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Die falsche Welt der wahren Welt

Alles Träume, alles Schäume, oder was? Die Welt der schönen Hotels, der Casting-Shows, der Models, der Pilcher-Welten, Traumschiffe und Traumhochzeiten. Eine Welt der Bilder, die wir immer mehr für wahr halten. Für 'authentisch', also nachhaltig retuschiert. Es gibt ein falsches Leben im richtigen und es gibt auch ein falsches Leben im falschen. Die geprügelte Frau, der Flüchtling, der Hooligan, der Arbeitslose - ästhetisch ausgestellt, auf dem Jahrmarkt der Stadttheater, echte Menschen statt Schauspieler, die werden ihrerseits arbeitslos und servieren in Kneipen das Bier für echte Menschen - in echt. Auf den Bühnen immer mehr Mikrophone, in die die echten Menschen über ihr Elend erzählen.

Recherche-Theater als Kabinett des Schreckens mit echten, armen Menschen vor staunendem, reichen Wut-Publikum. Oder in flimmernden, ästhetischen Bildern von Krieg, Hunger und Zerstörung in einer endlos verstörenden Kriegs- und Hunger-'Performance'. Hat nichts mit uns zu tun. Wir sind gut drauf, kann man alles im Facebook lesen. Gefällt mir. Das neue Profilfoto, sexy, süße Katzen oder Sonnenuntergänge oder Blumen. Oder arme Griechen, erstaunliche Obdachlose oder gefolterte Katzen oder armer Putin, böse Merkel, lustige Babys. Alles ist wahr, alles ist echt.

Die Stadt Köln wollte schon eine Köln-Doku-Soap verbieten lassen, weil nach den Bildern einer Stadt des Klüngels, der Unfähigkeit, der versenkten Millionen und Bauwerke, der Kultur- und Bau-Katastrophen jetzt auch noch so getan wird, als wenn sich hier nur sprachunfähige, tätowierte, schreiende Jugend durch die Straßen wälzen würde. Nein. Ist gelogen. Wir haben aber immerhin den Dom und den Karneval. Und den Karneval und den Dom. Und die Produktionsfirmen, die den Doku-Mist produzieren. Und weil das für junge Leute ist, wird weniger der Dom gezeigt (der ist ja schon alt), sondern die Kranhäuser.

Junge Schauspielschülerinnen verabschieden sich schon freiwillig in ihrer Präsentation von Eigenschaften wie individuell, ernsthaft, klar, wandlungsfähig... Das war einmal. Es braucht eine Marke für den Marken-Artikel, damit er sich verkaufen kann: süß, sexy, widerspenstig, frech, süß, sexy...
Dafür braucht es ästhetische Fotografie, Glamour-Fotos, aufgehellt, aufgehübscht, zugekleistert mit Schminke und Photoshop, umrahmt mit Löckchen, bis zur Unkenntlichkeit geglättet. Tussi- und Model-kompatibel.
Schade. Ich muss es einfach nochmal sagen: Schauspiel ist nicht Darstellung, vor allem nicht Selbst-Darstellung. Das Theater könnte das letzte unbeugsame Dorf sein für Geschichten, die mit dem Leben zu tun haben.

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ist auch nicht mehr unschuldig. Das Thema Kostüm ist ein schwieriges geworden, sagt eine Moderatorin im WDR. Der Inhaber eines Kostümverleihs in Köln erzählt von der besonderen Vorsicht vor allem der jungen Leute. Kein Scheich, kein Indianer… Vor zwei Jahren hat man sich zu Karneval noch ein Betttuch übergeworfen, heute haben die jungen Leute Angst damit einen Scheich zu beleidigen. Um die Ecke meines Theaters gab es „Altentheater“. Viele ältere Menschen hatten dort Spaß am Spiel. Auch eine Tanzgruppe von Seniorinnen der AWO hatte sich anlässlich der Bundesgartenschau 23 ein besonderes Programm einfallen lassen: „Weltreise“. Mit phantastischen, zum großen Teil selbstgenähten Kostümen sollte diese Reise um die Welt auf die Bühne kommen. Doch dann knallte es: „Wir sollen die spanischen Flamenco-Kostüme, den orientalischen Tanz, den mexikanischen Tanz mit Sombreros und Ponchos, den japanischen Tanz mit Kimonos, den indischen mit Saris und den ägyptischen Tanz, in dem wir als Pharaoninnen

Bang, Bang - Bang! Die ganze Menschheit hinterher

Schüsse in München. Acht Stunden Fernseh-Live-Show. Endlosschleifen von rennenden Polizisten, rennenden Menschen in kurzen Hosen (Kommentar: "Die Menschen haben Angst"). Umschalten zu Reportern, die in der Gegend stehen und nicht zu sagen wissen. "Wir wissen noch nichts. Da steht seit Stunden eine Frau, die wird nicht abgeholt." 'Tweets' sind die Informationsquelle. Und Postings und Handy-Videos. Und Spekulationen. Ein Reporter berichtet, dass die Polizei twittert, bitte keine Aufnahmen vom Polizeieinsatz zu twittern und lässt ein Foto vom Polizeieinsatz einblenden. Man solle auf die Angehörigen Rücksicht nehmen - im Netz sind die Handy-Videos zu sehen von Sterbenden, von sich windenden Körpern auf der Straße. Eine Frau raucht und erzählt: "Wir waren bei McDonalds essen - wollten was essen... Die ganzen Mitarbeiter sind erstmal rausgerannt. Und dann - die ganze Menschheit hinterher. Man hat drei Schüsse gehört. Bang, Bang (Pause) Bang." Au

Neusprech und Krieg

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