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Es werden Posts vom Januar, 2010 angezeigt.

Hamm

Auf den kleinsten Bahnhöfen heißen gewisse Örtlichkeiten, Entschuldigung - Locations - nicht mehr Toiletten, sondern "Mr. Clean". Ja. Ja. Und in Hamm gibt es seit neuestem die Aktion "Mapping the region"! Was wird hier gemappt? Unbekannte Schätze? Werden die letzten weißen Flecken kartografiert, unentdeckte Volksstämme gefunden? Es gibt, wie wir von Menschen wissen, die witzig sein müssen, Geschichten über Eingeborene, die rau aber heatzlich sind, "Wodka Wick Blau" trinken und Körriewuast essen. In Hamm gibt es zu alledem noch ein neues Projekt: die "Local Hero Woche". Nicht bei McDonalds, nein, ganz Hamm macht Kunst, local Kunst. Hamm ist nämlich im "Netzwerk" Ruhr 2010 Kulturhauptstadt Europas. Ja. Mister Local singt: If you can make it there, you make it anywhere! Tschauiii. Gib mich nochn Pils. Noch etwas: Ich mag Podolski. Ich will, dass er für den 1.FC Köln stürmt. Immerhin haben wir uns das alle jahrelang gewünscht. Und er

Kunst im Bau

Sind wir nicht schon genervt genug? Brauchen wir nicht auch Orte, an denen wir nur sitzen, oder warten oder essen und trinken dürfen ohne genervt zu werden? In der Kneipe müssen wir einen Platz finden mit ausreichendem Abstand zu den wummernden Lautsprechern, denen wir schon aus dem Straßenverkehr versucht haben zu entkommen. Dann die Blickrichtung. Nicht ständig auf die esoterischen, bunten, traurig gepinselten Bilder schauen müssen, die Veedels-Künstler aufhängen dürfen. Und nun? Die U-Bahn, die neue, kurze, ist noch nicht eröffnet, schon wird "Kunst" geplant. Die "Neumarkt-Collage" am Neumarkt oder die "Kölner Köpfe" am Appellhofplatz sind schon unvergesslich genug. Nun soll uns also bunte, schrille Performance-Malerei (Kneipenkunst in Riesenformat) von ruhigen Momenten abhalten. Der Vorstandssprecher der KVB spricht von einem "bedeutenden Kunstprojekt". Diese Sorte Vorstandssprecher schauten im vorigen Jahrhundert zuhause auf einen traurige

Die Blauen, die Roten und die Gelben

Die neue Vorzeigediktatur China lässt keine Gelegenheit aus, zu zeigen wie's geht. Wer Bauprojekten nicht weichen will, wird umgesiedelt oder totgeschlagen. Wer dagegen protestiert, wird totgeschlagen oder eingesperrt. Einen Schriftsteller hat man für seine Unterschrift unter eine Charta für mehr Demokratie zu 11 Jahren Gefängnis verurteilt. Die Zukunft hat begonnen. Der Internet-Konzern Google, der mit den Zensurbehörden Chinas immer friedlich zusammengearbeitet hat, also bestimmte Begriffe gar nicht erst suchte oder anzeigte, erlebt erstaunt einen umfassenden Hacker-Angriff auf Daten von Oppositionellen, damit auch diese gefunden und eingesperrt werden können. Und jetzt entdeckt Google sein Gewissen (Marktanteil in China ist ohnehin nur 20%). Im Kino läuft der Film 'Avatar', der umgehend bei den Chinesen so gefragt ist, dass die Diktatur erneut eingreifen muss. Das liegt offenbar an der Geschichte. Es geht um Zwangsumsiedlung. So etwas kann sich nur auf einem fremde

Etwas Positives

soll ich schreiben, riet mir jüngst eine Freundin. Ich willigte ein und legte mich ein bisschen auf mein Ohr, um Ruhe zu finden. Ich wache auf, weil Geschirr und Bücher aus den Regalen stürzen. Die Tapete reißt auf: Dahinter gähnt eine Leere, die mit einem Mal von gleißendem Licht durchschnitten wird. Ein komischer Mann mit vorgeschobenem Unterkiefer singt: "Wir sind alle deine Kinder". Der Herr Westernhagen, so heißt der Nachbar, quetscht ein paar Töne aus seiner Lederjacke, während der Schutt dampft und Steine stürzen. "Ein kleines bisschen Sicherheit", schreit ein verletzter Junge zwischen den Trümmern meines Hauses, während eine Frau mit dickem Bauch, die draußen auf der Straße sitzt, leise nach dem letzten Einhorn Ausschau hält. "Ein Herz für Kinder" flüstert sie und senkt den Blick. Am Ende der langen, gewundenen Straße kommen die Helfer und bauen Kräne, Schienen, Transformatoren, Scheinwerfer und Kameras auf. Es wird eine große Show. Da erwache ic

Dantons Tod

Nach ungefähr 20 Minuten bekam das Stück auf der Bühne des Schauspielhauses endlich Rhythmus. Es begann das nicht enden wollende Türenklappen, nicht etwa skandalisierter, sondern zu Tode gelangweilten Zuschauer, die an bereits Eingeschlafenen vorbei ins Foyer drängten. Nach einer Stunde war auch bei mir die Erträglichkeitsgrenze überschritten. Dem Programmheft konnte man durch die Bilder entnehmen, dass die verwuschelten, mehr oder weniger bekleideten Darsteller bis zum bitteren Ende ihren Text nuscheln, und dabei Füßchen links, Füßchen rechts, Händchen auf, Händchen ab spielen würden. Dem Programmheft, in dem nach einer halben Stunde in meiner Umgebung alle anfingen zu blättern, konnte man durch Texte ebenso entnehmen, dass es sich bei den Schauspielschüler-Bewegungs-Übungen um "Idiorhythmie", um "Erschöpfung" und "Ermüdung" drehte. Konzept! Wieder einmal dürfen wir Zuschauer den Kopfgeburten eines Regieteams beiwohnen (diesmal 'Chétouane'), d

Atom Asse

Warum warnten schon vor Jahrzehnten Wissenschaftler und Bewohner dieses Landes vor der Atomkraft? Die Industrie trieb ihre Gier und ihren Zynismus auf die Spitze und fing an zu dichten: "Atomkaftgegner überwintern bei Kerzenlicht und kaltem Hintern". Das ist Kreativität, das ist witzig. Kaum ein Hintern überlebte nach dem GAU im Atomkraftwerk Tschernobyl, eine Atomkatastrophe, die eigentlich nicht vorkommen durfte, also auch nicht vorkommen konnte. Chance eins zu eine Million oder eins zu einer Milliarde, egal. Eigentlich. Aber einer gewinnt irgendwann doch immer den Jackpot. Diesmal die Mai-Spaziergänger von Tschernobyl. Warum warnten Wissenschaftler und fragten immer wieder nach dem Verbleib des Atommülls, der auch, wenn man ihn in Fässer steckt, strahlt, Millionen Jahre. Aber Asse, der Salzstock, wo hunderttausend Fässer herumliegen, wird schon jetzt brüchig, es dringt Wasser ein, die Fässer rosten. Konnte keiner ahnen. Nein. Es kann nur keiner hören. Wie immer.

Kulturhauptstadt Ruhr

Die Eröffnungsfeier. Im Schnee. Draußen. Sehr reizvoll. Besser als, wie immer, in einem überdachten Stadion mit üblicher Massenhysterie zu dünnem Programm. In 'Zeche Zollverein' fehlt nur die Massenhysterie. Und die Show? Projektionswände, natürlich, die ausgleichen sollen, was die Darsteller nicht schaffen. Auf Tonnen herum klopfen zwischen Feuerfontainen (auf den Projektionstafeln sieht man Stahlarbeit), laangweilig. Dann tanzen junge Menschen vor den Tonnen (auf den Projektionstafeln tanzen junge Menschen im Club), laangweilig, dann, natürlich Rap-Gelaber von noch jüngeren Menschen, gaanz langweilig. Regisseur ist ein Professor von der Folkwang-Schule, der von Höhepunkten oder einer Inszenierung offenbar noch nie gehört hat. Zum Schluss, natürlich, Grönemeyer mit Sinfonie-Orchester. Komm zur Ruhr. Statt Köln. Jetzt werden Köln und seine Kulturschaffenden noch einmal schmerzhaft daran erinnert, wie kläglich die Bewerbung Kölns damals scheiterte. Köln konnte sich noch nicht

Erzähl eine Geschichte

Ich bin nicht gut im Geschichten erzählen. Es war einmal ein Mädchen in einem blauen Kleid. Nein, schrie sie. Ich will keine rosa Tapete und keinen Prinzen und keinen Cowboy als Mann. Sie drehte den Fernseher lauter und schwieg. Musik klimperte eine melancholische Einsamkeitsmelodie. Die wurde lauter und lauter. Es wurde später und später. Die Uhr lief. Das Kleid wurde ganz grau im Licht des letzten Filmes. Dann ging sie ins Bett unter die braune, gemusterte Decke, die unter der dicken, blauen Decke schwamm. Sie träumte von großen Reisen. Das ist eigentlich schon alles. Eine schöne Geschichte. In einer fernen Stadt in der Nacht wenn die Geschäfte schließen, steht das Mädchen mit einem anderen Mädchen zusammen an der Eingangstür der Bäckerei und spricht noch ein paar Worte. Man wird sich morgen wieder sehen. Schürze aus, Tür zu.