Die Sonne hängt tief und leuchtet grimmig auf die freie Szene. Still und hell. Gleichzeitig stürmt ein geradezu konventioneller Wind über die Dächer der Theater Kölns und bewegt so manches tote Blatt, so sehr dieses sich auch zu wehren versucht. Der ganze Tag hängt in den Seilen. Im katholischen Köln wird Allerheiligen gefeiert, also nicht wie Karneval, sondern im Gegenteil, bei diesem Event wird inne gehalten.
Auch die andere Sonne, die Sonne der Kultur hält still und steht so tief, dass, wie das schöne Sprichwort sagt, selbst Zwerge lange Schatten werfen. Wir warten, dass zumindest ein Wind etwas bewegt, umsonst.
Meine Inszenierung von „Mann ist Mann“ ist gelungen und läuft. Sie macht „Lust auf Theater“, wie der Stadtanzeiger schreibt, und das Publikum ist sehr amüsiert und auch beeindruckt von der Geschichte des Mannes Galy Gay, der um jede Ecke mitgeht, um seinen Spaß zu haben oder seinen Schnitt zu machen. Irgendwann, während einer Scheinerschießung durch die Soldaten, denen er sich angeschlossen hat, spätestens dann, stürzt diese heitere Geschichte ab in Beklemmung, der Mann steckt in der Falle, das Publikum auch.
Das Stück von Brecht, mit dem die Kritik schon vor achtzig Jahren Schwierigkeiten hatte, gerät wegen des vordergründigen Soldaten-Themas oft in Gefahr überinterpretiert zu werden. Entweder es wird zur Kabarett-Nummer, wie gegenwärtig am BE (das Theater hinter dem Brecht-Denkmal, neben der „Ständigen Vertretung“, wo der Rheinländer Kölsch trinkt), oder das Stück wird zur Polit-Parabel, zum Gleichnis gegen den Krieg, der gerade vorgesehen ist. 1969 hatte das BE in Ost-Berlin die wunderbare Idee, die Inszenierung mit dem Vietnam-Krieg zu verbinden. Ich habe die Versuchungen auch gesehen, Bilder von Abu Ghoreib und Ähnliches in der Inszenierung unterzubringen. Ich habe es gelassen.
In dieser Inszenierung ist das Thema nicht in erster Linie Militarismus, sondern: Wieviel ICH ist nötig, wieviel Individuum ist möglich? Wohin führt Anpassung, freiwillige Aufgabe von Identität? In unserem Theater öffnet sich ein Spielraum, der von der Bühne ins Publikum führt, von einem Zaun begrenzt, der uns in das ‚Überall’ von Camp, Pagode und „Kilkoa“ führt. Die Soldateneinheit, immer von vier jungen Männern gespielt, ist in dieser Inszenierung eine abgerissene Truppe, darunter eine Frau, wie so viele Frauen in den Armeen dieser Welt – und ein Inder, eingepasst in die Kolonialarmee.
Was Brecht wollte, schildert er so: erstens: Klamauk, zweitens: die Schrauben werden angezogen!
Die Szenenfolge erinnert an eine lebendig gewordene ‚Puppenkiste’, Songs von Paul Dessau, melancholische Einschübe in das temporeiche Treiben, arrangiert für Gitarre vom Komponisten Albrecht Zummach…
Während ich das beschreibe, fällt mir auf, dass schon diese Elemente der Inszenierung in mancher Rezension weder gesehen noch beurteilt worden sind, es gibt überhaupt kein Beschreiben des Gesehenen, es gibt nur Kommentare zu Gelerntem und Gelesenem. Vorurteile und Dogmen, die mit dem Bühnengeschehen nichts mehr zu tun haben. Genau so, wie viele Inszenierungen des zeitgenössischen Theaters mit Textvorlagen nichts mehr zu tun haben. Manche ‚Kritiker’ finden einfach durch die eigenen, verstopften Hirnwindungen den Weg ins Theater nicht mehr.
Allein das Theaterspielen scheint Einige schon so zum Schäumen zu bringen, dass sie nur noch um sich schlagen, unter dem Motto: Wer wagt es, diesen unmodernen, anti-multi-medialen Brecht immer noch zu spielen? Das äußert sich dann in Sätzen wie: "Zwischendurch wird auch gesungen. Brecht eben." (Frau N.)
Noch schlimmer treibt es aber ein Kritiker des Kino-Magazins ‚Choices’, Herr Z., der wie von Sinnen auf die Inszenierung einprügelt, weil ihm die ‚Aktualisierung’ fehlt.
Ja! Auf unserer Bühne gab es noch nie Multimedia-Projektionen von explodierenden Häusern oder rollenden Panzern, oder Fotos aus dem Irak, um das Thema „Krieg“ zu bebildern.
Dass Soldaten, die in „Mann ist Mann“ saufen, plündern und ein bisschen quälen, etwas mit unserer Zeit zu tun haben könnten, darauf kann natürlich niemand kommen. Dass eine ‚Aktualisierung’ im Kopf entsteht, ist neunmalklugen Theaterhassern fremd.
Aber darüber wird schon gar nicht mehr diskutiert, die meisten Bühnen stehen heute mehr und mehr unter einer Diktatur der Experimentier-Fanatiker und ihrer Propagandisten. Trostloser geht es kaum.
Ich glaube, ich sollte ganz schnell einen Hamlet inszenieren, der natürlich in Afghanistan spielt – und in der Totengräber-Szene müssten alle in Bundeswehruniformen stecken. Herr Z. würde jubeln über so viel Aktualität und Frau N. würde auch etwas verstehen, aber erst, wenn die Zahlen der Opfer in Afghanistan plus die Aktienkurse des Tages auf einer Laufschrift leuchten würden. Toll! Multimedia!
Wir sollten uns umbenennen in eine Gruppe mit einem lustigem Namen, oder mit punkt.com und natürlichalleskleingeschriebenundineinemwort und ich sollte unendliche Textflächen gleichzeitig sprechen lassen und dann… nein, lieber doch nicht.
Gute Nacht
Auch die andere Sonne, die Sonne der Kultur hält still und steht so tief, dass, wie das schöne Sprichwort sagt, selbst Zwerge lange Schatten werfen. Wir warten, dass zumindest ein Wind etwas bewegt, umsonst.
Meine Inszenierung von „Mann ist Mann“ ist gelungen und läuft. Sie macht „Lust auf Theater“, wie der Stadtanzeiger schreibt, und das Publikum ist sehr amüsiert und auch beeindruckt von der Geschichte des Mannes Galy Gay, der um jede Ecke mitgeht, um seinen Spaß zu haben oder seinen Schnitt zu machen. Irgendwann, während einer Scheinerschießung durch die Soldaten, denen er sich angeschlossen hat, spätestens dann, stürzt diese heitere Geschichte ab in Beklemmung, der Mann steckt in der Falle, das Publikum auch.
Das Stück von Brecht, mit dem die Kritik schon vor achtzig Jahren Schwierigkeiten hatte, gerät wegen des vordergründigen Soldaten-Themas oft in Gefahr überinterpretiert zu werden. Entweder es wird zur Kabarett-Nummer, wie gegenwärtig am BE (das Theater hinter dem Brecht-Denkmal, neben der „Ständigen Vertretung“, wo der Rheinländer Kölsch trinkt), oder das Stück wird zur Polit-Parabel, zum Gleichnis gegen den Krieg, der gerade vorgesehen ist. 1969 hatte das BE in Ost-Berlin die wunderbare Idee, die Inszenierung mit dem Vietnam-Krieg zu verbinden. Ich habe die Versuchungen auch gesehen, Bilder von Abu Ghoreib und Ähnliches in der Inszenierung unterzubringen. Ich habe es gelassen.
In dieser Inszenierung ist das Thema nicht in erster Linie Militarismus, sondern: Wieviel ICH ist nötig, wieviel Individuum ist möglich? Wohin führt Anpassung, freiwillige Aufgabe von Identität? In unserem Theater öffnet sich ein Spielraum, der von der Bühne ins Publikum führt, von einem Zaun begrenzt, der uns in das ‚Überall’ von Camp, Pagode und „Kilkoa“ führt. Die Soldateneinheit, immer von vier jungen Männern gespielt, ist in dieser Inszenierung eine abgerissene Truppe, darunter eine Frau, wie so viele Frauen in den Armeen dieser Welt – und ein Inder, eingepasst in die Kolonialarmee.
Was Brecht wollte, schildert er so: erstens: Klamauk, zweitens: die Schrauben werden angezogen!
Die Szenenfolge erinnert an eine lebendig gewordene ‚Puppenkiste’, Songs von Paul Dessau, melancholische Einschübe in das temporeiche Treiben, arrangiert für Gitarre vom Komponisten Albrecht Zummach…
Während ich das beschreibe, fällt mir auf, dass schon diese Elemente der Inszenierung in mancher Rezension weder gesehen noch beurteilt worden sind, es gibt überhaupt kein Beschreiben des Gesehenen, es gibt nur Kommentare zu Gelerntem und Gelesenem. Vorurteile und Dogmen, die mit dem Bühnengeschehen nichts mehr zu tun haben. Genau so, wie viele Inszenierungen des zeitgenössischen Theaters mit Textvorlagen nichts mehr zu tun haben. Manche ‚Kritiker’ finden einfach durch die eigenen, verstopften Hirnwindungen den Weg ins Theater nicht mehr.
Allein das Theaterspielen scheint Einige schon so zum Schäumen zu bringen, dass sie nur noch um sich schlagen, unter dem Motto: Wer wagt es, diesen unmodernen, anti-multi-medialen Brecht immer noch zu spielen? Das äußert sich dann in Sätzen wie: "Zwischendurch wird auch gesungen. Brecht eben." (Frau N.)
Noch schlimmer treibt es aber ein Kritiker des Kino-Magazins ‚Choices’, Herr Z., der wie von Sinnen auf die Inszenierung einprügelt, weil ihm die ‚Aktualisierung’ fehlt.
Ja! Auf unserer Bühne gab es noch nie Multimedia-Projektionen von explodierenden Häusern oder rollenden Panzern, oder Fotos aus dem Irak, um das Thema „Krieg“ zu bebildern.
Dass Soldaten, die in „Mann ist Mann“ saufen, plündern und ein bisschen quälen, etwas mit unserer Zeit zu tun haben könnten, darauf kann natürlich niemand kommen. Dass eine ‚Aktualisierung’ im Kopf entsteht, ist neunmalklugen Theaterhassern fremd.
Aber darüber wird schon gar nicht mehr diskutiert, die meisten Bühnen stehen heute mehr und mehr unter einer Diktatur der Experimentier-Fanatiker und ihrer Propagandisten. Trostloser geht es kaum.
Ich glaube, ich sollte ganz schnell einen Hamlet inszenieren, der natürlich in Afghanistan spielt – und in der Totengräber-Szene müssten alle in Bundeswehruniformen stecken. Herr Z. würde jubeln über so viel Aktualität und Frau N. würde auch etwas verstehen, aber erst, wenn die Zahlen der Opfer in Afghanistan plus die Aktienkurse des Tages auf einer Laufschrift leuchten würden. Toll! Multimedia!
Wir sollten uns umbenennen in eine Gruppe mit einem lustigem Namen, oder mit punkt.com und natürlichalleskleingeschriebenundineinemwort und ich sollte unendliche Textflächen gleichzeitig sprechen lassen und dann… nein, lieber doch nicht.
Gute Nacht