Direkt zum Hauptbereich

Corona als Scharfzeichner

Gerade in einer so tiefgreifenden Krise wie der gegenwärtigen, sieht vieles so aus, als könnten wir es durch die Lupe betrachten.

Ob wir dadurch klüger werden? DANACH sehen wir weiter. Wir sehen heute schon anders auf die Welt, auf die Dinge, auf die Menschen. Auch uns selbst können wir anders sehen. Wer sind wir, wie sind wir? Größer, unbeweglicher? War ich vorher schon. Leiser? Rücksichtsvoller? War schon immer schwierig. Wir, eine gewisse Generation, konnten sich einer gewissen Grundfreiheit immer sicher sein (Sex, Drugs and Rock 'n Roll). Ob die Jungen in Zukunft ein Grundgefühl von Unsicherheit nicht mehr loswerden können? Ich hoffe nicht. Der Himmel jedenfalls ist ohne Kondensstreifen blauer denn je. Es ist stiller, die Amsel pfeift lauter. Selbst die Alptraumschiffe, hören wir, stellen ihre Kreuzzüge ein. Die Menschen halten Abstand. Die Lagune ist wieder blau.

Schauen wir aber ins Netz, ist alles wie immer. Die Situation kann noch so so dramatisch sein, das Netz geht auch noch 'viral', mit Verschwörung, dummen Kommentaren, braunem Sumpf. Spätestens jetzt müssten wir verstanden haben, wir sollten anders denken, sprechen, abwägen. Wir sollten unser Verhalten doch noch ändern. Zum Beispiel: zu Hause bleiben. Übrigens: Was an diesem kurzen, recht simplen Satz hattet ihr da nicht verstanden, ihr verdammten Dumpfbacken? 
Lange noch "feierte" die Party-Generation weiter. Es gäbe sowieso zuviel Alte. Lasst sie sterben. Außerdem sagt Doktor Fake: Alles Panikmache. Daher wähnten sich Teile der Comedy-Generation in Ferien. Sie hörten keinen Schuss, sie tranken ihn. Ihr Idioten!
Ich darf mich nicht so aufregen. Positive Gedanken stärken die Abwehrkräfte.

Fakt ist: Die Franzosen decken sich mit Wein ein, die Deutschen mit Klopapier. Erst klang es wie ein Witz, jetzt wissen wir: Die Krise bringt auch den Charakter eines ganzen Volkes zum Vorschein. 
Wir sehen hinter die Kulissen und durch die Lupe und es zeigt sich, mit welchen Defiziten und Krankheitssymptomen unsere Gesellschaft schon lange gelebt hat. Hashtag SocialDistancing. Alle müssen zusammenrücken. Abgesehen von diesem Widerspruch relativiert sich ein Begriff wie "Zusammenhalt" mehr und mehr, denn die Realität der Verarmung öffentlichen Lebens wird offenkundig. Die Räume werden enger. Sichtbar enger. Theater und Bars geschlossen. Ausgangssperre... Grenzen zu, die Diktatoren in Europa greifen nach der Macht. 

Die Frage stellt sich: Was ist neu, was ist anders?
Trump lügt. Wie immer. Und setzt die Gesundheit eines ganzen Volkes aufs Spiel. Journalisten in China 'verschwinden‘. Zudem treten auf verschiedenen Ebenen die Konsequenzen kapitalistischen Wirtschaftens schärfer hervor. Etwa durch die Sparmaßnahmen im Gesundheitsbereich.

Das Virus kann aber auch helfen, Probleme zum Verschwinden zu bringen.
Beispiel: Mönchengladbach. Nein, nicht die Stadt. Fußballspiel ohne Fans. Ist erst eineinhalb Wochen her. Nur Sponsoren, Eigentümer und Spielerfrauen klatschen im Stadion noch Beifall. Der Widerhall des Geldes im leeren Rund der Arena. Die Kritik am DFB, noch wenige Wochen zuvor das Thema in allen Stadien, ist nicht mehr zu hören und zu sehen. Dann wird der Ligabetrieb eingestellt. Die Fans sind ganz abgeschafft.
Und ich merke gerade, nach anderthalb Wochen ist es mir fast vergangen, darüber witzige Bemerkungen zu machen, aber nur fast.
Überhaupt verändert sich die Perspektive von Tag zu Tag. Und das ist ein positiver Faktor.

Was ist mit der Kultur jenseits der großen Arenen, jenseits der Fußballkultur? Auch hier ein dreifach donnerndes Hurra! Für den Tod der Kultur ist endlich keine Kulturverwaltung mehr zuständig, kein Großkonzern und kein Algorithmus. Dieser allgegenwärtige Tod wird im Lichte des Virus nur sichtbarer.
Und auch hier ist etwas Positives geschehen. Hilfen für "Solo-Selbstständige" werden genehmigt und überwiesen. Jeder, der schon einmal mit Kulturförderung zu tun hatte, ist geschockt und kämpft mit seinem schlechten Gewissen. Hier kann etwas nicht stimmen. Und der Verwendungszweck?

Zurück zur Realität. Theateraufführungen und Konzerte sind abgesagt. Flächendeckend. Es gibt ja Alternativen, heißt es. Der Kultursenator von Berlin gibt den Tipp, man könne ja zuhause streamen.
Genau. YouTube statt Theater. Videoprojektionen ohne Schauspieler und ohne Publikum. Aber auch hier stellt sich die Frage: Was soll da anders geworden sein? Die meisten Performer setzen das Theater schon lange mit flacher Bebilderung jedes Stoffes außer Kraft und sorgen für einen natürlichen Rückgang der Zuschauerzahlen.

"Nicht notwendig". Schluss mit Shakespeare und Tschechow. Das ist manchem Theater, das nicht ‚multimedial performen‘ will, auch schon ohne Virus klar gemacht worden.
Wofür brauchen wir in Zukunft überhaupt noch Theater? Nur die für den Tourismus interessanten Objekte sollten überleben. Musicaldom und Elbphilharmonie.
Aber vielleicht wird auch das ganz anders bewertet werden - DANACH. Immerhin ist in das Bewusstsein gedrungen, dass Kunst und Kultur nicht von Immobilien, sondern von vielen Künstlerinnen und Künstler in diesem Land gemacht wird. Ohne sie stehen die großen Tempel in Zukunft leer.

Und die allgemeine Bildung? Die Schulen werden geschlossen. Die Kinder lernen ‚viral’. Vorteil: Dann spielt der baufällige Zustand der Schulen keine Rolle mehr. Nachteil: Am Bildungsstand ändert sich nichts. Die Kindern brauchen eine Lernsoftware - die fehlt - oder es fehlen die Lehrer, die sie erklären - oder es fehlt das WLAN. Also: YouTube erklärt die Welt. Wie immer. Oder werden wir in der Krise auch aus der Bildungskrise Lehren ziehen? 

Für die Risikogruppen über 65, die ohnehin zuhause bleiben müssen und mit so etwas wie Bildung schon abgeschlossen haben, gibt es immer noch das ZDF. Die Flügel „Schlager“ und „Volksmusik“ unter Führung von Florian Silbereisen, werden zwar als Verdachtsfälle beobachtet, dürfen aber den Virus ‚Dummheit‘, plus CO2-Ausstoß (Traumschiff-Virus) weiter befördern. Impfstoffe sind bekannt, kommen aber nicht zum Einsatz. Im Gegenteil. Der "Sturm der Liebe" wird das geistige Klima noch stärkerer verdunkeln. Wie heißt es so schön: Da helfen keine Pillen. 

Und politisch? Was ist neu, was ist anders? China reagiert mit Totalüberwachung. In Russland bekommt der Diktator noch zwei Amtszeiten - alles wegen unsicherer Zeiten. Auch hier: alles wie immer. Und die Menschen flüchten auch ohne Virus - einfach vor dem Krieg. Europa schottet sich ab. Mehr als sonst? Ein wenig mehr. Was ist neu, was ist anders? Ach ja, da ist ja noch der amerikanische Horror-Clown.

Über Supermärkte fallen dicke Familien her, bis alles leer steht. Alle Hamster sind verschwunden. Kleine Einkaufswagen vor sich herschiebend, gefüllt mit Mehl und Toilettenpapier, fragen sie sich, warum alle so böse sind. Alle auf der Flucht. Alles in Panik. Alles wie immer. Nur schärfer.

Beliebte Posts aus diesem Blog

Die Gartenschau...

ist auch nicht mehr unschuldig. Das Thema Kostüm ist ein schwieriges geworden, sagt eine Moderatorin im WDR. Der Inhaber eines Kostümverleihs in Köln erzählt von der besonderen Vorsicht vor allem der jungen Leute. Kein Scheich, kein Indianer… Vor zwei Jahren hat man sich zu Karneval noch ein Betttuch übergeworfen, heute haben die jungen Leute Angst damit einen Scheich zu beleidigen. Um die Ecke meines Theaters gab es „Altentheater“. Viele ältere Menschen hatten dort Spaß am Spiel. Auch eine Tanzgruppe von Seniorinnen der AWO hatte sich anlässlich der Bundesgartenschau 23 ein besonderes Programm einfallen lassen: „Weltreise“. Mit phantastischen, zum großen Teil selbstgenähten Kostümen sollte diese Reise um die Welt auf die Bühne kommen. Doch dann knallte es: „Wir sollen die spanischen Flamenco-Kostüme, den orientalischen Tanz, den mexikanischen Tanz mit Sombreros und Ponchos, den japanischen Tanz mit Kimonos, den indischen mit Saris und den ägyptischen Tanz, in dem wir als Pharaoninnen ...

Falsche Sprache wird nicht richtiger, wenn sie verordnet wird.

Köln verordnet Gendersprache. Verwundert reibt sich der Leser die Augen. Ja, der Leser. Der Mensch der liest, egal welchen Geschlechts. Aber warum einfach, wenn's auch kompliziert geht. Warum es einfach richtig machen, wenn es auch falsch verordnet werden kann. Dafür gibt es Bürokratie. Es ist keine neue Erkenntnis, dass Bekanntmachungen der Kölner Stadtverwaltung meist das Gegenteil von dem bedeuten, was sie vorgeben: „Fahrradfreundlich“, „Kulturförderung“ - nun sehen wir: es geht noch schlimmer: „Geschlechtergerechte Sprache“. Ein entsprechender ‚Leitfaden’ verdient nicht einmal das Prädikat ‚Gut gemeint und schlecht gemacht‘. Gut gemeint ist nichts, diesmal geht es schlicht um den Kniefall der Stadtverwaltung vor einer Ideologie. Nicht nur, dass hier jede Regel der deutschen Sprache in den Wind geschlagen wird oder die Ablehnung der Gender-Sprache durch den zuständigen „Rat für deutsche Rechtschreibung“ keine Rolle spielen darf, d urch die Verordnung einer ‚falschen‘ Sprache wil...

Im Gedenken an meinen Freund Thomas Reis

Rede zur Trauerfeier in der "Comedia" am 30. August 2024 Thomas Reis. Es sind so viele Freunde da, es ist so viel vorbereitet. Mir fällt es schwer heute über ihn zu sprechen. Am liebsten würde ich weinen und anschließen ein paar Kölsch trinken. Aber: Thomas sagte: Du hältst die Rede. Toll. Diese Rede zu schreiben hat von mir das verlangt, was ich in über dreißig Jahren immer von Thomas verlangt habe. Von 1000 Seiten Text 995 zu streichen. Es sind so viele Erinnerungen, so viele Fußballspiele, so viel Kölsch, so viele Reisen, so viele wundervolle Auftritte, auf Gold-, Holz-, Kartoffel- und Reis-Bühnen, in Freiburg, Berlin, im Theater am Sachsenring und auch in der Comedia. Hier wollte er eigentlich nicht mehr auftreten. Kein Platz mehr für alte weiße Männer, erzählte er mir. Jetzt ist er doch wieder da. Geht doch. Thomas? Ich höre dich. „Liebe Freunde der belesenen Betroffenheit, Feministen und Feministinnen, trans-, bi-, homo- hetero- und metrosexuelle Menschenfreund*innen al...