Auch diesmal (wie schon bei den ‘Nibelungen’) habe ich eine der umjubelten Inszenierungen von Karin Beier erst mit zeitlichem Abstand sehen können. Fern vom Jubel oder der Theater-des-Jahres-Hysterie sehe ich neue und alte Textflächen der Jelinek - und - dieser Abend reißt mich wirklich hin. Fasziniert, in Bann gezogen bin ich. Dieser Abend bestätigt im besten Sinne den Satz: Theater ist Kontext. Vermutlich hat der Abstand den Abend noch schärfer gemacht. Noch deutlicher werden uns Zusammenhänge zwischen Staudamm-Bau, U-Bahn-Bau, Wasser, Beton, Atomkraftwerk, Tsunami, Tod und Schuld. Das Wasser. Es soll bleiben wo es ist. Das Wasser kommt. Ein Thema in Variationen.
Die Assoziationsketten zwischen den Satzketten der Jelinek lösen durch das Spiel Worte, Bilder, Emotionen aus, Überlegungen, Verstrebungen, die immer wieder mit Wasser, mit Gewalt, Natur, Mensch, Beherrschbarkeit, Überwältigung oder Tod zu tun haben. Dieser Abend reizt die Sinne und das Hirn. Er bietet das, was Theater ausmacht, ich sehe wie diese Inszenierung einen Text, selbst einen so überbordenden, lebendig machen kann. Viele zeitgenössische Inszenierungen, wie wir wissen, bedienen einen Ton, walzen ein Konzept zu Tode und bemühen die ganze Rezeptur des Multi-Media-Spektakels. Auch hier sind Video, Farbe, Wasser im Spiel, aber sie lösen sich auf in Text und Spiel, sie machen Sinn. Karin Beier hat ein wunderbares Gespür für Rhythmus, sie wechselt die Tempi, sie zieht an, lässt los, alles hat eine geradezu knisternde Energie, große Kraft, immer eine Form, eine Fassung, auch in der Fassungslosigkeit. Großartig.
Der Beginn ist ein klarer, gut gestaffelter Anlauf. Vor dem roten Vorhang spricht ein Mann (Thomas Loibl), ein Ingenieur ins Mikrofon, er spricht über die großen Pläne, sich Erde und Wasser untertan zu machen. Über die Toten wird gesprochen, während des ganzen Abends. Mal sind es 150, oder doch mehr? Mal 2 Stück Personen. Im Hauptteil - “Das Werk” - geht es um eines der größten Speicherkraftwerke der Welt, in den Kapruner Alpen in Österreich, das in den zwanziger Jahren mit Freiwilligen, in der Nazizeit auch mit Zwangsarbeitern gebaut wurde. Wie viele Arbeiter starben hier im Kampf mit Erde und Wasser, im Ringen um den Bau dieses Großprojektes? Der Schauspieler ringt auch. Die schwierige Besteigung des Wortberges ist nicht sein letztes Glanzstück, wie auch das gesamte Ensemble ein außerordentlich agierendes, Lust machendes Schauspieler-Ensemble ist. Hier sehen wir zu und staunen und lassen uns überraschen. Dann öffnet sich die Bühne. Eine Putzfrau wischt, redet ein bisschen und singt einen traurigen Gesang (Rosemary Hardy), der Sprecher wird zurückgezogen, eingebunden, in der Tiefe der Bühne tauchen Figuren auf, Frauen zunächst (Caroline Peters, Laura Sundermann, Julia Wieninger, Kathrin Wehlisch und die unglaubliche Lina Beckmann).
Die Spielenden bewegen sich im Pulk, vereinzeln sich, explodieren, singen, schweigen. Später: Eine lange Strecke steht ein Chor, der summt, ruft, singt, schreit, Sprache im Stakkato, in Melodie gefangen, wütend, traurig, ruhig (Leitung: Carsten Wüster). Kein Augenblick ist ohne Spannung. Der Text fließt, atmet und hämmert, nicht alles dringt ins Bewusstsein, aber das ist nicht wichtig. Wichtig ist, das der Kern immer hindurch scheint, dass wir sehen und hören können und - verstehen. Die Einzelteile blinken in verschiedenen Farben, tauchen auf, verschwinden. Eine Stimme ertönt, sie kann nicht zum schweigen gebracht werden. Immer wieder taucht sie im Raum auf. Wo ist das Radio? Im Zuschauerraum? Dann mischt sich noch Frau Jelinek persönlich ein. Eine feine Sprachwanderung mit Susanne Barth (die Große) als Jelinek. Die Schauspieler versuchen ihr auszuweichen auf die andere Seite der Bühne. “Im Bus”, an der Tür im Parkett tauchen Krätzchensänger auf (Thomas Loibl, Michael Weber und Manfred Zapatka), ein heidnisches Dreigestirn, wahnsinnige Clowns, böse Onkels. Dann liegen Tote, eine Frau erkennt und beweint, schreit, heult und sagt unvermittelt zu einer Frau: “Du rauchst? Kannst Du bitte die Zigarette ausmachen?” Ein Mikrokosmos des Witzes der gesamten Inszenierung.
Nach der Pause, ich wurde bereits gewarnt, jetzt gehe es erst richtig los, werde ich doch ernüchtert. Wir Kölner sind schon beglückt, wenn die Katastrophe um das Stadtarchiv durch den Kakao, oder das Wasser gezogen wird. Schuld? Wasser und Erde treten höchstpersönlich auf, nackt, fast nackt, und ficken. Aber im Gegensatz zum ersten Teil, zu den beiden ersten Stücken, wechselt der Ton nicht mehr, die Ebenen des Erzählens, die Komik bleiben in Kalauern hängen, die Dynamik wird nur noch bestimmt von spritzendem Wasser, von schwimmenden Blättern, die Mittel - dann doch - fangen an, sich selbst zu genügen. Die ‘echten’ Zitate Kölner Politiker unterstreichen zwar noch einmal die Einfältigkeit oder Unverschämtheit, mit denen diese Politiker unsere Stadt der Korruption, der Erde, der Gewalt ausliefern, aber diese kabarettistischen Aktionen im Wasserschlamm bleiben flach.
Ich persönlich habe auch über Köln im ersten Teil alles erfahren. Im zweiten wird das noch einmal unterstrichen, bewässert, Ebene auf Ebene geschichtet. Aber gut. Und gut bleibt der Abend so oder so.
Die Assoziationsketten zwischen den Satzketten der Jelinek lösen durch das Spiel Worte, Bilder, Emotionen aus, Überlegungen, Verstrebungen, die immer wieder mit Wasser, mit Gewalt, Natur, Mensch, Beherrschbarkeit, Überwältigung oder Tod zu tun haben. Dieser Abend reizt die Sinne und das Hirn. Er bietet das, was Theater ausmacht, ich sehe wie diese Inszenierung einen Text, selbst einen so überbordenden, lebendig machen kann. Viele zeitgenössische Inszenierungen, wie wir wissen, bedienen einen Ton, walzen ein Konzept zu Tode und bemühen die ganze Rezeptur des Multi-Media-Spektakels. Auch hier sind Video, Farbe, Wasser im Spiel, aber sie lösen sich auf in Text und Spiel, sie machen Sinn. Karin Beier hat ein wunderbares Gespür für Rhythmus, sie wechselt die Tempi, sie zieht an, lässt los, alles hat eine geradezu knisternde Energie, große Kraft, immer eine Form, eine Fassung, auch in der Fassungslosigkeit. Großartig.
Der Beginn ist ein klarer, gut gestaffelter Anlauf. Vor dem roten Vorhang spricht ein Mann (Thomas Loibl), ein Ingenieur ins Mikrofon, er spricht über die großen Pläne, sich Erde und Wasser untertan zu machen. Über die Toten wird gesprochen, während des ganzen Abends. Mal sind es 150, oder doch mehr? Mal 2 Stück Personen. Im Hauptteil - “Das Werk” - geht es um eines der größten Speicherkraftwerke der Welt, in den Kapruner Alpen in Österreich, das in den zwanziger Jahren mit Freiwilligen, in der Nazizeit auch mit Zwangsarbeitern gebaut wurde. Wie viele Arbeiter starben hier im Kampf mit Erde und Wasser, im Ringen um den Bau dieses Großprojektes? Der Schauspieler ringt auch. Die schwierige Besteigung des Wortberges ist nicht sein letztes Glanzstück, wie auch das gesamte Ensemble ein außerordentlich agierendes, Lust machendes Schauspieler-Ensemble ist. Hier sehen wir zu und staunen und lassen uns überraschen. Dann öffnet sich die Bühne. Eine Putzfrau wischt, redet ein bisschen und singt einen traurigen Gesang (Rosemary Hardy), der Sprecher wird zurückgezogen, eingebunden, in der Tiefe der Bühne tauchen Figuren auf, Frauen zunächst (Caroline Peters, Laura Sundermann, Julia Wieninger, Kathrin Wehlisch und die unglaubliche Lina Beckmann).
Die Spielenden bewegen sich im Pulk, vereinzeln sich, explodieren, singen, schweigen. Später: Eine lange Strecke steht ein Chor, der summt, ruft, singt, schreit, Sprache im Stakkato, in Melodie gefangen, wütend, traurig, ruhig (Leitung: Carsten Wüster). Kein Augenblick ist ohne Spannung. Der Text fließt, atmet und hämmert, nicht alles dringt ins Bewusstsein, aber das ist nicht wichtig. Wichtig ist, das der Kern immer hindurch scheint, dass wir sehen und hören können und - verstehen. Die Einzelteile blinken in verschiedenen Farben, tauchen auf, verschwinden. Eine Stimme ertönt, sie kann nicht zum schweigen gebracht werden. Immer wieder taucht sie im Raum auf. Wo ist das Radio? Im Zuschauerraum? Dann mischt sich noch Frau Jelinek persönlich ein. Eine feine Sprachwanderung mit Susanne Barth (die Große) als Jelinek. Die Schauspieler versuchen ihr auszuweichen auf die andere Seite der Bühne. “Im Bus”, an der Tür im Parkett tauchen Krätzchensänger auf (Thomas Loibl, Michael Weber und Manfred Zapatka), ein heidnisches Dreigestirn, wahnsinnige Clowns, böse Onkels. Dann liegen Tote, eine Frau erkennt und beweint, schreit, heult und sagt unvermittelt zu einer Frau: “Du rauchst? Kannst Du bitte die Zigarette ausmachen?” Ein Mikrokosmos des Witzes der gesamten Inszenierung.
Nach der Pause, ich wurde bereits gewarnt, jetzt gehe es erst richtig los, werde ich doch ernüchtert. Wir Kölner sind schon beglückt, wenn die Katastrophe um das Stadtarchiv durch den Kakao, oder das Wasser gezogen wird. Schuld? Wasser und Erde treten höchstpersönlich auf, nackt, fast nackt, und ficken. Aber im Gegensatz zum ersten Teil, zu den beiden ersten Stücken, wechselt der Ton nicht mehr, die Ebenen des Erzählens, die Komik bleiben in Kalauern hängen, die Dynamik wird nur noch bestimmt von spritzendem Wasser, von schwimmenden Blättern, die Mittel - dann doch - fangen an, sich selbst zu genügen. Die ‘echten’ Zitate Kölner Politiker unterstreichen zwar noch einmal die Einfältigkeit oder Unverschämtheit, mit denen diese Politiker unsere Stadt der Korruption, der Erde, der Gewalt ausliefern, aber diese kabarettistischen Aktionen im Wasserschlamm bleiben flach.
Ich persönlich habe auch über Köln im ersten Teil alles erfahren. Im zweiten wird das noch einmal unterstrichen, bewässert, Ebene auf Ebene geschichtet. Aber gut. Und gut bleibt der Abend so oder so.