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Wochenrückblick


Hau ab!
brüllt ein Fluggast am Schalter, mittlerweile wurde die Szene dreiundsechzig Mal im Fernsehen wiederholt. Und er brüllt weiter: "Ihr seid Gift, ihr seid Gift!" Endlich ist mal wieder was los, möchte man meinen. Aber, weit gefehlt. Er hätte lieber mitleidig lächeln und leise sagen sollen: "Ihr seid doof". Es ging um einen Streik des Personals gegen die Lufthansa. Wieder Gelegenheit für Gewerkschaftsbosse sehr sehr große Forderungen zu erheben, um dann mit einem winzig kleinen Kompromisschen in den Urlaub zu fliegen. Schließlich geht es um Medien-Präsenz und Macht für die ver.di Bosse, was sonst. Das arme Streik-Personal sieht in seinen beschrifteten Umhängerchen aus wie die Müllabfuhr an Karneval, und auch die ewig doofen Trillerpfeifen und Rasselchen dürfen mal wieder nicht fehlen. Klassenkampf sah früher mal anders aus.
Verwunderte Bewunderung für den an sonsten so bewegungsunfähigen 1.FC Köln. Der Club hat einen neuen Geißbock, einen echten (Gott sei Dank nicht eins der vielen Fluschel-Flausch-Riesenkopf-Lustig-Quietsch-Werbefiguren-Maskottchen wie Hertha oder Leverkusen), nein, Hennes den XIII. Gratulation zur Verpflichtung eines Weltstars, nicht Poldi, der wird von den Bayern gefesselt, sondern Petit, der Kapitän von Benfica Lissabon, Nationalspieler, Ballkünstler, offensives Mittelfeld, wow. Ich bin beeindruckt. Das Testspiel gegen den Zweitligisten Duisburg endete 1:1. Wow.
Paul Potts, nicht der kambodschanische Massenmörder, sondern der einfache Handy-Verkäufer aus England macht Werbung für Medien und ihre Anbieter. Es war mal Zeit für eine neue Tellerwäscher-Geschichte: Handy-Verkäufer singt die eine bekannte Opernschnulze, die alle kennen und alle singen, der blinde Bocelli, der Pavarotti und alle anderen, er nutzt seine Chance, das Publikum weint.
Dann wird der Loser ein Gewinner, die Medien berichten, nach dem dreiundsechzigsten Bericht auf allen Kanälen macht ein Handy-Anbieter einen Werbespot: Handy-Verkäufer singt die eine bekannte Opernschnulze vor einer überraschten Jury und einem weinenden Publikum und gewinnt das Casting und die Herzen. Der Spot wird sechzigtausenddreihundert Mal ausgestrahlt.
Millionen sehen den Handy-Verkäufer, der die eine bekannte Opernschnulze singt und das Casting gewinnt. Dann machen die Medien Berichte über den Erfolg eines Werbespots, der einen Handy-Verkäufer zeigt, der die eine bekannte Opernschnulze singt vor einer überraschten Jury und einem weinenden Publikum, das millionenfach vor den Displays und Bildschirmen der Welt sitzt und allen kommen die Tränen über den armen Handy-Verkäufer, der......


Übrigens, ein serbischer Psychiater, der sich zum Politiker verwandelte, dann zum Massenmörder wurde und schließlich als Heiler mit weißem Bart und Zopf Vorträge hielt, jahrelang gedeckt und geschützt vom Geheimdienst, ist nun doch verhaftet gelassen worden, weil Serbien nach Europa will.
Bergsteiger stürzen ab, Extremsportler erfrieren, Kameramänner werden gefoltert, Geiseln werden freigelassen.
China antwortet auf Fragen, die sich die Funktionäre selbst gestellt haben, sperrt unliebsame Internet-Seiten, verhaftet Journalisten, lässt Doping-Prüfer stehen, schlägt Kritiker zu Brei und will mit den Medien "One World - One Dream" feiern. Klingt nach Casting-Show und Auftritten von Paul Potts und Michael Vesper.
In Bayreuth ist eine Oper für das Internet und ein Public Viewing freigegeben worden. In Salzburg gibt es eine neue Buhlschaft. Dreiundsechzig Berichte über das Kleid, das zum ersten Mal blau ist.
Es lebe die Kultur!

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