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Zur Diskussion über den Auftrag von ARD, ZDF und Deutschlandradio

Anmerkungen zu Aspekten medialer Berichterstattung


Ausgewogenheit

Es ist kein Zeichen ausgewogener Berichterstattung, jedem Verschwörungstheoretiker, Rechtsextremisten und jedem, der auf der Straße ein paar Satzstümpfe in die Kamera spuckt, auch noch ein Mikrofon unter die Nase zu halten. Wenn wir Zuschauer dann, nachdem wir zum fünften Mal dem dümmsten Verschwörungs-Unsinn lauschen durften, vielleicht auch noch einen einsamen, mit Kerze bewaffneten Kritiker der Nicht-Denker zu sehen bekommen, ist das die Art von Ausgewogenheit, die lediglich genau die Algorithmen kopiert, die auch das Netz zu einem unwirtlichen Ort machen. Skandal, Erregung, Hass, sie werden nach oben gespült. Vernunft und leise Töne bleiben auf der Strecke. „Hier ist keine Geisteshaltung zu erkennen“, erklärte eine WDR-Reporterin vor Ort in Gummersbach, während höhnisch grinsende Menschen, dicht an dicht und natürlich ohne Maske an ihr vorbeiliefen. Meine Kritik daran wurde schnell von der WDR-Seite gelöscht.

Kein Kommentar

Warum das ständige Zurückweichen? Warum wird der journalistische „Kommentar“ umbenannt in „Meinung“. Eine Meinung unter Millionen Meinungen in unserer Meinungsgesellschaft? Ein falsches Signal. Das journalistische Selbstbewusstsein - wo ist es geblieben?

Auch die Optik der Fernsehstudios zeigt uns, wie der menschliche Faktor an Bedeutung verliert. Wie auf der Brücke eines Raumschiffes, hinter langgezogenen Konsolen, gehen die Moderatoren in einer Kulisse von riesigen Bildschirmen unter. Überlebensgroß flammt dort ununterbrochene Bebilderung auf, Schultern und Spritzen. Spritzen und Schultern. Alte Schultern, junge Schultern, Kinderschultern, ich weiß nicht mehr, wie viele Schultern ich während der Pandemie schon zu sehen bekommen habe. Etwas mehr Phantasie in der Bildauswahl wäre gut, besser noch - einfach auf diese Bilder verzichten. Wir erinnern uns auch gerne an den Schattenriss eines Mannes mit einem Kind an der Hand - wie schön - zur Bebilderung von Gewalt an Kindern durch die katholische Kirche. Da bleibt nur noch Kopfschütteln.

Die Manie, alles zu vereinfachen und damit zu schematisieren, führt zu simplen Vorstellungen, die am Ende im Kopf auch falsche Schlüsse auslösen können. Schnitt und Kamera besorgen den Rest, sie folgen oft genug nur noch zeitgenössischen Moden. Das Bild verwackelt, schräg, angeschnitten, zoomen, zoomen, unscharf stellen. Fehlt nur noch der entsprechende Sound. Ah - da ist er ja. Ob es um Blumen, LKW oder Politiker geht, es gibt keinen Beitrag ohne das Einspielen dummer Musik.

Zeit

Was wir brauchen, sind Ruhe und Zeit. Zeit zu schauen, Zeit zu begreifen. Wir müssen uns Zeit lassen, Zeit geben. In dem Zusammenhang ein großes Lob an kundige, eloquente Moderatoren und Kommentatoren wie Kleber, Slomka, Miosga... sie stehen für das Herstellen von Zusammenhängen, verständliche und klare Erklärungen - für Qualitätsjournalismus. Auch „Illner“, eine hervorragende Moderatorin, lieferte während der Pandemie interessante Auseinandersetzungen. Selbst „Markus Lanz“ wurde zu einem überzeugenden Format. Talk mit Wissenschaftlern, Journalisten und Politikern, endlich ohne Komiker, Extremsportler oder die Kellys. Auch Sendungen wie „ttt“, Das literarische Quartett oder „Lesenswert“ sind Schmuckstücke der Fernsehkultur. In solchen Momenten bin ich dankbar nicht in Russland, China oder der Türkei zu leben. Diese Vorzüge müssen aber nicht immer wieder mit dem Hintern eingerissen werden. Das Gegenstück zur Propaganda bedeutet nämlich nicht, das Niveau der Berichterstattung ständig nach unten anzupassen, statt den Auftrag so zu definieren, es umgekehrt zu versuchen.

Das Programm insgesamt spiegelt ein Hinter-Dem-Zuschauer-Herlaufen, es will alle erreichen und zeigt sich damit im Bereich der Unterhaltung durchwachsen von Katastrophen. Das Publikum wird für dumm verkauft. Und da geht es nicht nur um die üblichen Grausamkeiten: Silbereisen, Traumschiff und die Papa-Ist-Dämlich-und Mama-Überfordert-Komödien.

„Sissi“ - na schön. Gerade in Zeiten unbedingt Stereotypen vermeiden zu wollen, ein Muss… Wer aber kommt eigentlich auf die Idee, zu jedem Feiertag den unterirdischsten Quark, wie „Die Lümmel von der letzten Bank“ zu senden? Auch Filme wie „Quax, der Bruchpilot“ müssten sich so langsam überlebt haben. Obwohl - der Film wurde 1941 von der Ufa gedreht, derselben Ufa, die sich schnell jeder Ideologie anpassen konnte und kann. In den alten Ufa-Nazi-Filmen ging es um Disziplin und Kameradschaft. Heute soll es in Ufa-Filmen um „Gender, LGBTIQ, People of Color und Menschen mit Beeinträchtigung“ gehen. Was bedeutet das? Eine späte Wende oder die erneute Einschränkung künstlerischer Freiheit? Auf jeden Fall werden auch heute ideologische Kriterien für die Film- und Fernsehproduktionen zur Pflicht gemacht.

Kulturzeit ohne Kultur

Im Bereich Kultur werden kreative und kritische Beiträge immer seltener. Ich frage mich warum in Sendungen wie „Kulturzeit“ oder „aspekte“ auf der einen Seite immer mehr einschlägige Promotion-Videos von einfältigen Pop-Sternchen zu sehen sind, ohne dass dazu auch nur eine kritische Bemerkung fällt und auf der anderen Seite fast nur noch „Themen verhandelt“ werden. Ein Rassismus-Skandal jagt den nächsten, bevor noch ein Sexismus-Skandal auf dem Fuße folgt. Jeder Satz wird nach „falschen Worten“ abgesucht, wird die Achtsamkeit verletzt, wird das schnell als „systemisch“ eingeordnet und wird ebenso zum Skandal, Kulturberichte scheinen nur noch dem Vokabular der Postmoderne zu folgen. Berichtet wird nur noch, wenn es um performative „Erzählungen“, um „Diskriminierungshintergrund“ oder um queeren Aktivismus geht, wenn der Sprecher „artists“ falsch mit Künstler*innen übersetzen darf, und sich Kultur korrekt, authentisch, nachhaltig, empowerd und woke präsentiert. 

Was hier fehlt, ist die Kunst an sich - verwerflich, satirisch, verdächtig, unkorrekt, verletzend, unbeherrschbar, weil sie Kunst ist. Kunst bedient keine politischen Überschriften. Aber genau das ist im ängstlich-rechtlich Raum zur Regel geworden. Kaum zu glauben, wer sich zu welchen Themen heutzutage im Fernsehen äußern darf.

Der millionenschwere Rapper redet über Diskriminierung, weil er schwarz ist, eine Schauspielerin kommt zu Wort, weil sie sich weigert ihren Beruf auszuüben (Sie will auf der Bühne keine Gewalt spielen und zeigt sich entsetzt, von einem alten weißen Regisseur dafür angeschrien zu werden). Von „Ich bin kein Kostüm“ über die Ablehnung des Rollenspiels als „kulturelle Aneignung“ bis zum Verdammen „weiß gelesener“ Stücke - es gab im letzten Jahr fast nur noch Beiträge über Skandale.

Die neuen Regeln

In der ARD glaubt man durch die Besetzung eines schwarzen Schauspielers (in der Community POC genannt) eine Soap zum Bollwerk gegen Rassismus zu machen. Die Verlogenheit des Kitsches von „Rote Rosen“ bleibt davon unberührt. Inhalt egal, Hauptsache die Oberfläche wird aufpoliert.

Nach der Ufa haben uns auch die „Amazon Studios“ gezeigt, was wir in Zukunft erwarten dürfen. Seit Juni 2021 ist auch hier das „Eintreten für Diversität, Inklusion und Gerechtigkeit“ Pflicht geworden: „Es sollen nur noch Schauspieler engagiert werden, deren Identität (Geschlecht, Geschlechtsidentität, Nationalität, Ethnizität, sexuelle Orientierung, Behinderung) mit den Figuren, die sie spielen, übereinstimmt.“

Hamlet nur noch von einem Dänen gespielt? Andererseits: Dänemark ist England. Also muss es doch ein Engländer sein? Othello dürfte nach diesen Vorgaben nur noch von einem schwarzen Mörder gespielt werden. Ja - es ist Irrsinn und es hat Methode. Ein Aufschrei war nicht zu hören.

Falsche Sprache

Dazu passend hat sich gezeigt, dass offenbar vor allem in Ihren Sendeanstalten „Geschlechtergerechtigkeit“ durch Einführung seltsamer Sprachschablonen erzwungen werden soll. Das Ergebnis ist vollständige Verwirrung. Was bleibt hier von „Alle mitnehmen“? Schauen wir auf eine ganz normale Nachrichtensendung. Da ist von Fachminister*Innen die Rede, dann hören wir von „Ärztinnen“, obwohl es um Ärzte geht, da werden bezahlte Mitarbeiter zu „Mitarbeitenden“, es werden fleißig Lehrerinnen und Lehrer, Schülerinnen und Schüler aufgezählt, Menschen werden zu Buchstabenkolonnen - von LGBTQN+ bis POC - und schließlich spricht der Kanzler von Bürgern und Bürgern. Insgesamt zählen wir in nur dieser Sendung sechs verschiedene Varianten, nur eine Frau spricht in der siebten Variante unsere gemeinsame Sprache: Anne Sophie Mutter sagt von sich, sie sei „als Musiker“ über die Akustik der „Elfi“ begeistert. Musiker. Wunderbar. Musiker bezeichnet alle Menschen, die Musik machen, egal welches Instrument, egal welchen Geschlechts. Wir haben in unserer Sprache eine Form, die alle meint. Warum also werden sechs Varianten falscher Sprache geduldet, ohne dass der Intendant oder eine Redaktion eingreift. Die Moderatorin Niharika Sen darf im ZDF Live-Stream sogar die Zuschauer mit Liebe User*Innen begrüßen, sie hat noch nicht einmal begriffen, dass es im Englischen gar keine Genderform gibt. Peinlich, ausgerechnet in einem Livestream über Wissenschaft einer der Sprach-Wissenschaft widersprechenden Sprache zuhören zu müssen. Jeder kann sprechen wie er will - heißt es. Das kann im Alltag gelten: Idiome, Gossensprache, Gendersprache, Dialekte, Kanak-Sprak - aber in Behörden, Universitäten und Sendern muss unsere gemeinsame Sprache gelten. Warum wird diese Selbstverständlichkeit ignoriert? Warum wird, vor allem im Deutschlandfunk, geradezu das Gegenteil praktiziert?

„Ohne Blabla“ heißt es in der TV-Werbung des Senders. Das ist gründlich misslungen. Im Deutschlandfunk hat das Gendern im Schatten der Pandemie eine geradezu hysterische Dimension angenommen. Wenn das ununterbrochene Stottern dann schon lächerlich wird (auch das könnte übrigens ein Mensch mit erhöhtem Förderbedarf als Diskriminierung empfinden), werden wir noch mit der falschen Anwendung des Partizips gequält. So manchen Moderator (kann auch eine Frau sein) würde ich gerne noch einmal in die Schule schicken, um ihm (kann auch eine Frau sein) dann die Verlaufsform und damit das Prinzip der Gleichzeitigkeit erklären zu lassen, damit er (kann auch eine Frau sein) versteht, dass es „Reiserückkehrende“ einfach nicht geben kann. Reiserückkehrende werden niemals ankommen können. Willkommen im Paralleluniversum „Fliegende Holländer“. Trotz alledem findet das dumme, alternative Sprachsystem weiter Anwendung und Verbreitung. Haben wir nicht alle langsam die Nase voll von alternativen Fakten und Paralleluniversen? Womit müssen wir noch rechnen? Wird im MDR bald wieder von „geflügelter Jahresendfigur“ oder dem „antifaschistischem Schutzwall“ die Rede sein? Na dann…

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