Direkt zum Hauptbereich

Söhne des Äthers

Im Theater bezaubert zu werden ist wunderbar. Über Radio Ro hatte ich geschrieben. Über die erste Inszenierung in der Ära Beier, die ich sah. Natürlich war ich jetzt da. Zum neuen Sienknecht-Abend. Die "Söhne des Äthers" sind Söhne und Töchter von Radio Ro.

Sie tauchen auf in fast derselben Besetzung. Sie tauchen auf aus der dunklen Stille. Das alte Radio ist wieder da, der Plattenspieler und Gerätschaften mit Lampen und Schaltern. Neu sind die Fauteuils, 60er Jahre, im Halbrund, wie es im Inneren eines Raumschiffes üblich ist. Die Uhren sind keine Studio-Uhren, darüber steht Erde, Mond, Mars. Die Gesichter von Gestalten, unter Helmen von kleinen Stablampen angeleuchtet, tauchen auf. So sehen sie also aus, die Borg, nicht so wie bei 'Enterprise', so wie hier. Ein Höllentrip? Auf jeden Fall ernster als Radio Ro.

Aber wieder muss ich Tränen lachen. Odyssee 2001 - Also sprach Zarathustra - mit Cello, Violine und Flöten, schräg, die große Kunst der kleinen Form. Der Abend ist voller Musik, also Rhythmus. Innehalten, beschleunigen, unterlaufen. Präzise, klar, schön und abgefahren. Nach einer Reihe Abschiedslied-Fragmenten ist das Drehen des Zündschlüssels erfolgreich. Beschleunigung. Tanzen, singen, nichts weiter.

Aufstellung in Phantasie-Raum-Glitzer-Kostümen, Sendersuche im Röhrenradio, die ganz alten Hits im Original mit neuem Refrain: "Söhne des Äthers", der große, androidische Mann auf Plateausohlen wird von der kleinen Frau angetanzt, heftig, zaghaft, fragend, fordernd, sie springt in seine Arme, er hält sie, anschließend singt der Mann 'Bee Gees' ohne Kastratenpopstimme, volltönend: "Tragedy".

Schauspieler singen als Raumschiffcrew auf der Kommandobrücke unter dem blauen Licht eine mehrstimmige Hymne von der Liebe. Sie schweben mit der Musik. Ein Opern-Duett mündet in absurden Männertanz. Über einen Fernsehschirm sehen wir den berühmten hüpfenden, fallenden Astronauten auf dem Mond, im Hintergrund reicht eine Hand aus einer Luke eine Tasse Kaffee. Die leuchtet später zur Musik wie wir.

Es ist die eindringliche Genauigkeit, die gnadenlose Komik, die Enttäuschung der Erwartung, die erfüllte Emotion. Energie. Wir fliegen mit. Danke für eine tolle Reise.

Beliebte Posts aus diesem Blog

Die Gartenschau...

ist auch nicht mehr unschuldig. Das Thema Kostüm ist ein schwieriges geworden, sagt eine Moderatorin im WDR. Der Inhaber eines Kostümverleihs in Köln erzählt von der besonderen Vorsicht vor allem der jungen Leute. Kein Scheich, kein Indianer… Vor zwei Jahren hat man sich zu Karneval noch ein Betttuch übergeworfen, heute haben die jungen Leute Angst damit einen Scheich zu beleidigen. Um die Ecke meines Theaters gab es „Altentheater“. Viele ältere Menschen hatten dort Spaß am Spiel. Auch eine Tanzgruppe von Seniorinnen der AWO hatte sich anlässlich der Bundesgartenschau 23 ein besonderes Programm einfallen lassen: „Weltreise“. Mit phantastischen, zum großen Teil selbstgenähten Kostümen sollte diese Reise um die Welt auf die Bühne kommen. Doch dann knallte es: „Wir sollen die spanischen Flamenco-Kostüme, den orientalischen Tanz, den mexikanischen Tanz mit Sombreros und Ponchos, den japanischen Tanz mit Kimonos, den indischen mit Saris und den ägyptischen Tanz, in dem wir als Pharaoninnen

Theater in Köln - wohin?

Die „Theaterkonferenz“ hat sich aufgelöst. Eine gute Idee? 1979 wurde auf Anregung von Jürgen Flimm ein Bündnis für alle Theater gegründet, die Kölner Theaterkonferenz. Ob städtisch oder frei, englisch, griechisch, türkisch oder kölsch, Vielfalt war Programm. Nach 40 Jahren hat sich diese „Theaterkonferenz“ nun in einen „Verein für darstellende Künste“ aufgelöst, der sich, neben den Aufgaben einer Künstlervertretung, besonders einer neuen Aufgabe widmet, nämlich ideologische Speerspitze der Identitätspolitik zu werden. So verwenden die Protagonisten auch schon die berüchtigte Alternativ-Sprache, die zur Zeit in bestimmten Medien durchgesetzt wird, eine künstliche Sprache, in der es von :innen nur so wimmelt. Signal: Wir sind die Guten. Mit diesen neuen Sprachschablonen, die sich nur noch um Geschlecht und Hautfarbe drehen, soll ein neues Denken eingeführt werden. Früher ging es um Menschen, die Theater machen, sogar um Kunst, heute haben wir es mit User*innen, mit POCs und LGBTQA+* zu

Neusprech und Krieg

 Der gestrige Tag war ein in fürchterlicher Tag. Putins Überfall auf die Ukraine hat mich erschüttert. Dass es tatsächlich soweit kommen würde, habe ich noch zuletzt nicht für möglich gehalten. „Nie wieder Krieg“ - es war eine Illusion. Gestern morgen dachte ich noch, dass jeder, gerade in unserem Land, den Krieg ohne wenn und aber verurteilt. Aber dann: es gibt schon wieder zu viel „aber“. User:innen lamentieren auf den „sozialen Netzwerken“ über Putins „Befindlichkeit“. Nicht gesehen, nicht gehört, seit Jahren diskriminiert - also muss er sich wehren und die Ukraine „entnazifizieren“. Die Wahrheit wird einmal mehr auf den Kopf gestellt - Lüge wird zur Wahrheit umgeschrieben. Schon beschämende Auftritte von Frau Wagenknecht und Frau Krone-Schmalz in Talkshows führten zu Kopfschütteln. Sie gebärdeten sich, als wären sie Putins Pressesprecherinnen. Was ist los in diesem Land? Ein gemeinsamer Boden für Kommunikation, gemeinsame Begriffe, die sich auf Fakten stützen, sind auch der Boden f