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Grün, grün, grün


Wahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz. Zeitenwende, historischer Tag, Sensation! Leute! Habt ihr die letzten Jahre verschlafen?

Es kam wie es kommen musste. Schon lange zeichnete sich ab, dass die neue bürgerliche Mitte – sauber, nachhaltig und gesund, gut situiert und ausgebildet – eine Partei braucht. In Baden-Württemberg hat der Lehrer Kretschmann – nett, seriös, väterlich – das schwäbische Herz mit schwäbischen Sprüchen erobert. Was ist daran besonders, oder gar revolutionär? Jetzt wird er Landesvater.

Auf der grünen Wahlparty: Mädchen mit grünen Perücken, kreischende, hüpfende Frauen, die begeistert in die Hände klatschen, grüne Männer, die heulen, junge Grüne die trommeln (Samba) und die grünen Mädchen zum wippen bringen. Revolutionär? Die neue Kultur. Lange her: Die rauchenden, alten Männer mit Bier und Stiernacken. Der Mittelstand in Deutschland hat nichts mehr übrig für verkniffene Säcke, die Bahnhöfe, Atom und Demokratie mit Schlagstock und Wasserwerfer durchpeitschen. Sie wissen: Das weiche Wasser, das frei laufende Huhn, die Trillerpfeife im Mund – das ist das neue Deutschland.

Der Ordnungspolitiker, der kleinbürgerliche Wachstumshysteriker, oder gar der alte Nazi – die Zeiten sind vorbei. Die "Wählerinnen und Wähler" sitzen vor den Fernsehschirmen und sehen explodierende Atomreaktoren, Betreiber, die ständig lügen, verschleiern und sich dabei permanent entschuldigen. Gut, Japan ist weit weg, aber die Bilder brennen in den Köpfen. Seit Jahrzehnten heißt es: Die Technik ist sicher, zumindest im Westen. Alles Lüge. Zum wiederholten Male werden große Teile der Erde nachhaltig atomar verseucht mit unabsehbaren Folgen. Jetzt drückt sich die Erkenntnis auch im Wahlergebnis aus.

Die "ZEIT" hatte getitelt: "Keine Lügen mehr". Und alle nicken. Zeitenwende. Der Typus des verknöcherten Politikers, des Lügners, sollte abgewählt werden. Das wäre ein gutes Signal gewesen. Hat nicht ganz geklappt. Beck in Rheinland-Pfalz bleibt. Blass, fast wie seine eigene Wachsfigur, kann er sich doch noch halten, mit Hilfe der Grünen, die ihn leider stützen. Leider. Sie stützen eine dieser alten Figuren. Die CDU in Rheinland-Pfalz hat eine Neue, eine strahlende Siegerin, Julia Klöckner, die nicht nur als ehemalige Weinkönigin den Eindruck macht, auf der Sonnenseite zu stehen und ohne Schlagstock auszukommen. Diese Frau zeigt der CDU: Es ght auch anders. Sie hätte auch mit den Grünen gehen können, denn sie ist durchaus für die dauerhafte Stilllegung von Atommeilern. Nach der atomaren Laufzeitverlängerung ist nun allerdings jedes schwarz-grüne Vernunftprojekt vorerst unmöglich geworden. Ein schwerer Fehler von Frau Merkel, die sich mit diesem Kuhhandel zugunsten der Atom-Lobby den eigenen Weg, die CDU zu einer modernen Partei zu machen, vorerst verbaut hat. Außerdem: Sie hat die Zeitenwende nicht erkannt.

Frau Merkel hätte besser fernsehen sollen, dann wäre ihr aufgefallen: Wenn die modernen Heimatfilme mit schwedischem oder irischem Hintergrund ein Weltbild malen, dann ist es das grüne Weltbild, das Weltbild der frei laufenden Hühner, der Besserverdienenden, der bürgerlichen Mitte. Alle paar Tage zeigen uns die klebrigen Kitschfilme immer dieselben Geschichten: Da ist der Schnösel, der es natürlich übertreiben muss, der für GoldInvest zu Felde zieht, ein skrupelloser Immobilienhai, dieser Schnösel hat immer ein Blondie an der Seite, die sich vernachlässigt fühlt. Blondie hat sich folgerichtig bald schon in einen Wuschelkopf vom Öko-Institut verliebt, der sie auf sein Boot trägt, um mit ihr Kartoffeln zu schälen und Wein zu trinken. Er raubt ihr einen Kuss. Sie wehrt sich nicht. Sie werden beobachtet. Ihr Mann stellt sie. Er will eine Immobilie für sie kaufen. Aber Blondie sagt zum Noch-Ehemann, zum Anzugträger mit dem geldgierigen Blick, mitten am Strand, mitten in die Kamera hinein: Das mache ich nicht mit. Da werden doch tiefe Löcher in den Strand gegraben und dann ist doch die nachhaltige Geologie in Gefahr!

Ja, so reden sie, die Frauen, die ihren Ehemann los werden wollen, um flugs den neuen Wuschelkopf romantisch bemuttern zu können. Und den Strand retten zu können. Und die Romantik. Und die gehen dann los und wählen grün. Und ihre Zuschauerinnen und Zuschauer auch. So geht das. So sind die Grünen Volkspartei geworden. Also Frau Merkel, aufpassen. Sie haben doch schon viele 'alte' Männer in die Wüste geschickt, jetzt mussten Ihnen die Wählerinnen und Wähler zum ersten Mal helfen und den Mappus hinterher schicken.

Schießen Sie den Westerwelle ab, machen sie einen Wuschelkopf zum Minister (Guttenberg war auch kein 'neuer' Mann) und drehen sie den nächsten Film: "Angela Merkel: Das Glück ist grün!" Das wäre wahrhaft revolutionär. Übrigens: Wer in dieser Glosse die Smilies vermisst, muss selber schauen, wo der Ernst bleibt. Oder sollte der Ernst…

Gute Nacht.

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