Direkt zum Hauptbereich

Profil? Nie wieder


Früher hieß die 12-Uhr-Sendung im Fernsehen noch Internationaler Frühschoppen mit sechs Journalisten aus fünf Ländern, man trank Wein, rauchte und debattierte über Gott und die Welt.
Heutzutage heißt das Ganze 'Presseclub', alles ist kühl und sauber und es diskutieren fünf Journalisten aus einem Land über die SPD (siehe unten). Aber es geht nicht nur um die eine Partei. Einer sagt: es gibt keine Inhalte, eine andere: es wird gelogen, wieder eine andere: es gibt zu wenig Politiker mit Profil. - Zu wenige? Wie soll denn ein Mensch mit Profil, mit Haltung, mit einer lebendigen Sprache oder beweglichen Gesichtszügen jemals sauber und unverletzt durch die schlammigen Kanäle einer Partei schlüpfen, an den Spießen der Intriganten, an den Heckenschützen von Unfähigkeit und Dummheit vorbei? Niemals. Deshalb sieht die politische Klasse so aus wie sie aussieht, deshalb glaubt die Mehrheit der Deutschen nicht mehr an Demokratie, deshalb sind Menschen, die noch denken wollen, traurig und allein.
Politik ist einfach eine große Casting-Show geworden. Bis ein Krieg Hilfe braucht, bis wieder ein Konzern das Land verlässt, Traditionsbetriebe Konkurs anmelden, bis man plötzlich begreift, dass die meisten Schüler nicht mehr sprechen können. Dann staunen wir, dann biegen sich die Politiker hilflos im Sommerwind. Hin und her. Bis der Sommer zu Ende geht und sich Stürme ankündigen.

Beliebte Posts aus diesem Blog

Im Gedenken an meinen Freund Thomas Reis

Rede zur Trauerfeier in der "Comedia" am 30. August 2024 Thomas Reis. Es sind so viele Freunde da, es ist so viel vorbereitet. Mir fällt es schwer heute über ihn zu sprechen. Am liebsten würde ich weinen und anschließen ein paar Kölsch trinken. Aber: Thomas sagte: Du hältst die Rede. Toll. Diese Rede zu schreiben hat von mir das verlangt, was ich in über dreißig Jahren immer von Thomas verlangt habe. Von 1000 Seiten Text 995 zu streichen. Es sind so viele Erinnerungen, so viele Fußballspiele, so viel Kölsch, so viele Reisen, so viele wundervolle Auftritte, auf Gold-, Holz-, Kartoffel- und Reis-Bühnen, in Freiburg, Berlin, im Theater am Sachsenring und auch in der Comedia. Hier wollte er eigentlich nicht mehr auftreten. Kein Platz mehr für alte weiße Männer, erzählte er mir. Jetzt ist er doch wieder da. Geht doch. Thomas? Ich höre dich. „Liebe Freunde der belesenen Betroffenheit, Feministen und Feministinnen, trans-, bi-, homo- hetero- und metrosexuelle Menschenfreund*innen al...

Die Gartenschau...

ist auch nicht mehr unschuldig. Das Thema Kostüm ist ein schwieriges geworden, sagt eine Moderatorin im WDR. Der Inhaber eines Kostümverleihs in Köln erzählt von der besonderen Vorsicht vor allem der jungen Leute. Kein Scheich, kein Indianer… Vor zwei Jahren hat man sich zu Karneval noch ein Betttuch übergeworfen, heute haben die jungen Leute Angst damit einen Scheich zu beleidigen. Um die Ecke meines Theaters gab es „Altentheater“. Viele ältere Menschen hatten dort Spaß am Spiel. Auch eine Tanzgruppe von Seniorinnen der AWO hatte sich anlässlich der Bundesgartenschau 23 ein besonderes Programm einfallen lassen: „Weltreise“. Mit phantastischen, zum großen Teil selbstgenähten Kostümen sollte diese Reise um die Welt auf die Bühne kommen. Doch dann knallte es: „Wir sollen die spanischen Flamenco-Kostüme, den orientalischen Tanz, den mexikanischen Tanz mit Sombreros und Ponchos, den japanischen Tanz mit Kimonos, den indischen mit Saris und den ägyptischen Tanz, in dem wir als Pharaoninnen ...

Unterwerfung

Entschuldigung. Ich weiß. Sie denken jetzt: Bitte nicht schon wieder. Aber, Ehrenwort, ich kann nichts dafür. Fast täglich werden wir konfrontiert mit neuen Vorfällen im Kampf der Identitären gegen Kunst, Satire, Bühne, mit einem Kampf gegen jede Kultur, die nicht „sauber“ ist. Und ich - ich muss darüber schreiben, denn das ist mein Metier. Sauber? Ich arbeite seit vierzig Jahren für die Bühne. Ich erinnere mich gerne an die gute alte Zeit, als sich alle noch bemühten auf Teufel komm heraus nicht sauber zu sein. Da spielten in der Arbeit an meinem Theater die Kunst, die Widerhaken in der Kunst und Schauspiel die wichtigste Rolle. Und selbstverständlich spielte Diskriminierung, etwa aus Gründen des Alters, der Hautfarbe, der Herkunft oder des Geschlechtes keine Rolle. Es war selbstverständlich, dass das keine Rolle spielte. Neuerdings werden wir ständig darauf hingewiesen, dass das eine Rolle spielen muss. Wir waren doch auf einem guten Weg, wir mussten nicht darüber reden, denn selbstv...