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Im Foyer des Theaters am Sachsenring |
Was haben wir gesehen? Haben wir gemeinsam etwas gesehen? Ja. Das Gleiche? Natürlich nicht. Das Gespielte, Gesagte, das Gesehene, das, was wir spüren - jeden Abend ist die Mischung eine andere. Jeder Zuschauer kommt aus seiner eigenen Welt und schaut in eine andere Welt, in die Welt auf der Bühne.
Wir versuchen eine Welt zu bauen, die anders sein soll, anders als die eine, wahre Welt. Eine Kunst-Welt. Wir wollen in unseren Stücken den Unterschied sichtbar machen. Trauer, Liebe, Erregung, Gewalt, Komik, erscheinen auf der Bühne anders als im Supermarkt oder in der U-Bahn. Außerdem gibt es im Theater am Sachsenring diese magische Grenze zwischen Bühne und Zuschauerraum. Die Damen, die ich in die erste Reihe führe, fragen, ob sie mitspielen müssen. Nein. Aber, so klein die Bühne auch ist, es besteht die Möglichkeit, dass sich der Raum während der Vorstellung ins Unendliche dehnt, wenn Spiel und Spielende es zulassen. Dann berührt die Kunst-Welt die wirkliche Welt der Menschen, die im Zuschauerraum sitzen. Theater ganz nah. Das liebt unser Publikum und ich liebe es auch. Wenn die Spieler auf dieser Bühne frei schwingen, aufeinander reagieren, fangen sie manchmal an zu fliegen, wie die Vögel.
Der Zauber des Theaters entsteht, wenn sich Figuren auf der Bühne als lebendige Wesen zu erkennen geben, kein blasses Echo des eigenen 'Ichs', sondern Figuren mit bekannten und unbekannten Seiten. Ich versuche in den Inszenierungen, dass aus dem Spiel keine vordergründige Darstellung wird, dass nicht zuviel verraten, zuviel vorgegeben wird. Wir sehen die Figur durch die Menschlichkeit der Schauspieler, die Menschlichkeit der Figuren durch die Kunst der Schauspieler. Es braucht keine Filmeinspielung, um dem Publikum zu erklären, was gemeint ist. Keine Interpretation, sondern Wahrnehmung. Darum müssen die Schauspieler Menschen bleiben, Hauptfiguren auf der Bühne.
Bleibt das Spiel in der Schwebe, bleiben die Figuren menschlich, dann erzählen sie wahrhaftig eine Geschichte. Dann bewegen sie Geist und Empfindung. Manchmal sehe ich noch Erregung in den Gesichtern der Besucher, die an der Theke vorbei unser Theater verlassen und sich verabschieden. Das ist bereits ein großes Kompliment. Ich bin müde. Ein letztes 'Auf Wiedersehen'. Noch ein Glas an der Theke, noch ein paar Sätze im Foyer an der Theke. Durch den milden, feuchten Abend in die wirkliche Welt.