Alle Theater spielen es, das Publikum ist begeistert. Und jetzt noch das Fernsehen. Doku-Drama vom Feinsten! Fakten? Egal.
Auf Emotionen kommt es an. Der Fernsehfilm über einen Kampfpiloten, der befehlswidrig ein von Terroristen gekapertes Flugzeug abschießt, um Menschen in einem Stadion zu retten, sollte berühren. Der Erregungs-Bürger war einmal mehr gefragt. Das Netz schäumte. Und noch eine Volksbefragung. Alles gut.
Was wurde gezeigt? Der Pilot kam im Film für den Abschuss vor Gericht. In der Verhandlung wurden dann Moral, Kant, Schuld oder Notstand lustig durcheinandergewürfelt und alle Beteiligten machten ernste Gesichter dazu. Keine Rolle spielte, dass in dieser Frage die Gesetzeslage geklärt ist. Davon war nicht die Rede. Mich hätte tatsächlich interessiert, ob rein rechtlich und unter welchen Umständen ein Freispruch möglich gewesen wäre.
Aber dazu wäre Differenzierung nötig gewesen. Wenn allerdings ein solcher Fernsehfilm nur noch auf dem Niveau einer Show, in der zwischen A oder B gewählt werden darf, funktionieren soll, bleibt nichts übrig als den Publikums-Joker zu ziehen. Und das ist immer gefährlich.
Überhaupt - Differenzierung gerät aus der Mode. Fakten sind unerheblich, das Recht - zu kompliziert. Man muss die Zuschauer da 'abholen' wo sie sich befinden - auf Herzkino-Niveau. Graustufen kommen nicht vor, spielen keine Rolle - der mediale Zirkus ist wichtiger. Die deutschen Theater sind froh, dass sie wieder 'echtes Leben' auf die Bühne bringen können, natürlich mit Zuschauerbeteiligung. Das eigentliche Ziel: Volkes Stimme aufrufen. Nach der Abstimmung - Freispruch - steht die Frage: Wo kommen wir hin? Obwohl, nach Twitter-Terror, Pegida-Hass, Internet-Wahn und der üblichen Dummheit, war wohl auch das Ergebnis dieser Abstimmung nur voraussehbar. Ich hätte allerdings nicht gedacht, dass die Mehrheit so groß sein würde - noch ein Anschlag und wir landen bei 99% - ich hätte auch nicht gedacht, dass unsere Werte von Recht und Gesetz offenbar nicht mehr als gegeben, als selbstverständlich gesehen werden. Härte gegen Terroristen. Um jeden Preis. Auch wenn gegen alle Rechtsprinzipien Menschen in einem Flugzeug sterben müssen. Das will der Pegida- und Sturm-Der-Liebe-Zuschauer.
Dieses 'Event' ist ein Kapitel mehr in dem Schauerroman ‚Deutschland wird völkisch‘, ein Kapitel, das zeigt, wie unsere Erregungs- Netz- und Wut-Unkultur mehr und mehr Vernunft, Verfassung, Recht und andere Kleinigkeiten in die Tonne treten hilft. Es geht nur noch um Reflexe und Emotionen. Im Theater ging die Abstimmung regelmäßig zu 60% für den Angeklagten aus. Nach den jüngsten Anschlägen wurden es schnell 70% und das ‚Volk’ vor dem Fernseher ist schon jetzt bei über 80%. Recht - steh uns bei! Sonst wird das Volk schon bald zur Abwendung von Terror, Folter und Todesstrafe befürworten.
Thomas Fischer (Bundesrichter in Karlsruhe) schreibt in der ZEIT: "Weil das Stück von Schirach die Unterscheidung zwischen Unrecht und Schuld fast vollständig unterschlägt, unterschlägt es auch die Tatsache, dass die Lösung des Dilemmas keineswegs nur 'jenseits des Rechts', also irgendwo im Reich der höchstpersönlichen, beliebig 'abstimmbaren' Moral gefunden werden kann, sondern dass es gerade das Recht ist (und sein muss), das sich die am weitesten gehenden und überzeugendsten Gedanken zu solchen Problemen gemacht hat.
... Die freudetrunkenen Abstimmungsregisseure der Stadttheater und Staatsschauspiele interessiert das nicht. Sie lassen die an der Nase herumgeführten Bürger durch die Türen hinaus und herein spazieren oder Karten hochheben, auf dass die Kunst sich einmal wieder verbinde mit dem ganz wirklichen echten Leben, so wie einst.
...
Das ist die größtmögliche Verarschung des Publikums. Wer Unrecht und Schuld in eins setzt, fällt um Jahrhunderte (!) hinter unsere Rechtskultur zurück und benutzt seine Zuschauer als Gaudi-Gäste für eine Rechtsshow der billigen Sorte."
Auf Emotionen kommt es an. Der Fernsehfilm über einen Kampfpiloten, der befehlswidrig ein von Terroristen gekapertes Flugzeug abschießt, um Menschen in einem Stadion zu retten, sollte berühren. Der Erregungs-Bürger war einmal mehr gefragt. Das Netz schäumte. Und noch eine Volksbefragung. Alles gut.
Was wurde gezeigt? Der Pilot kam im Film für den Abschuss vor Gericht. In der Verhandlung wurden dann Moral, Kant, Schuld oder Notstand lustig durcheinandergewürfelt und alle Beteiligten machten ernste Gesichter dazu. Keine Rolle spielte, dass in dieser Frage die Gesetzeslage geklärt ist. Davon war nicht die Rede. Mich hätte tatsächlich interessiert, ob rein rechtlich und unter welchen Umständen ein Freispruch möglich gewesen wäre.
Aber dazu wäre Differenzierung nötig gewesen. Wenn allerdings ein solcher Fernsehfilm nur noch auf dem Niveau einer Show, in der zwischen A oder B gewählt werden darf, funktionieren soll, bleibt nichts übrig als den Publikums-Joker zu ziehen. Und das ist immer gefährlich.
Überhaupt - Differenzierung gerät aus der Mode. Fakten sind unerheblich, das Recht - zu kompliziert. Man muss die Zuschauer da 'abholen' wo sie sich befinden - auf Herzkino-Niveau. Graustufen kommen nicht vor, spielen keine Rolle - der mediale Zirkus ist wichtiger. Die deutschen Theater sind froh, dass sie wieder 'echtes Leben' auf die Bühne bringen können, natürlich mit Zuschauerbeteiligung. Das eigentliche Ziel: Volkes Stimme aufrufen. Nach der Abstimmung - Freispruch - steht die Frage: Wo kommen wir hin? Obwohl, nach Twitter-Terror, Pegida-Hass, Internet-Wahn und der üblichen Dummheit, war wohl auch das Ergebnis dieser Abstimmung nur voraussehbar. Ich hätte allerdings nicht gedacht, dass die Mehrheit so groß sein würde - noch ein Anschlag und wir landen bei 99% - ich hätte auch nicht gedacht, dass unsere Werte von Recht und Gesetz offenbar nicht mehr als gegeben, als selbstverständlich gesehen werden. Härte gegen Terroristen. Um jeden Preis. Auch wenn gegen alle Rechtsprinzipien Menschen in einem Flugzeug sterben müssen. Das will der Pegida- und Sturm-Der-Liebe-Zuschauer.
Dieses 'Event' ist ein Kapitel mehr in dem Schauerroman ‚Deutschland wird völkisch‘, ein Kapitel, das zeigt, wie unsere Erregungs- Netz- und Wut-Unkultur mehr und mehr Vernunft, Verfassung, Recht und andere Kleinigkeiten in die Tonne treten hilft. Es geht nur noch um Reflexe und Emotionen. Im Theater ging die Abstimmung regelmäßig zu 60% für den Angeklagten aus. Nach den jüngsten Anschlägen wurden es schnell 70% und das ‚Volk’ vor dem Fernseher ist schon jetzt bei über 80%. Recht - steh uns bei! Sonst wird das Volk schon bald zur Abwendung von Terror, Folter und Todesstrafe befürworten.
Thomas Fischer (Bundesrichter in Karlsruhe) schreibt in der ZEIT: "Weil das Stück von Schirach die Unterscheidung zwischen Unrecht und Schuld fast vollständig unterschlägt, unterschlägt es auch die Tatsache, dass die Lösung des Dilemmas keineswegs nur 'jenseits des Rechts', also irgendwo im Reich der höchstpersönlichen, beliebig 'abstimmbaren' Moral gefunden werden kann, sondern dass es gerade das Recht ist (und sein muss), das sich die am weitesten gehenden und überzeugendsten Gedanken zu solchen Problemen gemacht hat.
... Die freudetrunkenen Abstimmungsregisseure der Stadttheater und Staatsschauspiele interessiert das nicht. Sie lassen die an der Nase herumgeführten Bürger durch die Türen hinaus und herein spazieren oder Karten hochheben, auf dass die Kunst sich einmal wieder verbinde mit dem ganz wirklichen echten Leben, so wie einst.
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Das ist die größtmögliche Verarschung des Publikums. Wer Unrecht und Schuld in eins setzt, fällt um Jahrhunderte (!) hinter unsere Rechtskultur zurück und benutzt seine Zuschauer als Gaudi-Gäste für eine Rechtsshow der billigen Sorte."