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Dantons Tod

Nach ungefähr 20 Minuten bekam das Stück auf der Bühne des Schauspielhauses endlich Rhythmus. Es begann das nicht enden wollende Türenklappen, nicht etwa skandalisierter, sondern zu Tode gelangweilten Zuschauer, die an bereits Eingeschlafenen vorbei ins Foyer drängten. Nach einer Stunde war auch bei mir die Erträglichkeitsgrenze überschritten. Dem Programmheft konnte man durch die Bilder entnehmen, dass die verwuschelten, mehr oder weniger bekleideten Darsteller bis zum bitteren Ende ihren Text nuscheln, und dabei Füßchen links, Füßchen rechts, Händchen auf, Händchen ab spielen würden.

Dem Programmheft, in dem nach einer halben Stunde in meiner Umgebung alle anfingen zu blättern, konnte man durch Texte ebenso entnehmen, dass es sich bei den Schauspielschüler-Bewegungs-Übungen um "Idiorhythmie", um "Erschöpfung" und "Ermüdung" drehte.

Konzept! Wieder einmal dürfen wir Zuschauer den Kopfgeburten eines Regieteams beiwohnen (diesmal 'Chétouane'), das aus einem großartigen Stück Theaterliteratur, eine flächige, bräsige, dummdreiste Inszenierung macht.
Versatzstücke der Beliebigkeit, Schritte, Gesten, Drehungen, Handbewegungen in Endlosschleife, sollen vielleicht Müdigkeit und Ausweglosigkeit der Gesellschaft behaupten. Endloses, tonloses Nuscheln dünner Mädchen, lange Texte mit englichem Akzent - ja, so ist die Welt! Kurz und gut, wir müssen, wenn wir den Raum nicht verlassen, zuschauen, wie Schauspielschülerinnen oder Tänzerinnen oder Schauspieler oder 'echte' Menschen - egal - uns den letzten Nerv rauben dürfen. Den Zurückgebliebenen möchte man zurufen: Kündigt die Übereinkunft auf, dass Publikum gequält werden muss. Es muss nicht. Und die Schauspieler möchte man zum Widerstand aufrufen, wenn immer wieder von ihnen verlangt wird, ihre Kunst zu vergessen.

Die Menschen, die ich im Foyer traf, Enttäuschte, die das Theater lieben, fanden, wie ich, den erreichten Wendepunkt auch kritisch für die Intendantin in ihrer zweiten Spielzeit. Die Frage taucht auf, was mittlerweile der Unterschied sein soll zwischen der von der Presse in Bausch und Bogen heruntergeschriebenen Ära Marc Günthers, zu der in Bausch und Bogen hinaufgeschriebenen Ära Karin Beiers. Der Gemischtwarenladen experimentalistischer Zumutungen diverser, prätentiöser Regieteams ist kaum noch zu unterscheiden.
Soll das Theater auf lange Sicht ohne Zuschauer stattfinden, oder was?

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