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Abschluss mit Lust

Eine Theaterinszenierung, die von Schauspielerinnen und Schauspielern beherrscht wird?

Die Abschlussinszenierung einer Schauspielschule: hier könnte sich das Bühnengeschehen schon naturgemäß um die Spielenden drehen. Erste Voraussetzung für Theater.

Und tatsächlich. Im Art Theater Ehrenfeld konnte ich mich freuen, erstaunen, hören, lachen, schauen. Die Abschlussarbeit der Theaterakademie Köln wurde zu einem guten, leichten, schwingenden Abend, der von der Spielfreude des Ensembles geprägt war. Hier wurde sichtbar, was immer seltener sichtbar wird oder werden darf - Energie, Rhythmus, Verwandlung, Komik. Lust.

Apropos: Lust und Schauspiel im Theater sind ganz schlecht für Chancen auf Förderung.
Das Art Theater - ich konnte mich an der Bar vor der Vorstellung mit dem Kollegen unterhalten, der das Ganze seit Jahren leitet - ist in Gefahr geraten durch die Auslöschungspolitik des Kulturamtes (Amtsdeutsch: Sparkurs). Der Kollege hat reagiert, musste reagieren. Im Art Theater, das sich immer schon mit einer guten Mischung an Veranstaltungen auch selbst finanzieren konnte, wird es in Zukunft kein Theater mehr geben können.

Ich betrat den Saal und es überkam mich die übliche Beklemmung, wenn ich vermuten darf, die laute Musik, die schrille Beleuchtung und die in Posen erstarrten und ruckweise sich bewegenden Figurinen, werden eine Fortsetzung finden, wenn alle Zuschauer Platz genommen haben.

Aber: Licht. Eine Clownin (Linda Simm) spricht über den “Alptraum vom Glück”. Klar in Sprache und Haltung. Die gelungene Inszenierung der Szenenfolge von Justine del Corte kommt ohne den üblichen Firlefanz zeitgenössischer Inszenierungen aus. Die verschiedenen Schicksale, die sich zu einem gemeinsamen zu verbinden scheinen, finden gefasste Figuren, die Besetzung gelungen, zweite Voraussetzung für gutes Theater. Die Gestalten gehen, laufen, liegen auf einer bunten, weichen Würfellandschaft, werden, eine nach der anderen, durch einen großen, roten Mund über eine Rutsche auf die Szene gespült. Eine Frau spricht über ihren Vater, der ihr erklärt, nach einem Kuss wachse eine Blume aus der Mundhöhle. Celina Engelbrecht leuchtet in Emotionen, klar und nuanciert. Die Regie (Bernhard Bötel) lässt viele Feinheiten zu, mit denen seine Protagonisten Energie und Timing ausloten können. Nur selten geben die jungen Darsteller zuviel des Guten, aber auch dann gerät das Ganze nie aus den Fugen. Auch Gesang und Choreografie sind schlüssig. Ein Reigen tragischer und komischer Vergeblichkeiten, ein Casting trauriger Gestalten. Manchmal taucht ein Regisseur auf (Energiegeladen: Harald Hauber), der die Auftretenden niedermacht und seine Assistentin (wunderbar in dieser Rolle: Acerina Zambrano) immer wieder in die Wüste schickt, bis er selbst seiner Rolle nicht mehr sicher sein kann.

Das Spiel von Celina Engelbrecht, Harald Hauber, Max Heller, Marylin Pardo, Linda Simm, Dorothea Toenges, Isabel Vollmer, Acerina Zambrano und Marlene Zilias ist intensiv, in Einzelfällen schon von erstaunlich entwickelter Geschmeidigkeit und Präzision (Engelbrecht, Simm, Hauber). Vor allem aber findet das Spiel Überzeugungskraft durch ein sehr homogenes Ensemble. Das macht Hoffnung auf Zukunft. Auf die Zukunft der Schauspielerei.

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