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Die Gartenschau...

ist auch nicht mehr unschuldig.

Das Thema Kostüm ist ein schwieriges geworden, sagt eine Moderatorin im WDR. Der Inhaber eines Kostümverleihs in Köln erzählt von der besonderen Vorsicht vor allem der jungen Leute. Kein Scheich, kein Indianer… Vor zwei Jahren hat man sich zu Karneval noch ein Betttuch übergeworfen, heute haben die jungen Leute Angst damit einen Scheich zu beleidigen.

Um die Ecke meines Theaters gab es „Altentheater“. Viele ältere Menschen hatten dort Spaß am Spiel.

Auch eine Tanzgruppe von Seniorinnen der AWO hatte sich anlässlich der Bundesgartenschau 23 ein besonderes Programm einfallen lassen: „Weltreise“. Mit phantastischen, zum großen Teil selbstgenähten Kostümen sollte diese Reise um die Welt auf die Bühne kommen. Doch dann knallte es: „Wir sollen die spanischen Flamenco-Kostüme, den orientalischen Tanz, den mexikanischen Tanz mit Sombreros und Ponchos, den japanischen Tanz mit Kimonos, den indischen mit Saris und den ägyptischen Tanz, in dem wir als Pharaoninnen verkleidet sind, nicht zeigen,“ sagte Erika Schmaltz, Gründerin des AWO-Balletts.

Co-Trainerin Marianne Nannig erzählt: „Ich wurde schnell abgekanzelt mit dem Argument, unsere Kostüme seien kulturelle Aneignung“.

Die Kulturprogramm-Leitung der BUGA23 begründet die Vorwürfe in der verqueren Sprache der Ideologen: Es seien „vor dem Hintergrund der aktuellen Diskussion zur Sensibilität für kulturelle und religiöse Codierungen Bedenken an der Wirkung einiger Kostüme aufgekommen“.

Die Frauen zwischen 60 und über 80 Jahren, hatte sich im Rahmen des „Beteiligungsprozesses für die Gestaltung des BUGA 23-Kulturprogramms“ beworben. Das Angebot als solches fand die BUGA 23-Jury natürlich gut, alte Frauen die tanzen, das klang bunt, divers, achtsam und sensibel. Aber dann - Schreck lass nach - mussten die Damen auch noch Kostüme tragen. Sofort war klar: Das kann nicht zugelassen werden. Bevor es wieder zu einem Internetsturm aus Scheiße kommen würde, musste man die Frauen wegen Rassismus verurteilen. Zunächst wollten die Seniorinnen das Verbot nicht hinnehmen und ihre Show entweder ganz oder gar nicht aufführen.

Aber der Sensibilitäts-Zug weltweit verletzter Gefühle rollte unaufhaltsam. Darin saß nun die BUGA mit den üblichen Verdächtigen. Veranstalter, Theater-Intendanten, Kulturbürokraten, Beiräte, Juroren, Journalisten und Aufsichtsbehörden der Herrschaftskultur. Sie haben zur Hauptaufgabe erkoren, entartete Kunst auszumerzen.

Der Leiter des BUGA 23- Kulturprogramms, Fabian Burstein, erklärte: „Uns geht es nicht um Verbote“ - die erste Lüge - „Viel mehr werben wir für einen reflektierten Umgang mit kulturellen Codes. Wir haben für heute Abend ein Gespräch mit den Vertreter*innen“ - ach ja, hier haben wir auch wieder das Fahne-Hissen der Sternchen-Hysteriker, die meinen, sich mit Deformation der Sprache den Orden „Achtsamer Gerechtigkeitskrieger“ verdienen zu können - aber weiter im Text - der Kultur-Überwachungs-Ausschuss hatte also „ein Gespräch mit den Vertreter*innen der AWO vereinbart“ , das Ziel, so log der liebe Fabian weiter, sei: …Die Vielfalt der Kulturen erlebbar zu machen, ohne sie in einem missverständlichen Kontext zu setzen.“

Wer hat hier was missverstanden? Der „Kompromiss“ bestand nach dem Verhör - dem Gespräch - schlicht aus Verboten und Verfälschungen. Achtung:

Aus den „Pharaoninnen“ sollen nun ägyptische Arbeiter werden, die „Mexikaner“ sollen sich mit Ponchos begnügen, Sombreros sind gestrichen - auch Kimonos sind verboten, die „Asiatinnen“ sollen ein moderneres Erscheinungsbild bekommen. Ja, klar, in Japan ist Tradition in der Gerechtigkeits-Gegenwart nicht mehr zu finden, wie wir wissen. Oh Himmel - was müssen wir noch aushalten, bevor sich jemand die künstlerische Freiheit nimmt, den Irren die Tür zu weisen?

Apropos „Cancel Culture“ - gegen diesen Begriff wehrt sich die Community immer wieder mit Händen und Füßen, weil sie immer wieder dabei erwischt wird, dass genau so die Praxis ihrer Tyrannei aussieht. Absagen, Verbote, Drohungen, Shit-Storms. Und wer nicht hören will, muss fühlen. Und wer dann noch wagen sollte, den reaktionären Kern dieser Praxis zu entlarven, wird als weißer, alter Mann gebrandmarkt. Und schon ist die Sache erledigt - schliesslich will niemand ein weißer, alter Mann sein. Doch - ich. Ich verwende sogar eine Form der Sprache, die alle meint, ich brauche keine Addition von Fragmenten, keine Kolonne von Buchstaben - aber das nur nebenbei. Mit dem Schlagwort „Kulturelle Aneignung“ hat die Community eine Formel gefunden, die jedes Verbot rechtfertigen soll und dabei hat sie noch nicht einmal verstanden, was diese Formel ursprünglich bedeuten sollte. Also: erstens gehört die gegenseitige Befruchtung von Kulturen zum Wesen der Kultur - und zweitens: die Erfinder des Begriffes „Kulturelle Aneignung“ meinten lediglich die herabsetzende Aneignung kultureller Eigenheiten zum Zwecke der Diskriminierung. Aber: doof bleibt doof.

Die Tanzgruppe wollte niemanden herabsetzen, sie wollte genau das Gegenteil. Sie wollten die Vielfalt der Kulturen zeigen. Die Wahrheit ist, es waren die Damen der Tanzgruppe, die ihrerseits diskriminiert und herabgesetzt wurden. Durch die Organisatoren, die Gartenschau, die Stadt Mannheim und ein Beauftragten-Gremium. Dieser Eingriff in künstlerische Autonomie wurde zusätzlich auch noch Schritt für Schritt verschlimmert durch die Anordnung flankierender Maßnahmen zur Erklärung und Debatte um die künstlerische Darbietung. Kunst darf nicht für sich stehen, sie braucht Unterweisung, Belehrung und Diskussionsveranstaltungen zum Thema. Da sitzen die Damen also, degradiert zu Objekten und müssen eine Verhandlung über „kulturelle Merkmale ohne Stereotypen“ ertragen. Die Tänzerinnen finden sich als Angeklagte wieder.

Sie wollten nur einen Tanz zeigen und fanden sich vor einem Tribunal wieder. Wie lautet dazu die Worthülse? Wertschätzung. Eine Schande.

Diverse Beiräte, inquisitorische Instrumente der Identitäts-Ideologen, haben seit Jahren nichts anderes mehr im Sinn, als ihren Frontalangriff auf Kultur und Theater zu Ende zu bringen. Kein Rollenspiel, keine binären Figuren, keine Verwandlung, keine „weiß gelesenen“ Stücke, keine Kostüme.

Der Mannheimer Migrationsbeirat trat selbstverständlich auch noch einmal nach und fand, das Urteil sei viel zu milde. Man teile die Meinung, so hieß es, dass hier von den weißen, alten Frauen mit der Art der Darstellung „kulturelle und religiöse Stereotype zur Unterhaltung ausgeschlachtet werden“. Und weiter: „Dass die nun vereinbarte nachträgliche Umgestaltung der betreffenden Kostüme (welcher Art auch immer) hieran etwas ändern wird, bezweifeln wir“. Eine Schande.

Die Damen ihrerseits bleiben nett, bescheiden und tolerant. Elke Schmaltz: „Ach, ohne die Hüte haben wir einfach weniger Gepäck“, sagt sie auf Nachfrage der WELT. „Es ist gut so, wie es ist. Es hätte keinen Sinn gemacht, stur zu bleiben. Schließlich ist das unser Hobby – und wir möchten einfach Spaß haben.“

Liebes Ballett. Ich hätte euch geschützt. Ich hätte mich als Regisseur eines Stückes mit dem Titel „Weltreise in einem Traumschiff“ höchstens am Traumschiff gestört, aber ich hätte euch keine Vorschriften gemacht und, wie es sich gehört, geholfen, euren Wunsch Völkerverständigung zu tanzen, so gut wie möglich auf die Bühne zu bringen. Basta.

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