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Es werden Posts vom 2006 angezeigt.

Weihnachten

Die Nacht wird dunkler wenn die Kerzen scheinen. Es wird auch kälter. Draußen. Und der Kaffee schmeckt süßer weil der Schinken duftet. Gespräche wandern in die Vergangenheit und der Bauch ins Bett. Das Fernsehen tut so, als könnte es kein Wässerchen trüben. Und die Kirche tut so, als könnte sie Weihwässerchen in Geschichten verwandeln. Im Hausflur mischt sich Chorgesang mit gebratenem Fisch. Schnell weg. Der Himmel blickt trübe ins Leere und friert. Gute Nacht

friedliche Tage

und außerdem sind wir jetzt wieder lieb und entspannt und ausgeglichen. Die Familie ist beieinander, der Streit ist beigelegt, die Geschenke sind ausgepackt. Es ist heiß und kalt zugleich. Keine Überraschungen. Friedliche Tage. Süß und fett.

Kaufen kaufen

auf der Rolltreppe:  heute noch mal richtig einkaufen, Pfropfen bilden, hupen, fluchen, stoßen, feilschen, fragen, saufen, wünschen: Schöne Tage, oder: Frohes Fest! Schon alle Grüße verschickt? Können Sie mir das als Geschenk einpacken? Was? Eine Etage höher? Ich war aber zuerst da. Na, die da hinten, die kenn ich doch. Hallo, lange nicht gesehen. Schöne Weihnachten. Ja, danke, Ihnen auch. Tchöö.

Hoffentlich ist bald Karneval

Das Wetter bleibt windelweich. Es gibt keinen Schnee. Klimaerwärmung. Der Moderator des heute-journals sagt am Ende Tschüs-tschüs! Au weia. Die folgende Dokumentation über das russische Geheimdienst-Spektakel mit Todesfolge ist mit viel Schatten, Zeitlupen, verwaschenen Nahaufnahmen und dramatischer Musik verrührt und sagt - gar nichts. Die Dokumentation davor über den deutschen Sommer ist windelweich und mit viel Zeitlupen, Nahaufnahmen, schnellen Schnitten und dramatisch-dämlicher Musik verrührt und sagt - gar nichts. Jetzt kommen noch Jahresrückblicke mit viel Zeitlupen, Ansprachen mit viel Worten, Weihnachten mit viel Essen und dann gibt es bald wieder Tempo, Theater und Karneval. Hoffentlich!

Sommerfilm

Na also. Das ZDF hat eine großartige Dokumentation über die Sommer-WM gesendet, die alles hatte, was Sönke offenbar nicht zeigen konnte. Dramatik, viel zu lachen, aus der Sicht der Fans, von den Straßen Kölns, von fiebernden Menschen, völlig emotionalisierten italienischen Restaurantbesitzern von der Aachener Straße, mit Texten von Thomas Reis, witzig und klug, kritisch. Mitreißende Bilder, ich dachte schon, die bekommen wir gar nicht mehr zu sehen. Sönke Wortmann war einfach zu "unsichtbar", "combatted", ein Teil der bekannten, langweiligen Größen. Wie sehr Fußball Menschen in Bewegung bringen kann, das war schön eingefangen, hatte einen guten Rhythmus. Tränen, Spannung, Pulverfass: Danke an das Team Dehnhardt/ Oldenburg.

Technische Probleme

Jelena Tregubowa, eine Journalistin, sagt ihre Lesereise ab. Der Kontakt zur westlichen Öffentlichkeit sei "im Moment ein lebensbedrohliches Risiko", sagt sie. Ex-Schachweltmeister Kasparow wird kurzfristig aus der Sendung "Christiansen" ausgeladen. "Technische Probleme" heißt es. Dafür talkt Gabriele Krone-Schmalz. Wenn sie spricht gibt es keine "technischen Probleme". Wenig später werden Räume Kasparows in Moskau von der Polizei durchsucht und Material beschlagnahmt. Flugblätter, Ant-Putin-Plakate. Kasparow gehört zur demokratischen Opposition. Ein technisches Problem. "Geschlossen aus technischen Gründen." Das Restaurant "Kolchis" im Zentrum von Moskau ist ein georgisches Restaurant das aufgegeben hat, Polizei, Prüfungen, Überfälle, Drohungen. Georgier sind Freiwild, Tschetschenen sowieso. Skins prügeln in St. Petersburg alle Schwarzhaarigen zusammen. Sie kommen aus guten Häusern und werden nicht verurteilt. Technische

meinen

Wir leben in einer Meinungsgesellschaft. Alle meinen etwas meinen zu müssen. Nach dem so genannten gesunden Menschenverstand wird gemeint was in der letzten Brisant- oder Sondersendung zu sehen war, bestenfalls. Alle meinen, Kunst kommt von können, meinen der Islamismus ist die größte Gefahr, meinen Schröder war gegen den Krieg, meinen die Politiker sind korrupt und meinen wir brauchen geistige Führung und überhaupt. Die meisten meinen zur Demokratie gäbe es keine Alternative, aber plötzlich und unerwartet fallen alle Meinungen wie Dominosteine. Plötzlich ist die Mehrheit anderer Meinung. Der Wind hat sich gedreht. Und wenn alle meinen, dann meinen alle anderen auch. Jemand meint im Fernsehen wir sollten nicht einknicken und schon meinen alle wir sollten nicht einknicken. "Einknicken" wird Lieblingswort. Zusammen mit "ein Stückweit" - der Begriff hält sich schon sehr lange - und "nachhaltig". Wir sollten ein Stückweit nachdenken ob das alles so nachhalti

müde

Ich bin müde. Die Premiere ist vorbei. Alle sitzen im Filos, meiner Stammkneipe. Naxos auf englisch? Das ist für manchen kölschen Griechen etwas zuviel. Ich bin zu hause. Um halb zwei. Endlich Multi-Media auf unsere Bühne! Tony Dunham hat über Computer und Beamer Bilder projiziert über Naxos, die griechische Insel, über seine Familie, seine Bären. Er zeigt Figuren, also, na ja, eben doch keine Media-Show, Geschichten werden erzählt, komisch, melancholisch, also doch Geschichten, Sketche für eine kleine Bühne, mit kleinen Stühlen für die Bären, die nur im Film erscheinen. Es erscheint was fehlt, es wird komisch, was traurig ist. Alte Bekannte sind auch erschienen, schönes Wiedersehen an der Theke des Theaters. Am Ende haben wir zu viert über die Super Nanny gesprochen, die immer dünner wird und uns in eine Wirklichkeit führt, die wirklich ist, zu Menschen, die überfordert sind, die wegschieben wollen, denen ihre Kinder schon zuviel sind. In den Gerichts-Shows sind zwar die Richter echt

neun

Und wenn die erste Kerze raucht Dann hat sich etwas aufgebraucht. Und wenn die nächste Kerze zündet, Dann wird ein Königreich gegründet. Und hat die nächste Kerz' gebrannt Dann kommt der Hofnarr angerannt. Und hat gebrannt die letzte Kerz' Dann schenkt der König Dir sein Herz.

Moers

Im Schlosstheater Moers (Studio) gibt es zur Zeit eine gute Inszenierung zu sehen. Anja Schoene hat "Jugend ohne Gott" (Ödön von Horvath) dramatisiert und inszeniert, ein guter Text in gutem Rhythmus mit drei guten Schauspielern, witzig, klar, temporeich, nachdenklich. Sowas gibt's. Guten Morgen

Appollo 13

Ein Sauerstofftank ist explodiert und eine Seite des Schiffes ist zerstört. Der schwere Körper trudelt im Raum um die eigene Achse und ist kaum mehr zu kontrollieren. Und jemand sagt: wir haben ein Problem. Ich habe mir immer schon gewünscht, fremde Welten zu entdecken und dann wieder nach hause zu kommen. Und jetzt weiß ich nicht mehr, wie ich überhaupt nach hause komme, ob die Spannung reicht. Meine Instrumente haben aufgehört zu leuchten. Die überflüssigen Geräte werden ausgeschaltet, es wird dunkel und kalt. Kondenswasser bildet sich zwischen der Elektronik. Die Schwerkraft des alten Mondes, der fremden Welt, zieht das Schiff auf die Rückseite des Trabanten, in den Schatten, Dort bricht der Funkkontakt ab. Erinnerung an Nichts

Sönkes Film

Eine Bemerkung doch noch. Mein Gott, Sönke! Es war eine schöne WM, es waren gute Spiele, aber sehen zu müssen, dass Frings eine Rede auswendig lernen kann, dass viele Spieler tatsächlich so dumm sind wie wir schon ahnten, dass Klinsmann alle Positiv-Verstärken-Psycho-Tricks drauf hat, dass ein ganzer Film zum verlängerten Video-Clip für den unsäglichen Xavier Naidoo wird, das war nicht nötig. Ich will den Sommer schön in Erinnerung behalten. Gute Nacht

Magie

Es war noch nicht abgepfiffen, als die Zuschauer schon scharenweise das Stadion verließen. Mein Freund Reis saß noch bis zum bitteren Ende. "Der Abend war so schön bis zum Anpfiff", sagte er. Die Magie des Daum-Empfangs löste sich auf in eine Gleichung mit elf Bekannten. Was ist das mit der Magie? Stadion, Flutlicht, zweite Liga, den Anschluss nicht verpassen. Daum ist Trainer, er steht für eine magische Vergangenheit, aber Hässler, Litbarski, Kohler, Povlsen sind entschwunden. Eine Zukunft ist noch nicht angebrochen. Also die Mühen der Ebene, ein grauenhaftes Spiel, verloren, wieder einmal. Das Personal ist real in Unordnung und Angst gefangen, geistig nicht auf der Höhe. Es verweigert sich der Magie. Das große Theater bleibt aus, das Happy-End fehlt. Ich bin nicht zur Theaterpreisverleihung, obwohl, Andreas Robertz hätte ich gerne zum Preis gratuliert. Aber zurück zur Magie. Ich fiebere also im Stadion auf den Augenblick hin, der nicht kommt. Wie war das, wie wird das

Investivlöhne

Nach dem CDU-Parteitag gibt es ein neues Zauberwort: "Investivlöhne". Ich fand, es hat sowieso schon viel zu lange gedauert, dass die Arbeiterschaft (-klasse kommt mir nicht mehr über die Tasten) in das schon nicht mehr ganz taufrische System des globalen Kapitalismus (das Wort geht) besser zu integrieren, auf dass diese Arbeiterschaft, die ja schon ununterbrochen protestiert, den Eindruck hat, doch dazu zu gehören. Nicht nur zum Hartz-System, sondern zum System! Arbeiter und Protest, fragen Sie? Achten Sie einmal auf die Bilder mit den Menschen mit den Trillerpfeifen im Mund, in jeder zweiten Tagesschau. Das ist protestierende Arbeiterschaft. Auch jenseits dieser Bilder wurde in der letzten Zeit die Kritik immer lauter an der Logik der Ausplünderung, des Lohnverzichts bei gleichzeitiger Anhebung der Gehälter von Spitzen-Managern, die zum Dank dann doch die Entlassungen der Massen verfügen, die sich dann bald darauf Trillerpfeifen in den Mund stecken. Allein um das in Zukunf

Dunkelheit

Der Hinterhof ist feucht wie ein Sumpf nach diesem ungewöhlich warmen Novemberregen. Mücken haben sich versammelt. Sie haben durch das Fenster gesehen, dann haben sie sich abgesprochen, sind eingedrungen, denn das Licht scheint so gemütlich. Ich höre meine persönliche Unruhestifterin erst, wenn ich gerade eingeschlafen bin, wenn sie ganz dicht an mein Ohr geflogen kommt, mutig mit ihrem Mückensopran ganz leise in die Hörmuschel singt. Dann aber hat sie schon zugestochen. Ganz langsam schwirrt sie ins Dunkle um den Staffelstab der nächsten Unruhestifterin zu überreichen. Eine nach der anderen naht heran. Wenn ich sie erblicke, sind sie auch schon wieder verschwunden. Ich mache Licht, ich schlage ins Leere, ich nehme ein Buch und lese ungeduldig. Morgen weiter?

Es geht mit gut!!!

"Ich wünsch Euch einen grandiosen Tag, genießt ihn!" - "Lebe Deinen Traum" - "Es geht mir gut! Es geht mir guut!!!!!!!" Nein, das sind nicht meine Morgenwünsche. Das ist nur ein kleiner Ausschnitt aus Werbung und Show, der schon in aller Kürze die Hysterie andeutet, welche sich in irrem Lachen, in Befreiungsschreien und zum Himmel gereckten Armen zeigt. In der Wirklichkeit fetzt das noch krasser. Schnösel aller Art, immer einen Kaipi vor dem Milchgesicht, beherrschen alle Schablonen der guten Laune, vom Kurz-Zuprosten, Augenzwinkern und permanentem Abklatschen bis zu Daumen-Hoch-Gesten. Sie wachen über die gute Laune, den ganzen Tag lang. Früher hieß das noch: "Prost, prost, Kameraden..." bedeutet aber das Gleiche. Die Stimmung war blut- und bodenständiger. Der Kongress tanzte. Heute ist das Positiv-Denken-Gekreische allgegenwärtiger und totalitärer. Es ist längst wie eine bunte Suppe über die ganze Gesellschaft und in alle Ritzen geflossen. Au

Kartoffeln

Die Bundes-CDU will sich "breit aufstellen." Manche sind schon "gut unterwegs". Viele auch sind "ein Stückweit" der Meinung, es solle sich bald einmal etwas ändern, so mit der Kulturförderung und ein Stückweit auch mit der Bildung und dem Klima und so. Sonst sei bald alles vorbei. Wie richtig, wie schön. Und wir sollten nicht immer schimpfen. Auch mal loben, loben, loben. Ich glaub, ich lese noch etwas. Das selbe Buch wie gestern? " Ich träumte, dass ich versuchte einzuschlafen, um mich von der Furcht auszuruhen. Ich wollte nicht träumen. Ich wachte auf, duschte, trank einen Schluck kalten Kaffee, setzte mich an die Schreibmaschine und schrieb. Jemand stieß mit der Gabel zu. Die Kartoffeln waren erschüttert und lagen erschrocken und blass in der Ecke des Tellers. Sie zogen sich in die Anonymität zurück, in eine gesichtslose Menge blasser Kartoffeln. Sie wurden mehlig, kippten vom Tellerrand, rollten in die dünne Soße, verlacht und verlassen. De

Stimmen

In China ist ein altes englisches Küstenstädtchen nachgebaut worden, bis in den letzten Winkel, ohne den Schmutz, ohne den Wind, ohne abgeblätterte Farbe. Die Schilder an den Pubs sind falsch geschrieben, das Churchill-Denkmal ist neu und glänzt sehr dick. Chinesen lassen sich davor fotografieren. Stimmen aus England sprechen von Disneyland und klingen traurig oder gleichgültig. Ich habe noch gelesen: "Ich wollte träumen, ich sei nicht eingeschlafen. Ich hörte Geschirr klappern, gegenüber, auf der anderen Straßenseite, hinter einem geöffneten Fenster. Das Klappern schlug von der Wand zurück, wurde leiser und machte müde. Ich träumte von Stimmen. Ich hörte Stimmen, die vom Essen sprechen, hinter den Fenstern, Stimmen, die von Gegenständen sprechen. Alles lebt durch Stimmen, dachte ich. Stimmen machen sogar Tote wieder lebendig. Darum bin ich zum Theater gekommen. Aber der kleine, rote Vorhang hatte sich wieder geschlossen. Die falschen Leute hatten gelacht für die falschen Leu

Broken Dreams Club Band

Zurück zu den Beatles. Die Platte ist wirklich phantastisch. "Love" ist ein Experiment, das zeigt wie ein Universum geöffnet werden kann, wie alte Musik neu klingen kann, ohne 'hip' werden zu müssen. George Martin, der 'Fünfte Beatle' aus den Abbey Road Studios hat die Songs der 'Fab Four' noch einmal gelesen, erspürt, mit Möglichkeiten gespielt, neue Zusammenhänge gefunden, witzige Fußnoten angefügt, eben ohne den Geist der Musik zu beschädigen oder umzubauen. Ein reines Vergnügen. Wenn wir doch im Theater auch wieder so weit kommen könnten. Stichwort Theater: Daum kommt tatsächlich. Kaum zu fassen. Hoffnung auf Erlösung, Enttäuschung, Absage, harter Fall, Nachdenken, Gerüchte, Zittern, Zusage. In der Kultur ist die Reihenfolge meist umgekehrt. Aber im Fußball? Der Retter kommt. Ab Morgen 'Lucy in the sky with diamonds'. Die große Zukunft vor Augen hat der FC prompt gegen 60 München verloren (um den Kontrast deutlich zu machen?) Es war aber

Saudämlich - und noch viel mehr

Aus der Reihe: Ich bin doch saublöd! Muss ich diese Krach und Knallwerbung eines Billig-Marktes immer und immer wieder anhören? Ja, wenn ich König von Deutschland wär'... aber so schnell kann niemand umschalten, vor allem weil diese Musik im Kopf weiter arbeitet, weil sie geläufig ist und weil sie erinnert an Anarchie, an Widerstand, an "Bild macht dumm", an eine erregende Zeit. Und jetzt verbindet sie sich mit "Unterschicht", "hol mir mal ne Flasche Bier", an T-Shirts mit "Zicke"-Aufdruck, an saudämlich... Stimmt. Ich kauf mich dumm. Aber wehe, wer anfängt die Musik weiter zu hören: "Macht kaputt, was Euch kaputt macht!" Gute Nacht

Ach, hätte

Übrigens, jetzt ist es offiziell, Essen wird Kulturhauptstadt Europas. Der Bürgermeister redet von einer wahnsinnigen Palette, von Grönemeier bis Avantgarde-Kultur. Oh, das hätten wir nicht hinbekommen. Ich glaub, ich gehe lieber zum FC und anschließend ins Früh bis Kölsch. Dann den Kopf heißreden. Später vor dem Fernseher noch die Spielberichte und ein Seufzer: Ach, hätte der Daum doch damals zugesagt.

Die Stadt, das Geld und die Kultur

Unter Druck gibt die Stadt viel Geld - Geld, das nötig ist. Zum Beispiel € 2.200.000.- für eine zusätzliche Großleinwand zur  Fußballweltmeisterschaft  am Rhein, ungedeckt vom Haushalt der Stadt. Für den nächsten Haushalt sollen € 3.000.000.- mehr für die  Sauberkeit  in unserer Stadt ausgegeben werden. Das ist nötig, findet auch die grüne Fraktion. Das ständige Gerede über eine 'Kulturstadt' Köln hatte bis heute, auch nach der kläglich gescheiterten Bewerbung zur 'Kulturhauptstadt Europas' (das wird Essen) natürlich keine Konsequenzen. Auch nicht im Haushalt. Für den normalen Kölner Unterschichtler genügen zusätzliche Mülleimer, um seine Flasche Bier und den Express getrennt wegwerfen zu können. Ein Blick aus dem Mallorca-Flieger auf das blaue Zelt des Musical-Doms, ja, hurra! Dort liegt die 'Kulturstadt'. SPD und Grüne meinen:  Kein Geld zusätzlich für Kultur  (immerhin liegen wir ja bundesweit noch an 27. Stelle), der Hauhalt sei nicht gedeckt. Der Kult

Lesen? Spielen?

Wochenende in Ehrenfeld. Im 'Goldmund' eine Diskussion über den türkischen Autor und Nobelpreisträger Orhan Pamuk. Die hatte Windungen und Wendungen: interessant!  Pamuk sitzt zwischen allen Stühlen . Für die Nationalisten ist er zu wenig patriotisch, für die Linken zu unkritisch, für die Religiösen zu wenig religiös. Und für die Leser? Er kreiert Bilder, was er schreibt ist reine Poesie, sagt jemand, ein Mann bestätigt, der Schnee sei genau so, wie er ihn schildere, genau so. Jemand sagt, einfache Menschen lesen seine Bücher nicht, seine Sätze seien zu kompliziert. Thomas Mann, Kafka, würden sie sich heute verkaufen können, wenn sie nicht schon längst zum Kanon gezählt würden? Wären ihre Bilder, ihre Sätze heute nicht auch viel zu kompliziert? Jeder Schreiber braucht einen Leser. Dieser Leser, diese Leserin also, muss ihn (sie) aber auch verstehen können.  Wir müssen wieder 'lesen' lernen . Wer versteht denn noch die Filmsprache eines Truffaut (wo bleibt die Action?)

Krimi

Heute schweigen und fernsehen. Krimi. "Für Jugendliche nicht geeignet!" Guter Witz. Martialische Synthi-Basstöne begleiten die Rede eines alten, harten Mannes, der bei Europol gegen organisierte Kriminalität zu Felde ziehen will. Schnitt auf einen Kriminellen im Anzug, der seine Frau würgt, weil sie ihn verlassen will, weil sie etwas weiß und deshalb würgt er sie. Synthi-Bässe sind selbstredend wieder mit von der Partie. Schnitt. Jetzt kommen Zupfinstrumente und Synthi-Geigen dazu. Später Hörner. Die Blondine des Gangsters ist entweder bald tot oder verliebt sich in einen jungen Polizisten. Ich tippe auf Letzteres. Aus! Gestern bei 'Christiansen': auch Männer in Anzügen. Schröder war dabei. Ach ja, der hat ein Buch geschrieben und meinte auch hier wieder sagen zu müssen, sein Freund Putin sei ein Demokrat und der Staat müsse stark sein und in Russland gäbe es keine Todesstrafe. Ach, der Mann von Europol ist übrigens gerade niedergeschossen worden. Im Fernsehen. Und

Business Theater

Heute Mittag im Radiofeuilleton. Ein Beitrag über Business-Theater. Da erzählen freie Theatermacher aus Frankfurt über die wenigen Möglichkeiten, freies Theater noch zu finanzieren. Wir spielen einfach für die, die zahlen. Da fragt der Konzern: Wieviel kostet denn die halbe Stunde? Da wächst der Zorn, aber wir brauchen das Geld, sagt jemand. Wir produzieren für die Wirtschaft, oder für den Publikumsgeschmack. Zum Beispiel 'Caveman'. Das wird gut besucht. - Ein Stück über warum Frauen immer Schuhe kaufen müssen. Die Inszenierung hat Esther Schweins konzipiert. - So ähnlich erzählt eine Theatermacherin. Sie hat verstanden, dass Inszenierungen nur noch konzipiert, statt gemacht werden. Und dass Stücke keinen Autor mehr haben. Und Esther Schweins, die Gutaussehende, hat ihren Namen schon unter so viele Cavemen gesetzt, dass kaum zu fassen ist, in wieviel Paralleluniversen sie inszenieren, moderieren, konzipieren und repräsentieren kann. Wir finden 'Esther' auf dem Datenträg

Razz-Fazz! Oder: Die unerträgliche Schwere des Bewusstseins

Die Sonne hängt tief und leuchtet grimmig auf die freie Szene. Still und hell. Gleichzeitig stürmt ein geradezu konventioneller Wind über die Dächer der Theater Kölns und bewegt so manches tote Blatt, so sehr dieses sich auch zu wehren versucht. Der ganze Tag hängt in den Seilen. Im katholischen Köln wird Allerheiligen gefeiert, also nicht wie Karneval, sondern im Gegenteil, bei diesem Event wird inne gehalten. Auch die andere Sonne, die Sonne der Kultur hält still und steht so tief, dass, wie das schöne Sprichwort sagt, selbst Zwerge lange Schatten werfen. Wir warten, dass zumindest ein Wind etwas bewegt, umsonst. Meine Inszenierung von „Mann ist Mann“ ist gelungen und läuft. Sie macht „Lust auf Theater“, wie der Stadtanzeiger schreibt, und das Publikum ist sehr amüsiert und auch beeindruckt von der Geschichte des Mannes Galy Gay, der um jede Ecke mitgeht, um seinen Spaß zu haben oder seinen Schnitt zu machen. Irgendwann, während einer Scheinerschießung durch die Soldaten, denen e

Liebe ist alles

Und dann gehen wir zu einer Premiere nach Bochum und sehen "afterdark" von Murakami und wir haben gelesen den leichten, sanften Ton, die entspannnte Welt der Zwischentöne und Zwischenwelten, die erstaunlichen Räumlichkeiten, die fremde Luft. Wir sehen aus dem Dunkel auf der Bühne verkrampfte, tönenede, nervöse, theatralische Großstadtfiguren (verstörte), in einer inszenierten Großstadtkälte, natürlich Videoprojektionen (gibt es heute überhaupt noch Theater ohne Beamer?) Und wir trinken Bier und Wein danach, in der schönen, leisen Theater-Bar, weil es noch regnet in Bochum. Der VFL hat 1:1 gegen Dortmund gespielt und, wie ich erfahre, der FC nur 0:0, und wir essen Käse und Früchte, später, im lauten Hotelrestaurant, benutzt von lauten Menschen, läuft die Kellnerin hin und her und bringt Kölsch. Meine Liebste hat ein schönes Kostüm an und wir sehen uns in die Augen - und es bleibt Liebe, Liebe, die uns verbindet und es bleibt die andere Welt. Und die ist wirklich. Und später z

Im Bild

Oh Gott! Deutsche Soldaten haben in Afghanistan einen Totenschädel in die Kamera gehalten. Eine Sondersendung jagt den nächsten Brennpunkt. BILD hat der Wahrheit zum Durchbruch verholfen. "Widerlich, ekelerregend!" Wie bitte? Wieso wundern wir uns eigentlich immer wieder, dass Soldaten saufen, pöbeln, Trophäen sammeln, Witze reißen (Deutsche), Gefangene demütigen (Engländer), foltern (Amerikaner), oder ganze Familien massakrieren (Russen)? Soldaten tragen auch Waffen (Ach, du lieber Himmel), und erschießen Menschen (ist das so geplant?) um den Frieden zu sichern (ach so). Schlaft recht schön.

übrigens

Übrigens, der Stellenwert Kölns (Pro-Kopf-Ausgaben  für die Kultur ) ist mittlerweile  Rang 27 ! Übrigens, Köln ist immer noch die  viertgrößte  Stadt Deutschlands. Übrigens, die mangelnde Aufmerksamkeit, die mangelnde finanzielle Ausstattung ist schon seit vielen Jahren (Seufz!)  das  Thema der Kulturpolitik. Denn der Tabellenstand ist nicht neu. Die 'freien' Künstler und Kulturschaffenden, die Kölner Theaterkonferenz, der Initiativkreis Freie Musik, das KulturNetz Köln, um nur wenige zu nennen, predigen, fordern, bitten, analysieren, protestieren immer und immer wieder und - arbeiten weiter. Und sie hören: Ja, Sie haben Recht. Ja, es muss sich endlich etwas ändern. Ja, Kultur hält eine Stadt zusammen. Ja, sie ist ein entscheidender Standortfaktor. Ja, jetzt haben wir gelernt. Ja, wir arbeiten eng mit Ihnen, den Künstlern, den Kulturschaffenden, zusammen. Übrigens, es ist nichts geschehen, übrigens, wir werden keine Kulturhauptstadt Europas. Übrigens, wir müssen endlich ein

Gruscheln

Die neuste Sucht unserer kaugummikauenden Studis, die einsam, jenseits der Clubnächte, die Lippen zugetackert, auf ihre Tastatur hacken müssen, um sich Fotos aus dem Badeurlaub einer süßen Gruschel-Tante anzusehen, um sie, also die Tante, dann anzuschreiben, um sie zu fragen, welches denn ihr Lieblingsfilm ist, oder ihre Lieblingsfarbe, was man sonst schwer herausbekommt, um sie, also die Tante, dann zu fragen, ob sie ein Stückweit ein Bisschen mitessen möchte in der Mensa (wo ist die denn? lol). Gemeinsam einen Spaziergang durch die Orientierungslosigkeit, Poesie-Album und Freundschaftsbänder sind Vergangenheit. Aber wie soll man denn dann einem scheuen Studierchen richtig nahe kommen? Die Technik greift ein. ‚Gruscheln’. Ein Thema im Nachtmagazin der ARD. Gruscheln ist  grüßen und kuscheln . Oder:  aktives Kennenlernen , wie ein Befragter in die Kamera sprülzte (sprechen und sülzen). Oh Gott! Ich denke gerne an meine Zeit des passiven Kennenlernens zurück. So Angesicht zu Angesicht

Ich wollte einen Fisch kaufen, jetzt ziehe ich in den Krieg.

Absetzung einer Oper wegen Terrorgefahr. Sieg der Angst? Wir diskutieren über vorauseilenden Gehorsam, über Selbstzensur. Jetzt wollen alle die Freiheit der Kunst behaupten, die wir doch schon lange preisgegeben haben im Sumpf des pompösen Kitsches, der Verlogenheit von Tele-Novelas, der Mega-Top-Events, der Monumental-Opern, der Eichinger-Filme, der Verkaufs-Shows, der Effenberg-, Bohlen- und Eva-Herrmann-Bücher. Heißt das Fernsehen, Theater, Lesen? Wer sagt nein zu denen, die tatsächlich und ununterbrochen Kultur aus der Öffentlichkeit verbannen, weil Bücher, Filme, Musicals nur noch nach ihrem Verkaufswert gemessen werden. Von der Traumfabrik zum Block-Buster, von der Phantasie zur Fantasy, vom Theater zur Performance. Von der Förderung freier Kultur zum Abschied von freier Kultur. Da sich das deutsche Theater immer erfolgloser um sich selbst dreht, bestimmt es seinen Marktwert über leichte Kost (für die Abonnenten) und, auf der anderen Seite, über Skandalisierung, Provokation (f

Being Lawinky

Ein Schauspieler (nennen wir ihn Lawinky), hatte dem Kritiker (nennen wir ihn Stadelmaier) in Frankfurt ein totes Huhn auf den Schoß geworfen, ihm den Schreibblock entrissen und ihn beschimpft. Der Kritiker verließ die Premiere. Einen Tag danach war auch in Köln, nach der Premiere der 'Galotti', in Gesprächen eine kaum verhohlene  Freude zu entdecken, dass endlich ein Schauspieler auf einen kritiksüchtigen Kritiker losgegangen war, um es ihm heimzuzahlen. Für Köln schien der Übergriff eine Art Ersatzhandlung zu sein, denn mancher Kulturschaffende dieser Stadt fühlt sich von einem provinziellen Kulturteil und einer schlecht gelaunten Kritikerin ebenso geschlagen, wie mit einem vollständig gestörten Verhältnis zu Kritik und Kulturdebatte überhaupt. Der Fall 'Lawinky' ist aber ein Exempel, eine ernste Zuspitzung. Ich wäre vorsichtig mit dem Begriff: Angriff auf die Pressefreiheit, aber man muss Herrn Stadelmaier zustimmen, diese Art von Enthemmtheit ist die Konsequenz