es eine Zukunft? Werden solche Bilder woanders aufgehängt? Auf dem Markt werden sie nicht gehandelt werden. In den Müll gewandert sind unfreiwilliger- aber notwendigerweise: Kinderbücher, Mao Tse Tung, Stadt-Anzeiger, Kicker Spezial: Bundesliga 1993/94, Theaterprogramme, Presseerklärungen, Protokolle, Kritz-Kratz. Schön war die Zeit. Eins ist sicher: Die Zeichnung an der Wand, sie wird verloren gehen.