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Künste der Welt - gescheitert in Köln

Die Akademie für die Künste der Welt in Köln – auch so eine Geschichte fehlgeleiteter Kulturpolitik.

Die Welt in Köln. Keine lokale Bindung, aber großer Anspruch. Und wieder meint die Stadt Köln, hier möge ein Leuchtturm entstehen. Interkulturell. Klingt gut. Und schon gibt es eine Million. Eine Million, für die die gesamte freie Theaterszene seit Jahren vergeblich gestritten hat.

Die freien Theater sind einfach zu klein, haben keinen globalen Anspruch, nur diese überflüssige lokale Bindung und die Bedeutung für das Publikum, dazu noch eine Verankerung in der Heimat-Stadt. Die erste Theaternacht Deutschlands entstand hier. Köln hat eine besondere Vielfalt. Also weg damit. Es gibt sogar Theater, die spielen noch Theater. Etwa „Mutter Courage“ und nicht „Digging.the.fucking.brecht.mother - reloaded“. Keine Sorge, ist in Arbeit.
Aber die Sache mit den dotcom-Titeln führt eben nicht immer zum Erfolg, zum Image des Global Players in Sachen Kultur. Die Stadt Köln ist enttäuscht.
Die erste Konsequenz. Kein Leuchtturm, also Kürzung des Etats von einer Million auf € 600.000.-

Was geschieht überhaupt in dieser fast unsichtbaren Institution. Auf der Internetseite ist das übliche Kraut-Und-Rüben-Themen-Hopping zu sehen - in schrägem Design natürlich. Jung und dynamisch. Und farbig.
Natürlich sind die Performer gegen PEGIDA und natürlich wird in einer ‚Streitschrift‘ gegen ihre Urheber zu Felde gezogen, zu denen folgende Intellektuelle zählen sollen: Hans Magnus Enzensberger, Ralph Giordano, Monika Maron, Günter Wallraff, Necla Kelek, Henryk M. Broder, Hamed Abdel-Samad. Als intelligente Menschen haben die letztgenannten den gewaltverherrlichenden Charakter einer mittelalterlichen Religion kritisiert.
Die neue Kultur-Toleranz will das nicht zulassen.

Dass Dummheit und religiöse Verzückung, auch ohne in Gewalt münden zu müssen, der Vernunft und der Menschlichkeit entgegenstehen - diese Erkenntnis ist für jeden Humanisten eine Selbstverständlichkeit. Aber Aufklärung ist in der Akademie offenbar in Vergessenheit geraten. Vergessen ist überhaupt ein wichtiger Faktor der Kultur-Elite geworden. Alles heutig, gegenwärtig, kompatibel, alles wird im großen Topf verrührt.

Deshalb liest sich das Mantra der Akademie wie eine kabarettistische Überhöhung des stereotypen Wortgeklingels der Internet-Multikultur. „Digging the Global South“. Toll.
Oder „Pluriversale“ - das ist ein Fest. Da darf natürlich Milo Rau und seine Performance nicht fehlen.

Multikultur ist gut. Identität ist schlecht. Schemata. Das Geschwätz der neuen Kultur-Elite wird nicht mehr lange darüber hinwegtäuschen können, dass besonders diese Elite rechtes Gedankengut salonfähig macht und eine Kultur predigt, die von Populismus nur so starrt. Alles zum Event, alles zur Performance zu machen ist nichts anderes als Populismus. Der Feind: Die Erzählung, das Theater-Theater, Tradition, Ensemble. All das muss abgeschafft werden. Zu kompliziert, zu sprachlastig, zu sozial, zu sehr ‚Kunst‘.
Dafür werden Religion, Schamanismus, Tanz, Fakten-Check und Video durcheinandergewürfelt um als Cross-Over-Kultur auferstehen zu können. Mediale Zersplitterung wird gedanklichen Zusammenhängen entgegengestellt. Bislang war Identität immer ein Projekt vernunftbegabter Menschen. Auf der Seite der Akademie aber finden wir den Satz:  „Wie dekonstruiert sie (die Kunst) nationale Identität?“ Seit langem nicht mehr so einen reaktionären Satz gelesen. Reaktionär, links, Mann Frau, egal.

Als fortschrittlich galt noch vor Jahren, sich der Geschichte zu stellen, sich ihrer bewusst zu sein, Traditionen zu kennen, eine Bindung zur Geschichte herzustellen, um eben gerade denen entgegenzutreten, die immer schon Debatten beenden wollten, mit Sätzen wie „Ich hab nichts mit Nazis oder Krieg zu tun, ich war noch gar nicht geboren.“ Diejenigen, die so versuchen, sich und uns mit solchen Sätzen aus der Geschichte zu verabschieden - sie wollen, dass wir nur noch ohnmächtig im Hier und Jetzt trudeln. Dieses bedeutungsverlorene Trudeln wird natürlich gefördert von der ‚innovativen’ internetbesessenen Kultur und ihrer zwanghaften Gegenwärtigkeit. Und siehe da: Die dazugehörigen starren Bürokratien fördern natürlich genau diese Kultur, nur noch diese Kultur, weil das so modern klingt und sich niemand mehr Gedanken machen muss um Qualitätskriterien. Und schau an: Auch die Medien verbraten nur noch Beiträge über Erregungskultur. Sonst laufen die Leute weg. Oder schalten ab. Sie sind das Volk.

Als es noch um Kultur und Debatte ging, als die Kunst noch eine eigene Sprache pflegte, haben wir entgegnet: Wir müssen entdecken, was uns durch unsere Vorfahren, unsere Geschichte und Erziehung zu denen gemacht hat, die wir sind. Was macht unsere Kultur aus? Wir können erforschen wer wir sind, um danach auch besser wissen zu können, wohin wir gehen. Nur durch die Kenntnis der Verbrechen und das Verständnis ihrer Wurzeln konnten wir uns gegen die Verbrecher wenden.

Das sehen nicht alle so. Vor kurzem trat eine Frau im Magazin ‚aspekte’ auf, Sasha Marianna Salzmann, sie arbeitet im Gorki Theater in Berlin, um auf die begeisterte Feststellung der Kultur-Moderatoren, sie sei Jüdin, Russin, Theaterfrau, Queer... unter nervösem Gestikulieren klar zu machen, dass Identität keine Rolle spiele, dass Identität flexibel sei. Jüdin oder auch nicht, Frau oder nicht... Russin? Sie könne alles sein. Alles flexibel, alles beliebig, jedes Geschlecht, keine Sprache...
„Man kann natürlich sagen ich bin das das das das“, sagt sie in einem Einspieler, „Ob das etwas über mich aussagt, das bezweifele ich.“
Das ist der Irrsinn eines Kultur-Geplappers, das in eben solchen Worten einen reaktionären Kern enthüllt, der aber offenbar nicht als reaktionär wahrgenommen wird.
Ich habe spontan gedacht: Die hat sie nicht mehr alle. Und der Moderator schwieg. Natürlich. Immerhin macht sie experimentelles Theater.

Niemand wagt auszusprechen, dass hier eine gefährliche, verantwortungslose, rechte Gesinnung zu Markte getragen wird. Hier hätte ein Mensch, eine Frau, Profil schärfen können, stolz sein können auf ihre Wurzeln, auf ihre Identität. Frau, Russin, Jüdin. Aber nein.
Es stimmt schon: Gesichtslosigkeit, Gesinnungslosigkeit und Geschichtslosigkeit, sind Markenzeichen des zeitgenössischen Kulturbetriebes geworden.
Keine Geschichte, kein Theater, keine Sprache. Stattdessen performative Austauschbarkeit.
Das Gorki Theater erhält folgerichtig einen Theaterpreis wegen seines „performativen und diskursiven“ Programms, seine Schauspieler aus allen Teilen der Welt, spielten sich heraus „aus Schubladen, Zuschreibungen und (Gender-)Eindeutigkeiten“. So heißt es tatsächlich in der Begründung der Jury. „Identität ist für sie keine fixe Kategorie, sondern die Möglichkeit, sich immer wieder neu zu betrachten und zu hinterfragen.“ Immer neu hinterfragen.
Der Kulturbegriff dieser Leute hört sich schon seit Jahren an wie die Therapiestunde gescheiterter Sozialarbeiter.

Dafür steht auch die Akademie. Künste der Welt? Nein. Deutsch-pubertierende Künstler mit Migrationshintergrund sind nicht 'die Welt'. Postkolonial? Nein.
Ein Sammelsurium medienkompatibler Veranstaltungen, die Kulturschaffende aus der eigenen Stadt ausgrenzt, ignoriert, eine solche Mixtur setzt eher Maßstäbe der Kolonisierung des gesamten Kulturbetriebes unter korrekte Überschriften. Debatte? Nein. Ausstrahlung? Null.
Und jetzt? Kolleginnen und Kollegen, die sich selbst so gerne als Leuchttürme sehen, mindestens aber die Zuschüsse dafür einstreichen wollen, erklären sich solidarisch und wenden sich gegen die Kürzung. Haben sie Sorge, dass auch sie betroffen werden könnten. Ich habe eher Sorge, dass es bald keine Kunst mehr gibt.

Ein klares: Geld für die Kunst.

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