Direkt zum Hauptbereich

Aber? Einzeltäter?

Kurz vor Karneval 2020 erschießt ein Rassist 10 Menschen in Hanau. Er redet im Netz von Säuberung und Völkervernichtung, wie so viele. Aber er mordet auch.

Reporter werden vor dem Tatort aufgepflanzt - diese reden sich, wie so oft, um Kopf und Kragen. Nachdem von jedem einzelnen pflichtgemäß der Begriff ‚Fassungslosigkeit‘ fällt, hören wir weiter von einem rassistisch motivierten Täter, aber - so heißt es dann - ABER vielleicht haben wir es auch mit einem Einzeltäter zu tun, der nur geistig verwirrt war. Was heißt hier ‚nur’, was heißt hier Einzeltäter? Was heißt hier ‚ABER‘? Faschismus war und ist immer ein Konglomerat aus wirrem, völkischem, rassistischem Gift, aus Verschwörungen, Hass und Vernichtungsphantasien. Diese Zusammenhänge kennen wir in Deutschland nur allzu gut. Auch Anfang der 30er Jahre des vorigen Jahrhunderts gab es genug Intellektuelle, genug Menschen jüdischen Glaubens, die sicher waren, dieser wahnsinnige Hitler wird nach einem Intermezzo schon bald Geschichte sein. Nach zwölf Jahren lag Europa in Trümmern und Millionen Tote waren zu beklagen. Und heute? Wieder heißt es: Alles Fremde, die Opposition, Flüchtlinge, minderwertige Rassen, alles soll vernichtet werden. Irre. Wie geht es wohl diesmal aus?

„Teile der Menschheit, Milliarden Menschen“ müssen ausgelöscht werden, schreibt der Mörder von Hanau.
„Die Vernichtung der jüdischen Rasse“ schrieb Hitler von Anfang an auf seine Hakenkreuzfahne, die heute wieder auf deutschen Straßen gezeigt wird, während tätowierte Brüllaffen ‚Heil Hitler‘ grölen.
Ihr Heilsbringer Höcke, der Führer für Arme, droht und raunt: „Es ist ein Problem dass Hitler als absolut böse dargestellt wird”.
Und dann schreit er dem dumpfen Pegida-Mob entgegen, man müsse die „Zivilgesellschaft austrocknen“, beklatscht von den armen Irren, die vor dem Karren in Dresden stehen und ihm zuhören. Der Zusammenhang?
Auf einem Karnevalsumzug in der Provinz laufen ‚komische‘ Judenfiguren. Wir schreiben das Jahr 2020.

Anhänger von Verschwörungstheorien, geistig zurückgeblieben, rassistisch, irre, hasserfüllt, gewaltbereit. Zwischen diese Begriffe gehört kein ‚Aber‘. Sie bilden eine Reihe. Hören wir doch hin. „1000 jährige deutsche Geschichte“, „Lügenpresse“ „Umvolkung“ - irre. Die Klimawandel- und Holocaust-Leugner leben nicht in einer realen Welt. Vernunft ist für sie ein Fremdwort. Und sie hassen Menschen, die ihre Lügen durchschauen. Denkende Menschen, Schriftsteller, Journalisten. „Wir jagen sie“, „Ab nach Hause“, „Säuberung“... Aus Worten folgen Taten. Nach dem Bürgerkrieg soll die Machtergreifung folgen.
Es wird geschossen.

Beliebte Posts aus diesem Blog

Die Gartenschau...

ist auch nicht mehr unschuldig. Das Thema Kostüm ist ein schwieriges geworden, sagt eine Moderatorin im WDR. Der Inhaber eines Kostümverleihs in Köln erzählt von der besonderen Vorsicht vor allem der jungen Leute. Kein Scheich, kein Indianer… Vor zwei Jahren hat man sich zu Karneval noch ein Betttuch übergeworfen, heute haben die jungen Leute Angst damit einen Scheich zu beleidigen. Um die Ecke meines Theaters gab es „Altentheater“. Viele ältere Menschen hatten dort Spaß am Spiel. Auch eine Tanzgruppe von Seniorinnen der AWO hatte sich anlässlich der Bundesgartenschau 23 ein besonderes Programm einfallen lassen: „Weltreise“. Mit phantastischen, zum großen Teil selbstgenähten Kostümen sollte diese Reise um die Welt auf die Bühne kommen. Doch dann knallte es: „Wir sollen die spanischen Flamenco-Kostüme, den orientalischen Tanz, den mexikanischen Tanz mit Sombreros und Ponchos, den japanischen Tanz mit Kimonos, den indischen mit Saris und den ägyptischen Tanz, in dem wir als Pharaoninnen ...

Falsche Sprache wird nicht richtiger, wenn sie verordnet wird.

Köln verordnet Gendersprache. Verwundert reibt sich der Leser die Augen. Ja, der Leser. Der Mensch der liest, egal welchen Geschlechts. Aber warum einfach, wenn's auch kompliziert geht. Warum es einfach richtig machen, wenn es auch falsch verordnet werden kann. Dafür gibt es Bürokratie. Es ist keine neue Erkenntnis, dass Bekanntmachungen der Kölner Stadtverwaltung meist das Gegenteil von dem bedeuten, was sie vorgeben: „Fahrradfreundlich“, „Kulturförderung“ - nun sehen wir: es geht noch schlimmer: „Geschlechtergerechte Sprache“. Ein entsprechender ‚Leitfaden’ verdient nicht einmal das Prädikat ‚Gut gemeint und schlecht gemacht‘. Gut gemeint ist nichts, diesmal geht es schlicht um den Kniefall der Stadtverwaltung vor einer Ideologie. Nicht nur, dass hier jede Regel der deutschen Sprache in den Wind geschlagen wird oder die Ablehnung der Gender-Sprache durch den zuständigen „Rat für deutsche Rechtschreibung“ keine Rolle spielen darf, d urch die Verordnung einer ‚falschen‘ Sprache wil...

Im Gedenken an meinen Freund Thomas Reis

Rede zur Trauerfeier in der "Comedia" am 30. August 2024 Thomas Reis. Es sind so viele Freunde da, es ist so viel vorbereitet. Mir fällt es schwer heute über ihn zu sprechen. Am liebsten würde ich weinen und anschließen ein paar Kölsch trinken. Aber: Thomas sagte: Du hältst die Rede. Toll. Diese Rede zu schreiben hat von mir das verlangt, was ich in über dreißig Jahren immer von Thomas verlangt habe. Von 1000 Seiten Text 995 zu streichen. Es sind so viele Erinnerungen, so viele Fußballspiele, so viel Kölsch, so viele Reisen, so viele wundervolle Auftritte, auf Gold-, Holz-, Kartoffel- und Reis-Bühnen, in Freiburg, Berlin, im Theater am Sachsenring und auch in der Comedia. Hier wollte er eigentlich nicht mehr auftreten. Kein Platz mehr für alte weiße Männer, erzählte er mir. Jetzt ist er doch wieder da. Geht doch. Thomas? Ich höre dich. „Liebe Freunde der belesenen Betroffenheit, Feministen und Feministinnen, trans-, bi-, homo- hetero- und metrosexuelle Menschenfreund*innen al...