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Kinderfernsehen in Deutschland - Die goldene Kamera 2017

Seit Jahren feiert sich das deutsche Fernsehen mit den Höhepunkten deutscher Witzigkeit in Preisverleihungen. Bambi oder Kamera. Höhepunkte aller Höhepunkte der Fernsehgeschichte eines Jahres. Dieses Jahr allerdings erreichte die ‚Kamera’ einen neuen Gipfel. Hier wurde nichts ausgelassen. Dass amerikanische Stars hier für die seriösen Beiträge verantwortlich waren, sagt schon einiges.

Seriöse Momente, ein zusammenhängender Gedanke, der auch im Zusammenhang belassen wird, das ist im Fernsehen immer schwerer zu finden, selbst aus den Haupt-Nachrichten werden wir heutzutage
bombardiert mit Bildsplittern, Fünf-Sekunden-Interviews und all den dummen Gesichtern von der Straße, die vor eine Kamera gezerrt werden müssen - von wegen Volkes Stimme - damit diese 'Experten' zu allen Probleme dieser Welt im O-Ton und auf sächsisch das Wort "unfassbar" absondern dürfen, oder ihre dummen Sätze mit dem großen "ABER" (Ich hab ja nichts gegen... ABER) und dabei qualvoll versuchen, wenigstens einen Satz unfallfrei ins Mikrophon zu blubbern. Wieso müssen wir das eigentlich ertragen? Und wenn keine Einspieler von der Straße kommen, dann bekommen wir die Tweets und Posts der Dummbeutel mit Sicherheit vorgelesen. In einer Nachrichtensendung! Und zwischen all dem quillt der unvermeidliche Dämmstoff von Schmunzel- und Witzigkeitseffekten. Allüberall: Boulevard! Bild macht dumm ist lange her.

Cool und jung
Je später der Abend, desto bunter die Mischung, die von Moderatoren, denen es übrigens auch immer schwerer fällt zwischen Dativ und Genitiv zu unterscheiden, aber wem stört das noch, also die von Moderatoren in einem Ton serviert wird, als befänden wir uns im Kindergarten und man müsse uns die Welt ganz einfach, in großen Lettern und Bildern aber hopphopphopp und eins zwei drei erklären. Ob ihr richtig steht, seht ihr wenn das Licht angeht. Es geht aber kein Licht mehr an. Keine Birne, keine Zeit zum Nachdenken. Motto: Holt die Leute da ab, wo sie sich befinden. Also steigen wir weiter hinab, ins Dunkle, Stufe um Stufe. Mittlerweile fängt es schon an zu riechen. Die braune Sickergrube ist in Reichweite.

Die Kinder-Spätnachrichten heißen heute Plus oder X-tra oder X-press und werden, im Gegensatz zu den Moderatorinnen des frühen Abends, die brav ihre Pferdeschwänzchen links- oder rechts auf dem Blazer ablegen, jetzt von hippen Kurzhaar-Frisuren, oder offenen Blüschen und offenen Haaren rechts auf dem Blüschen, präsentiert, die als erstes natürlich gar nicht wissen, wie X-press ausgesprochen wird. Das ist das Problem, wenn keiner mehr weiß ob amerikanisch oder deutsch oder hip oder hopp. Egal. Hauptsache es klingt zeitgenössisch. Xtra dot com. Wieso ausgerechnet der Kanal für die Zuschauer, die erst ihren Arzt oder Apotheker fragen müssen, hip sein will, bleibt rätselhaft. Wahrscheinlich weil man ab 23 Uhr die Alten im Bett wähnt. Dabei sind es heute die Studenten.

Also zurück zu den gänzlich Ausdruckslosen, die zu später Stunde noch zuschauen, weil ihnen die Energie fehlt zum Computer zu kriechen. Bleibt sitzen. Seht hin. Ihr könnt es verstehen. Denn zu jedem Bericht werden nicht nur witzige, ironisch klingende Sprechblasen abgesondert, sondern auch Bildchen, Sprechblasen und lustige Animationen eingeblendet. Und die Sprech-Blasen bewegen sich mit dem Gesicht des Sprechenden zu jeder kleinsten Bewegung mit, die Sätze des Sprechenden werden dazu - Blitz Blitz - zerhackt, während drei Hauptworte der Kurzsätze in der Sprechblase zu sehen sind. So versteht ihr. Nur ich verstehe nichts mehr. Weil ich mich lautstark über diese Dummheiten aufrege und so weder zuhören kann noch zum lesen komme.
Früher gab es ‚Logo‘ - Nachrichten für Kinder, heute sind alle Nachrichten X-tra Logo. Und der spöttisch-witzige Ton wird noch tantenhafter, wenn es um Kultur geht. Zum Schluss. Mit Schmunzeln. Da flippe ich aus. Früher...

3nach9 1976
Früher, in den alten Fernsehzeiten, war alles - auch nicht anders. NDR 'Classics' hat mir geholfen mich zu erinnern: 3 nach 9. Zum Beispiel der Moderator, der sich intellektuell geben will und eine halbe Stunde lang eine Frage in den Raum zu stellen versucht, die er mit bedeutungsschwangeren Denk- und Formulierungspausen noch mehr in die Länge zieht, um die Antwort des Gastes nach einem Halbsatz zu unterbrechen, um 'nachhaken' zu können. So geht es also auch. Die Sprechblasen sind nur mit noch mehr Luft gefüllt. Und mit Zigarettenrauch. Während der Gast, zum Beispiel ein österreichischer Hähnchen-Unternehmer, zwischen diesen Dunstglocken in die Mangel genommen und sozialdemokratisch-kritisch auf fehlende Mitbestimmung angesprochen wird, kommt 'Witzigkeit' ins Spiel. Eine dicke Frau wird gezeigt, Nahaufnahme, die immer wieder zwischen das Gespräch geschnitten wird. Die dicke Frau sitzt, lustig-ernst im Hintergrund und frisst ein Hähnchen, so, dass ihr das weiße Faserfleisch zu den fettverschmierten Mundwinkeln heraushängen kann. Wahnsinnig kritisch und wahnsinnig witzig. Heute werden aus solchen Zutaten ganze Theaterinszenierungen gemacht.

Aber zurück zur Feier des Fernsehens. Die ‚Kamera’ 2017.
Ich musste schon befürchten, dass wegen Erdo-Wahn der Grimassenschneider Böhmermann eine Kamera bekommen würde. Der Preis ging aber Gott sei dank an die 'heute show'. Gerade noch davon gekommen. Trotzdem zu früh gefreut. Denn die Lümmel von der letzten Bank beherrschen heute nicht nur die Millionen Kabarettsendungen...

Jane Fonda, ausgezeichnet für ihr Lebenswerk, freut sich über drei Preise für drei Nachrichtensendungen - in Deutschland dürfen also schon drei Sender die Wahrheit sagen. Seitenhieb gegen Trump. Wow! Schmunzelhöhepunkt und Applaus. Sie ist aber noch nicht fertig: "Die ersten Schritte der Faschisten sind die Freiheit der Presse anzugreifen.“
Wow! Erst Barbarella, dann Aerobic und jetzt ein Aufruf zum Kampf!
Allerdings ist das Wort ‚Faschisten‘ in der deutschen Simultanübersetzung nicht zu hören. Kein Schmunzel-Faktor.

Witzigkeit bis zum Abwinken 
Nach Verzückungshysterie im Angesicht amerikanischer Stars, durch den bärtigen Moderator Marke Abenteuer-Doku, ist dann aber endlich wieder die bekannte deutsche Witzigkeit angesagt.
Annette Frier und ein anderer Typ mit Bart schneiden Witzigkeits-Gesichter, um darauf aufmerksam zu machen, dass es jetzt wirklich ernst-witzig werden wird, so wie es in der Ära Böhmermann üblich geworden ist. Aber sie grimassieren nicht nur, sie führen auf der Bühne tatsächlich einen Tanz auf, einen witzigen Tanz, einen Hottentotten-, oder Woodoo- oder einfach Urwald-Tanz. Ugga Ugga Ugga - dazu greift sich Annette an die Titten und drückt sie - „beste Schauspielerin“, röhren beide mit Urwald-Stimmen, der bärtige Typ steckt in einem riesigen, goldenen Briefumschlag-Kostüm und tanzt mit, spätestens jetzt kennt die Witzigkeit keine Grenzen mehr.

Einer der amerikanischen Stars kann sich nun nicht mehr zurückhalten und macht den ‚Scheibenwischer‘ - andere schauen sich entgeistert an. Komplett bescheuert, diese Deutschen.
Auch den deutschen Berühmtheiten stehen jetzt die Münder weit offen. So etwas Lustiges haben sie schon lange nicht mehr gesehen. Jetzt fehlt nur noch Barbara Schöneberger oder ein Auftritt von Roberto Blanco oder Howard Carpendale oder von noch einem Witzigkeits-Experten aus der Abteilung Abitur-Gag, der vielleicht als Doppelgänger eines amerikanischen Stars erscheinen und seinen Preis den Abiturienten Joko und Klaas widmen wird. Keine Sorge, das kam alles auch noch. Alles. Gnadenlos. Wirklich uns wahrhaftig.

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